Full text: Aberglaube, Sitte und Brauch im sächsischen Erzgebirge.

Nach der Taufe begibt sich der Zug wieder ins Haus der 
Wöchnerin zurück. Dabei wurden die Gevattern oft durch „Straußstecken“ 
aufgehalten. Erwachsene und auch Kinder hielten Sträuße bereit, die 
sie dem eigenen oder einem fremden Garten entnommen hatten, und 
stellten sie, durch angelegte Steine festgehalten, mitten auf den Weg. 
In der Nähe lauerte man versteckt auf die Geldspende, die an die Stelle 
des mitgenommenen Straußes gelegt wurde (O.). Oder man zog Leinen 
über den Weg, der nur gegen ein Lösegeld freigegeben wurde (O). 
Kurz vor dem Hause kam den Gevattern der Kindtaufsvater mit der 
Branntweinflasche entgegen und „schenkte“ jedem einmal (Spieß, 848). 
Mit den Worten: „Einen ungetauften Christen haben wir fort- 
geschafft, einen getauften bringen wir wieder“ übergibt man der Mutter 
das Kind, diesem alles Gute wünschend (v., vgl. M. 109). Sofort nach 
der Rückkehr muß die Mutter die Patenbriefe öffnen, denn je schneller 
es geschieht, desto eher lernt ihr Kind sprechen (Gd., Schl. 594“), und 
je schneller sie nach den Briefen läuft, desto eher lernt es laufen (Ehr.). 
Am besten ist es, wenn die Briefe über dem Kopfe des Kindes geöffnet 
werden, was großes Glück verheißt (Gd.), das weichen würde, wenn 
das Offnen mit dem Messer oder der Schere und nicht mit den Zähnen 
geschähe (96) 
Es schließt sich nun der Taufschmaus (vgl. M. 108.) an, der in 
einfacheren Verhältnissen folgenden Verlauf nimmt. Zunächst gibt es 
Kaffee und Kuchen, wenn nicht mehrere Sorten, so doch immer sog. 
„Dicken“, der ungefähr 5 Zentimeter hoch ist, so daß man ihn am liebsten 
von unten und oben beißen möchte. Von diesem Kuchen bekommen die 
Kindtaufsgäste am andern Tage je ein bis anderthalb Viertel ins Haus 
geschickt. Diese Spende heißt das „Gevatterstück“. Unter diesem Namen 
wird das Gebäck auch bestellt. Nach den Angaben eines Annabergers 
Bäckers werden gewöhnlich sechs Kuchen bestellt, für die er neun Pfund 
Mehl — außer den Zutaten — berechnet. Bei Paschtaufen erhalten die 
Paten das Gevatterstück — ein bis zwei Kuchen — am Tage vor der 
Taufe ins Haus. Nach dem Kaffeetrinken gehen oder fahren die weib- 
lichen Gevattern heim und kleiden sich um. Unterdes unterhalten sich 
die Männer bei Bier und Schnaps. Sind die Frauen zurückgekehrt, 
so geht es zum Tanz in den Gasthof bis zum Abendessen gegen 8 Uhr. 
Das Mahl besteht in der Regel aus Sauerkraut mit Rinder= oder 
Schweinebraten, verschiedenen Kompots und Butter, Brot und Käse. 
Selten wird die früher übliche Biersuppe noch aufgetragen. Nach dem 
Essen nimmt der Tanz im Gasthofe seinen Fortgang, und erst das Ende 
der Tanzmusik läßt die Taufgesellschaft auseinandergehen, unter der 
sich auch die Mutter befindet, die nicht selten jede Tour tanzt, obwohl 
sie „kaum vom Kinde weg ist“. Damit ist aber die Tauffestlichkeit nicht 
beendet. Am andern Tage finden sich alle im Laufe des Nachmittags 
wieder im Taufhause ein zu Unterhaltung und Spiel, wobei den Uber- 
resten vom ersten Tage der Garaus gemacht wird. 
Anders gestaltet sich der Taufschmaus natürlich in den Städten 
und in besser gestellten. Kreisen, doch erübrigt sich eine Schilderung
	        
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