Full text: Aberglaube, Sitte und Brauch im sächsischen Erzgebirge.

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Verlassen der Kutsche bringt die Mutter der jungen Frau oder eine 
Verwandte derselben dem jungen Paar Brot, Butter und eine Flasche 
Bier oder Schnaps entgegen, um Glück zu sichern (Br.). Die Braut- 
mutter beschenkt ihre Tochter mit Geld, damit nie Mangel daran komme 
(v.). Im Hause, in das das junge Paar zuerst eintreten soll (Ge.), 
überreicht man Wasser, Brot und Salz (A.), ein Glas Bier oder Wein, 
wovon der junge Ehemann zuerst trinkt und den Rest seiner Gattin 
reicht, die das leere Glas hinter sich wirft. Zerbricht es, so ist die 
Ehe glücklich (Schö. 5655). Ebenso bekommen auch die Gäste in der Haus- 
flur Kuchen und Wein, damit der jungen Ehe nie Nahrungsmangel drohe 
(Kö.). In die Ansprache an das junge Paar ist meist das Vaterunser 
mit eingeflochten (S.). 
Der Hochzeitsschmaus. (LVgl. hierzu M. 179, 180.) „Der 
Hochzeitsschmaus und die Hochzeitsfeier haben den Ursprung in der 
Friedensfeier bei der Darbringung der Sühnopfer nach Beilegung der 
Fehde zwischen den Sippegenossen des Frauenräubers und den Sippe- 
genossen der durch den Raub verletzten Sippe.“ (Lobe, „Das deutsche 
Recht“ in Meyer, D. d. Volkstum, S. 434). Wie Grimm nachgewiesen 
hat, bedeutet Braut die „Fortgeführte“ und geht auf sanskr. prandhá 
(von prarah--rauben) zurück. 
Begnügt man sich heute meist mit einer ein-, höchstens zweitägigen 
Hochzeitsfeier, so tafelte und tanzte man früher oft drei und vier Tage 
hintereinander#) (Gey., A., S. u. a. a. O.). Nur vereinzelt galt die 
1) Folgende um 1750 niedergeschriebene Rechnung über den Aufwand bei der 
Hochzeit einer Annaberger Bürgerstochter gibt einen interessanten Aufschluß über eine 
Hochzeitstafel bei Bessergestellten in jener Zeit. Die ausgeworfenen Beträge belaufen 
sich auf 141 Taler 9 gute Groschen, günf fehl fehlende Ausgaben nicht mit eingerechnet. 
r . Koch gegeben 
1. Wilde Schweine v. Jöhstadt 14 22 16. Den Schenk 2 — 
2. Fuhrlohn dafür 16 19. Den Küchenweibern 2 12 
7. Vier Schöpse, lebendig — 20. Den Schreibern f. Brot u. Bier — 10 
4- Sei Schock Forellen 8 12 21. Holz zum Kochen u. Braten 6 — 
5. 8 25 —22. Steuer, gegeben für Lebens- 
6. Bro- und Mehl 17 12 mittel u. andere Sachen, so zur 
7. Zwei Schweine 9 — Hochzeit gekommen 2 10 
8. Neunzehn Stück türkisches 23. Karpfen, 2 Stein 3½ Pfund, 
Federvieh, zwölf Hasen, sech- und Lichte — 
zehn Kapaunen, zusammen 17 — 424. Vier Stück Fleisch 1 — 
9. Vier Kapaunen und drei 25. Zitronen 1 — 
Hennen, so mein gewesen 1 626. Gartensachen (d. i. Gemüse) — — 
10. Sechs Schinken 5 27. Vier Kannen Wein — 
11. Fünfzehn 88 Speck, je 4 ggr. 6 14 28. Branntwein 1 — 
12. Fünfzehn Gänse 5 14 29. Zwanzig Kannen Butter 1 — 
13. Die Hochzeitsküche zu pachten 1 14 30. 6 Schock Eier, je 7 Gr. 6 Pfg. # — 
14. Den Tanzboden zu mieten — 18 31. Essig — 
15. Gewürz Nach den „Rückblicken“ von Spieß. 
16. Tabak und Pfeifen 
1506 erließ der Annaberger Rat die „Ordnung wegen Hochzeit.“ Weil die 
Bergleute wegen solcher Feste viel Zeit versäumten, erschien am 27. September 1558 vom 
Kurfürsten August für Annaberg eine „Hochzeitsordnung“ mit der Bestimmung, keine 
Hochzeit länger als einen Tag zu halten und „wegen Verarmung der Leute“ nicht 
mehr Gäste zu speisen, als an vier Tischen untergebracht werden könnten.
	        
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