180 II. Gesetz über den Elementarunterricht.
1. [Verhältnis zum Bürgerlichen Gesetzbuch.] Im Hinblick auf
Artikel 55 des (Reichs-) Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche, wonach
die privatrechtlichen Vorschriften der Landesgesetze außer Kraft treten, soweit nicht in
dem bürgerlichen Gesetzbuche oder in dem Einführungsgesetze ein Anderes bestimmt
ist, könnte die Frage aufgeworfen werden, ob nicht die Bestimmungen des § 65 des
E.U. G. auf 1. Jannar 1900 außer Wirksamkeit getreten sind, da sie ein zweifellos.
privatrechtliches Verhältnis — Pacht zwischen Gemeinde und Lehrer — zum Gegen-
stande haben. Die Frage wird zu verneinen sein. Die Bestimmungen des § 65 des
E.U. G. gehören insofern dem Gebiete des öffentlichen Nechtes an, als darin Be-
dingungen festgesetzt sind, deren Eingehen eine Voraussetzung bildet für die öffent-
lich-rechtliche Verpflichtung der Gemeinde, dem Lehrer die Beinutzungsgüter des
Schuldienstes in Pacht zu geben. Überdies wird der Inhalt des § 65 als Bestand-
teil der vereinbarten Pachtbedingungen anzusehen sein, weil der Lehrer nur unter
Voraussetzung der Annahme derselben die in § 64 d. G. bezeichnete Berechtigung
ausüben kann und die Gemeinde, wenn auch durch öffentlich-rechtliche Verpflichtung
genötigt, immerhin unter Annahme derselben Bedingungen in das Pachtverhältnis
eintritt.
2. [Dauer des Pachtverhältnisses.] Der Gemeinde gegenüber er-
streckt sich das Pachtverhältnis auf die ganze Zeit der Anstellung des pachtungs-
berechtigten Lehrers in der Gemeinde derart, daß der Gemeinde ein Kündigungsrecht
nur nach § 553 (verbunden mit § 581 Abs. 2) des B. G. B. zusteht — E. U. G. § 65
Abs. 3. Gegenüber dem Lehrer dagegen ist die Pachtzeit „unbestimmt“ im Sinne
des § 595 des B.G. B. — E. U.G. § 65 Abs. 2.
3. Anfang und Ende der Pachtzeit sind, vorbehaltlich besonderer
Verabredung zwischen Gemeinde und Lehrer, auf den 24. Oktober festgesetzt, weil
nach den klimatischen Verhältnissen des Großherzogtums der Pächter innerhalb des
Zeitraums vom 24. Oktober des einen bis zum 23. Oktober des folgenden Jahres
bei ordnungsmäßiger Wirtschaft den ganzen Jahres-Ertrag der Grundstücke zu be-
ziehen imstande sein wird (B.G. B. § 581). Das Jahr vom 24. Oktober des einen
bis zum 23. Oktober des nächsten Jahres bildet sonach das „Pachtjahr“ im Sinne
des § 595 Abs. 1 des B. G.B.
4. Das Verbot, die Schulgüter in After-(Unter-)Pacht zu
geben, ist der Erwägung entsprungen, daß die Vorschrift in § 64, als Ausnahme
von der Regel des § 62, nur dann platzgreifen soll, wenn der Lehrer an der eigenen
Bewirtschaftung der Güter ein besonderes Interesse hat. Vor dem 1. Mai 1892
war die Weiterverpachtung der Güter durch den genußberechtigten Lehrer zugelassen,
was indessen zu mancherlei Unzuträglichkeiten geführt hat.
Seit 1. Jannar 1900 wäre übrigens eine Begebung der vom Lehrer in Pacht
genommenen Schulgüter in Unterpacht schon nach den Bestimmungen des Bürgerlichen.
Gesetzbuches nur mit Zustimmung der Gemeinde zulässig — B.G.B. § 549, § 581.
Abs. 2, § 596 Abf. 1.
5. Die Bestimmung im letzten Absatz des § 65 soll die Gemeinden gegen Will-
kürlichkeiten der Lehrer sicherstellen, ihnen insbesondere die Möglichkeit verschaffen, für
die Verwertung der Liegenschaften, die der Lehrer nicht in Pacht nehmen will oder
nicht ordnungsgemäß zu bewirtschaften imstande ist (B.G.B. § 553), auf eine längere
Neihe von Jahren hinaus Vorsorge zu treffen (V.O., betreffend den Aufwand für die
Volksschulen, § 12 Abf. 1).