Full text: Gesetze und Verordnungen über Elementarunterricht und Fortbildungsunterricht im Großherzogtum Baden.

268 II. Gesetz über den Elementarunterricht. 
Eine Denkschrift des Stadtschulrats Dr. Sickinger vom 1. Jannar 1899 „Zur 
Frage der Organisation der Volksschule in Mannheim“ enthält (Seite 30/31) 
liber die Erfolge der Mannheimer Volksschulorganisation nachstehendes Urteil: 
„Bei Umwandlung der bis zum Jahre 1872 bestandenen gegliederten Volks- 
schule in eine einheitliche erweiterte Schule liet man sich von der humanen und an 
sich durchaus anerkennenswerten Absicht leiten, „alle Kinder ohne Ausnahme der 
Wohlthaten eines erweiterten Wissens teilhaftig“" werden zu lassen, „„an welchem 
gewiß keines in das spätere Leben ctwas Uberflüssiges mitnehmen wird““. Leider war 
dabei außeracht geblieben, was sich in der Folgezeit bitter. rächte, daß eine große Zahl 
von Kindern absolut nicht dazu befähigt ist, eines erweiterten 
Wisscnus teilhaftig zu werden, und daß infolge dessen diese Kinder bisher 
aus der erweiterten Schule viel weniger mit in's Leben hinaus nahmen, als 
wenn ihnen das Durchlaufen einfacher Unterrichtskurse ermöglicht worden wäre. 
Hätte man damals die Schule mit dem einfachen Unterrichtsplau bestehen lassen und 
alle als leistungsfähig erkanuten Kinder, ohne Rücksicht auf die 
Berufsstellung der Eltern, in die Schule mit dem erweiterten Unterrichtsplan zu- 
gelassen, so wäre die der einheitlichen erweiterten Schule zugrunde licgende Absicht, 
auch dem ärmsten Kinde eine gediegene Schulbildung zu ermöglichen, viel zuverlässiger 
erfüllt worden, als dies seither erwiesenermaßen der Fall war.“ 
c. Grundzüge des Unterrichtsplanes. 
Für die Schulabteilungen in den Vororten gilt der durch Verordnung auf- 
gestellte Normallehrplan für Schulen mit einfacher Unterrichtszcit (mindestens 
16 Wochenstunden für jede Klasse). 
Dic einheitliche erweiterte (achtklassige) Volksschule hat durchgehends 
erweiterte Unterrichtszeit (niederste Zahl der Wochenstunden: 19½, für die 
I. Knabenklasse; höchste: 31, für die V. bis VIII. Mädchenklasse). Der Unterricht in 
den nach § 20 des E. U.G. vorgeschricbenen Gegenständen wird — namentlich in 
Rechnen und Geometrie — weiter, als im Lehrplan für einfache Volksschulen vor- 
geschrieben ist, verfolgt. Für freiwillige Teilnahme wird ferner Unterricht in der 
französischen Sprache erteilt (außerhalb der stundenplanmäßigen Unterrichtszeit in 
drei wöchentlichen Abendstunden). 
Die Bürgerschule umfaßt acht Jahrgänge bei im wesentlichen derselben 
Unterrichtszeit, wie in der erweiterten Volksschule. Der Unterrichtsplan zeigt auf 
der Grundlage desjenigen der erweiterten Volksschule eine weitere Ausgestaltung der 
für das kaufmännische und gewerbliche Leben erforderlichen Fächer — französische 
Sprache (in der Bürgerschule Pflichtfach), deutsche Sprache, Mathematik, Volkswirt- 
schaftslehre, Zeichnen. 
d. Schulgeld. 
Für den Besuch der einfachen (Vorort-) Volksschule sowie der einheitlichen er- 
weiterten Volksschule ist Schulgeld nicht zu entrichten. Für Schüler (Schülerinnen) 
der Bürgerschule beträgt das Schulgeld 28 Mk. für das Jahr (Gemeindebeschluß 
vom 11. Oktober 1892). Befreiung für den ganzen oder auch nur für den halben 
Schulgeldbetrag kann voin Stadtrat bewilligt werden, „wo Dürftigkeit, Fleiß und 
Sittlichkeit nachgewiesen sind". Die Befreiungsgesuche müssen für jedes Schuljahr 
erneuert werden (Instruktion vom 4. Oktober“ 17. November 1892). 
e. Zahl und Art der für den gesamten Volksschulunterricht 
der Stadt anzustellenden Lehrkräfte 
richtet sich jeweils nach der Zahl der mit Lehrkräften zu versehenden Abteilungen der
	        
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