2. Verordnung vom 26. Februar 1894 (Aufsichtsbehörden). 333.
An die Aufsichtsbehörden der Volksschulen.
Nachdem in letzter Zeit vielfach Zweifel darüber herrorgetreten
sind, unter welchen Voraussetzungen Geistliche aufgrund der Vorschrift.
in § 10 E.U.G. zum Eintritt in die Ortsschulbehörde berechtigt sein
sollen, schen wir uns veranlasst, nach Massgabe der bisher in der Sache.
ergangenen Ministerial-Entscheidungen folgendes bekannt zu geben:
b„Ortspfarrer“ im Sinne der bezeichneten Gesctzesvorschrift ist jeder
Geistliche, welchem eine sclbstündige und danernde Seelsorge über
die Angehörigen eines Bekenntnisses für einen unter Mitwirkung der—
Staatsgewalt abgegrenzten Bezirk von der staatlich als zustündig an-
erkannten kirchlichen Behörde übertragen ist, und zwar ohne Rücksicht.
darauf, ob die Anstellung eine definitive oder eine nur provisorische ist.
Bestehit der DPfarrbezirk aus mehreren Gemeinden, so sind die betreftlenden
Geistlichen anch in den Filialgemeinden — sofern dieselben eigene
Schulen haben — zum Eintritt in die Ortsschulbehörde berechtigt.
Geistliche dagegen, denen durch Anordnung der zuständigen Kirchen--
behörden in nur provisorischer Weise eine Seelsorgethätigkeit bezüglich
der Bekenntnisangehörigen eines bestimmten Bezirks — Diasporabezirk
— übertragen ist, ohne dass eine Mitwirkung der Staatsbehörden bei der-
Umschreibung dieses Bezirks stattgefunden hätte, sind als Ortspfarrer
im Sinne der genannten gesetzlichen Bestimmung nur an ihrem
Amtssitz anzuerkennen und daher nur an diesem zur Ortsschulbehörde-
beizuziehen.
3. [Ortspfarrer in den Schulkommissionen der Städteord-
nungsstädte.] Mit der Bestimmung unter Ziffer 3 des vorstehenden § 3 steht
das — vor Erlassung der Verordnung vom 26. Jebruar 1894 staatlich genehmigte-
— „Ortsstatut über das Schulwesen der Haupt= und Residenzstadt Karlsruhe“ insofern
nicht in Einklang, als nach § 2 dieses Status (s. S. 249 dieser Schrift) Mitglicd
der Schulkommission sein soll „ein vom Stadtrat nach Anhörung des Kirchen-
gemeinderats der Altstadt und jenes des Stadtteils Mühlburg zu bezeichnender
ebangelischer Ortspfarrer“, mithin die Bezeichnung desjenigen Pfarrers, welcher von
den mehreren in der Stadt Karlsruhe angestellten evangelischen Pfarrern (für die-
Katholiken war zur Zeit der Erlassung des Statuts nur ein Pfarrer angestellt)
zum Eintritt in die Schulkommission berechtigt sein soll, nicht von der „vorgesetzten
Kirchenbehörde“, sondern vom Stadtrat ausgehen soll. Die Bestimmung des Karls-
ruher Statuts beruhte auf der (auch von anderen Stadtverwaltungen vertretenen)
Ansicht, daß nach den Vorschriften der Städteordnung (5 19 b, Absatz 2, ver-
bunden mit 8 19 a, Absatz 2 letzter Satz) die Bestellung der Schulkommission lediglich
Sache der Stadtverwaltung sei. Bei Erlassung der Vero-duung über die Aufsichts-
behörden für die Volksschule wurde indessen eine Bestimmung, wie solche jetzt § 3.
der Verordnung vom 26. Februar 1894 enthält, für zulässig und zugleich der Sache
entsprechend crachtet. Gegenüber der aus der Fassung des § 19 b. Absatz 2, der
Städteordnung möglicherweise abzuleitenden Beanstandung wurde insbesondere
inbetracht gezogen, daß „eine dem Zwecke einer solchen Verordnungsbestimmung ent-
sprechende Ordnung der Angelegenheit jedenfalls durch einen bezüglichen Vorbehalt
bei der staatlichen Genehmigung der betreffenden Ortsstatute herbeigeführt werden
könnte“. (Min. d. Innern, 27. Juli 1893, Nr. 19 817.)
4. [Singemeindung von Vororten.] Die dermalige Gesetzgebung
über das Volksschulwesen enthält keine Bestimmung, aufgrund deren verlangt werden