494 VII. Einzelne Unterrichtsgegenstände.
Wird die für den Religionsunterricht zur Verfügung gestellte Stundenzahl aus
dem Wochendepntate eines Lehrers nicht, oder nicht voll in Anspruch genommen,
z. B. weil der Geistliche alle oder eine entsprechend größere Zahl von Religionsstunden
erteilt, so dürfen die für Religionsunterricht frei bleibenden Stunden nicht in das De-
putat des Lehrers eingerechnet, d. h. diesem kann dafür anderer Unterrichtäugewiesen werden.
O. S. R., 16. Mai 1890 Nr. 8139.
cc. Die Bestimmung der Voraussetzungen, unter welchen die Ver-
fügungen der Kirchen inbetreff des Neligionsunterrichts
für die Lehrer verpflichtend werden. (E. U.G. § 22, Absätze 4 und 5.)
Die Kirchen haben über die Lehrer keine amtliche Dienstgewalt; sie müssen daher
ihre Verfügungen der zuständigen Schulbehörde (Verordnung vom 26. Februnar 1894,
§§ 27 und 28 — S. 347) mitteilen behufs der Verkündung an die Lchrer zur
Nachachtung. Aus dem gleichen Grunde ist die Verwendung eines Lehrers zur
Unterstützung des Geistlichen in der Erteilung des Religionsunterrichts nicht abhängig
von einem dem cinzelnen Lehrer in Beziehung auf eine bestimmte Schule zu erteilenden
Auftrag (Missionsurkunde), sondern nur von einer allgemeinen, die Befähigung des
Lehrers zur Erteilung von Religionsunterricht aussprechenden Erklärung der Kirchen-
behörde (e. II. G. § 26, Absätze 2 und 3).
II. Verpflichtung der Schüler zur Teilnahme ist nur bezüglich
desjenigen Religions unterrichts gesetzlich begründet, welcher in der Volks-
schule nach Maßgabe des für diese genehmigten Stundenplanes erteilt wird. Ver-
säumnisse der sog. Christenlehre können daher nach § 4 des E. U.G. ebensowenig
behandelt werden, als etwa Versäumnisse des Neligionsunterrichts, welcher aus be-
sonderen Anlässen neben dem Unterricht in der Volksschule erteilt wird (z. B. Kon-
firmandenunterricht. Vgl. übrigens Zusatz 3 zu § 23 des E.U.G. S. 114).
Einc wesentliche Voraussetzung der Verpflichtung eines Schülers zur Teilnahme
an einem Religionsunterricht ist ferner dessen Zugchör igkeit zu der-
jeuigen Kirche (bezw. kirchlichen Gemeinschaft,, für deren Angehörige jener
Unterricht bestimmt ist. Diese Zugehörigkeit wird derjenigen Kirche (kirchlichen Ge-
meinschaft) gegenüber zu unterstellen sein, in deren Neligion das Schulkind nach der
von den berechtigten Personen hierwegen getroffenen Bestimmung erzogen werden soll.
Ist bei der betreffenden Schule für einen Neligionsuntericht desjenigen Bekenntnisses,
dem das Kind hiernach angehören soll, keinerlei Veranstaltung getroffen, so kann für
dasselbe eine schulmäßige Verpflichtung zum Besuche eines Religionsnunterrichts nicht
in Wirksamkeit treten, d. h. die Schulleitung wäre weder verpflichtet noch berechtigt,
das Kind zum Besuche des Religionsunterrichts eines andern Bekenntnisses anzu-
halten oder eine Kontrole darüber zu führen, ob ctwa das betreffende Schulkind an
einer anderweit veranstalteten, mit der Schule nicht zusammenhängenden religiösen
Unterweisung teilnimmt. Indessen hat die Oberschulbehörde für angezeigt erachtet,
daß in derartigen Fällen der Lehrer, dessen Unterricht das Kind besucht, dem zu-
ständigen Geistlichen des Bekenntnisses, welchem das Kind angehört, eine entsprechende
Mitteilung zugehen lasse. O. Sch. R., 17. Oktober 1888 Nr. 14937. Dienstweisung
für die Lehrer an Volksschulen, § 26 (S. 417) und Bekanntmachung des Oberschul-
rats vom 31. Juli 1897 (Schulv. Bl., 1897, S. 59).
Den hinsichtlich der Religionscerziehung im Großherzogtum Baden geltenden
Rechtsgrundsätzen würde es sonach nicht entsprechen, sog. Dissidentenkinder
in Ermangelung eines für sie bestimmten eigenen Religionsunterrichtes dem Religions-
unterricht desjenigen Bekenntnisses zuzuweisen, dem in der Schule, welche sie besuchen,
die Mehrheit der Schulkinder angehört.