Full text: Gesetze und Verordnungen über Elementarunterricht und Fortbildungsunterricht im Großherzogtum Baden.

1498 VII. Einzelne Unterrichtsgegenstände. 
weisung grundsätzlich oder wenigstens leichtfertiger Weise sich zu entziehen sucht, sollen 
die Lehrer dem Ortsgeistlichen in geeigneter Weise Mitteilung machen. Die Ver- 
pflichtung des Lehrers zum Eintrag der betreffenden Versäumnisse in die Schülerliste 
wird dadurch nicht berührt. O. Sch.N., 14. Dezember 1897 Nr. 16 060. 
V. [Stellung der Geistlichen als Religionslehrer.] Vermöge 
der Bestimmungen in § 12 Abs. 1 des Gesetzes über die rechtliche Stellung der 
Kirchen und kirchlichen Vereine im Staate (S. 29 u. 30) und in § 22 Abs. 2 des 
E.. G. erscheint die Erteilung von Religionsunterricht an einer Volksschule (bezw. 
überhaupt an einer öffentlichen Lehranstalt) als öffentliche Ausübung 
ciner kirchlichen Funktion. Die Befugnis hiczu, sowohl im allgemeinen 
als für den Ort der Ausübung, richtet sich daher nach den staatsgesetzlichen Vor- 
schriften über die Zulassung zu einem Kirchenamt oder zur öffentlichen Ausübung 
kirchlicher Funktionen. 
Gesetz vom 19. Fehruar 1874, betreffend die Anderung einiger Bestimmungen des 
Gesetzes über die rechtliche Stellung der Kirchen und kirchlichen Vereine im 
Staate, Artikel 1 (Ges. und V. Bl. 1874 S. 93); 
Gesetz vom 5. März 1880, betreffend die allgemein wissenschaftliche Vorbildung der 
Kandidaten des geistlichen Standes, Artikel 1 (Ges. u. V. Bl. 1880 S. 48); 
Landesherrliche Verordnung vom 11. April 1880, betreffend den Nachweis der all- 
gemein wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen (Ges. und V. Bl. 1880 
S. 116). 
Indessen unterliegt auch der Religionsunterricht dem durch das Gesetz vom 
2 April 1872 dem Gesetze über den Elementarnnterricht (früher § 109, jetzt 110) 
cingefügten Verbote für Mitglieder eines religiösen Ordens oder 
einer ordeusähnlichen Kongregation, irgendwelche Lehrwirksamkeit an 
Lehr= und Erziehungsanstalten im Großherzogtum auszuüben (Zusatz 1 zu § 116 
d. G. — S. 279). 
Die Geistlichen sind auch in der Eigenschaft als Religionslehrer an öffent- 
lichen Lehranstalten nicht Beamte — weder im Sinne des Reichsstrafgesetzbuches 
(§ 359), noch im Sinne des Beamtengesetzes vom 24 Juli 1888 (§ 1) — und einer 
eigentlichen Disciplinargewalt der staatlichen Schulaufsichtsbehörden nicht unter- 
worfen (sofern nicht etwa ein Geistlicher durch übernahme einer von staatlicher Ver- 
leihung abhängigen Verwendung im Schuldienste — z. B. als Lehrer an einer 
Mittelschule oder als Volksschulrektor, E.U. G. §94 und § 106 — sich in einem Dienst- 
verhältnis zum Staate befindet). Aus der in § 12 Abs. 1 des Gesetzes vom 9. Ok- 
tober 1860 allgemein, also auch dem Religionsunterricht gegenüber, dem Staat vor- 
behaltenen einheitlichen Leitung der Unterrichtsanstalten und aus der Bestimmung 
des Elementarunterichsgesetzes (§ 22 Abs. 6), wonach die Geistlichen als Religions= 
lehrer in den Volksschulen an die Schulordnung gebunden sind, wird jedoch für die 
Staatsbehörden das Recht abgeleitet, Geistliche, welche sich bei Erteilung des Reli- 
gionsunterrichts grobe Verletzungen der Schulordnung zu Schulden kommen lassen, 
von der Schule auszuschließen. M. d. J., 9. Mai 1873 Nr. 6829, 9. April 1874. 
Nr. 5222, 6. November 1874 Nr. 16230 2c. 2c. Das Recht der Kirchen, den Reli- 
gionsunterricht für ihre Angehörigen zu überwachen, schließt nicht die Befugnis der 
Mitglieder der Ortsschulbehörde bezw. der staatlichen Aufsichtsbeamten aus, die 
Schule auch während des von dem Geistlichen gegebenen Neligionsunterrichts zu be- 
suchen. M. d. J., 8. März 1866 Nr. 3435. s
	        
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