Full text: Gesetze und Verordnungen über Elementarunterricht und Fortbildungsunterricht im Großherzogtum Baden.

48 J. Geschichtliche Einleitung. 
beseitigt und, damit in Zusammenhang, die örtliche Schulaufsicht auf die 
Gemeinderäte übertragen, unter Aufhebung der bis dahin damit be— 
trauten „Ortsschulräte.“ Dem bezüglichen, an den Landtag von 1875/76 
gelangten Gesetzesentwurfe der Großh. Regierung") war folgende Begründung 
beigegeben: 
I. Das Gesetz vom 28. August 1835 über die Rechtsverhältnisse der Volksschul- 
lehrer und die Deckung des Schulaufwandes erteilte einem vorgefundenen thatsäch- 
lichen Zustand die gesetzliche Sanktion, indem verschiedene seiner Bestimmungen auf 
dem Grundsatz beruhen, daß in Gemeinden mit einer nicht einem und demselben 
religiösen Bekenntnisse angehörenden Einwohnerschaft, sofern in denselben zur Zeit 
der Erlassung jenes Gesetzes die schulpflichtigen Kinder nach dem Bekenntnis getrennt 
in gesonderten Volksschulen unterrichtet wurden, dieses Verhältnis fortzudauern habe. 
Demgemäß legte das Gesetz den betreffenden Gemeinden die Verpflichtung auf, für 
die mehreren Schulen den zu deren Unterhaltung erforderlichen Aufwand ferner- 
hin aufzubringen, während andererseits bei Gemeinden, die damals bloß cine Volks- 
schule hatten, nur für eine Schule die in dem Gesetz bestimmten Verpflichtungen 
auch dann eintraten, wenn die Einwohner bezw. die schulpflichtigen Kinder nicht eines 
und desselben Bekenntnisses waren. 
Da nun im letzteren Falle — wegen des im Gesetz von 1835 zwar nirgends 
speziell ausgedrückten, aber doch vorausgesetzten sog. konfessionellen Charakters alle 
damaks bereits errichteten Volksschulen — an der einen in der Gemeinde vor- 
handenen Schule nur Lehrer eines Bekenntnisses angestellt werden konnten. war 
ein Teil der schulpflichtigen Kinder nicht allein darauf angewiesen, den Unterricht 
des Lehrers eines anderen Bekenntnisses zu besechen, sondern es fehlte auch dem 
doch einen obligatorischen Lehrgegenstand bildenden Religionsunterricht des einen Teils 
jede Beihilfe seitens der Volksschule. Abhilfc konnte nur geschaffen werden durch 
Errichtung einer eigenen Schule auch für das einer solchen bis dahin entbehrende 
Bekenntnis, und diese wieder war nur möglich, wenn der entstehende Mehraufwand 
ohne Inanspruchnahme der politischen Gemeinde und der Staatskasse beschafft wurde 
(§§ 31 und 32 des Gesetzes vom 28. August 1835). 
Auch das Gesetz vom 8. März 1868 hielt die Trennung der Schüler verschiedenen 
Bekenntnisses in gesonderte Schulen, wo solche damals bereits bestanden, im Prinzip. 
aufrecht und nahm überdies den bis dahin thatsächlich gehandhabten Satz, daß an 
Volksschulen einer bestimmten Konfession nur Lehrer dieses Bekenntnisses angestellt 
werden dürfen, als ausdrückliche Bestimmung auf (§8 6 und 7 jenes Gesetzes). 
Indessen konnte doch damals schon nicht verkannt werden, daß einer seit 1835 durch 
Zunahme der konfessionellen Mischung der Gemeinden eingetretenen Aenderung der 
einschlägigen Verhältuisse Nücksicht getragen werden müsse, und daß eine gleiche Rück- 
sichtnahme die bedeutend größere Belastung der Gemeinden mit Ausgaben für die 
Schule verlange, welche die, cinc der wichtigsten Aufgaben des neuen Gesetzgebungs- 
werkes bildende Besserstellung der Volksschullehrer mit sich brachte. 
Aus solchen Erwägungen sind die Bestimmungen des Gesetzes vom 8. März 
1868 hervorgegangen, wonach einerseits Gemeinden, die bis dahin für eine kleine 
Anzahl Schüler eines in der Minderheit befindlichen Bekenntnisses eine eigene Schule 
hatten unterhalten müssen, diese Last abgenommen (§ 8), anderseits zugunsten ven 
Bekenntnissen, die 1835 nicht im Besitze eigener Volksschulen, inzwischen aber zu ver- 
1) Ständische Verhandlungen, 1875,76, Zweite Kammer, Beilagenheft 1IV.
	        
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