Full text: Gesetze und Verordnungen über Elementarunterricht und Fortbildungsunterricht im Großherzogtum Baden.

Vierter Abschnitt. 1868—1900. 49 
hältnißmäßiger Stärke herangewachsen waren, den betreffenden Gemeinden Verpflich- 
tungen auferlegt wurden, die bis dahin nur zu gunsten des andern Bekenntnisses 
bestanden hatten (8 9). 
Eine weitere Einräumung an die gegenwärtigen thatsächlichen Verhältnisse, 
welche sich gegen 1835 vielfach so erheblich geändert hatten, daß eine unbedingte 
Aufrechterhaltung des damaligen Zustandes immer schwieriger wurde, besteht darin, 
daß das Gesetz vom 8. März 1868 gestattet, mehrere nach Konfessionen getrennte 
Volksschulen eines Ortes in eine Volksschule zu vereinigen, sofern jede der be- 
teiligten Konfessionsgemeinden für sich, in getrennter Abstimmung der bei der Wahl 
des Oitsschulrats stimmberechtigten Konfessionsangehörigen, die Vereinigung beschließt. 
Die Bedingung, von welcher das Gesetz die Vereinigung der Schulen abhängig 
macht, beruhte auf der Erwägung, die Trennung der Schulkinder nach dem Be- 
kenntnis in gesonderte Schulen sei mit den Anschauungen und Gewohnheiten zumal 
der ländlichen Bevölkerung so tief verwachsen, daß eine nicht aus der Zustimmung 
der betheiligten Konfessionsgemeinden selbst hervorgegangene Vereinigung als eine 
tief eingreifende, schmerzende und darum eine gedeihliche Wirksamkeit der Schule be- 
cinträchtigende Aenderung könnte empfunden werden. 
Seit Einführung des Gesetzes vom 8. März 1868 haben auf dem durch das- 
selbe vorgezeichneten Wege etwa 30 Gemeinden eine Vereinigung ihrer nach Kon- 
fessionen getrennten Volksschulen herbeigeführt. 
Die hierbei gemachten Erfahrungen zeigen, daß nirgends die den Schulen ge- 
gebene neue Einrichtung Mißstände, die deren gedeihliche Wirksamkeit beeinträchtigen, 
im Gefolge gehabt hat, daß aber vielfach nicht gering anzuschlagende Nachteile mit 
dem Verfahren verbunden waren, welches zur Erzielung jener neuen Einrichtung 
durchgeführt werden mußte. Die Nachteile bestanden in heftigen, die Einwohnerschaft 
tief aufregenden Parteikämpfen, die fast überall den bezüglichen Abstimmungen vor- 
angingen. Nur ausnahmsweise sachlichen Erwägungen entstammend, meist her- 
vorgerufen bei mangelndem Verständnis eines großen Teils der zur Abstimmung 
Berufenen, durch unbestimmte, wohl manchmal auch künstlich genährte Befürchtungen, 
vermochten zwar jene Kämpfe nicht zu hindern, daß schließlich doch das gewonnene 
Resultat fast allseitigen Beifalls sich zu erfreuen hatte; sie übten aber doch manche 
Nachwirkungen in Beziehung auf den inneren Frieden in den betreffenden Gemeinden, 
so daß der Wunsch, künftige Anlässe zu ähnlichen Kämpfen vermieden zu sehen, als 
cin wohlberechtigter erscheinen muß. 
II. Die Gründe, welche schon bei Erlassung des Gesetzes vom 8. März 1868 
dazu nötigten, auf eine Erleichterung der mit der Verpflichtung zur Unterhaltung 
mehrerer Volksschulen belasteten Gemeinden Bedacht zu nehmen, erhielten ein 
wesentlich verstärktes Gewicht durch die abermalige sehr erhebliche Einkommens- 
verbesserung, welche das Gesetz vom 19. Februar 1874 den Volksschullehrern gewährt 
hat. Ist schon für viele Gemeinden mit nur einer Volksschule die Aufbringung 
des so wesentlich gesteigerten Aufwandes für Lehrergehalte eine sehr empfindliche 
Last, so kann diese unerträglich werden für Gemeinden, welche für mehrere Bekennt- 
nisse gesonderte Volksschulen unterhalten sollen und darum neben dem entsprechend 
erhöhten Aufwand für Lehrergehalte auch die Ausgaben auf Schulgebäude und deren 
Einrichtung, für Lehrmittel und sonstige Schulrequisiten, für Brennmaterial 2c. mehr- 
fach zu bestreiten haben. 
Neben der Rücksicht auf die durchaus gebotene finanzielle Erleichterung vieler 
Gemeinden weist noch ein anderer Umstand auf die Beseitigung einer Anzahl kleiner 
Schulen hin, die nur der bisherigen Aufrechterhaltung eines überlieferten, in 
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