Full text: Gesetze und Verordnungen über Elementarunterricht und Fortbildungsunterricht im Großherzogtum Baden.

X. Fortbildungsunterricht. 721 
IV. Die durch das Gesetz vom 18. Februar 1874 als Pflicht-Einrichtung 
wieder ins Leben gerufene Fortbildungsschule hatte da, wo dieselbe in der Haupt- 
sache auf eine Weiterführung des Volksschulunterrichts sich beschränkte und wo zumal 
der Lehrer nicht die Gabe hatte, den Unterricht durch ausgiebige und geschickte Pflege 
der „Beziehung auf die Bedürfnisse des Lebens“ mehr Anziehungskraft zu verleihen 
bei Schülern (Schülerinnen) und Eltern nicht vi 4 
) el größerer Beliebtheit sich zu er- 
freuen, als die „Sonntagsschulen“ und „Werkta jeit sich z 
H on · gsfortbildungsschulen“ der Zeit vor 
1868. Wüinsche, wie solche schon die Denkschrift des Oberschulrats vom 26. Juni 1873 
vorausgesehen, „daß auf dem Lande vorzugsweise landwirtschaftlicher, in den Städten 
und Industriebezirken vorzugsweise gewerblicher Unterricht erteilt werden“ möge, 
wurden daher (insbesondere auch bei den ständischen Verhandlungen) bald und mit 
derart steigendem Nachdruck geltend gemacht, daß deren Berücksichtigung auf die 
Dauer nicht versagt werden konnte. 
Als erster Schritt, in dieser Nichtung erscheint die Bekanntmachung des Ober- 
schulrats vom 19. Februar 1886, betreffend die landwirtschaftliche Buch- 
führung in der Fortbildungsschule. Die damals getroffene Anordnung hielt sich 
insofern noch im Nahmen der dem Gesetze von 1874 und dem Normallehrplan 
5. Febrnar 1875 zugrunde liegenden Anschauung, als der letztere (§ 23) „die 
leitung zur Führung von Haushalts= und einfachen Geschäftsbüchern“ als Teil 
des Rechenunterrichts in der Fortbildungsschule behandelt. Auch die von dem 
allgemeinen Plane mehr oder minder abweichende Einrichtung, welche dem Fortbildungs- 
unterricht in einzelnen größeren Städten gegeben wurde — z. B. in Karlsruhe dadurch, daß 
nicht blos Knaben und Mädchen getrennt unterrichtet werden, sondern überdies 
innerhalb der Fortbildungsschule für Knaben die Einteilung der Schüler in die ein- 
zelnen Klassen nach dem Berufe stattfindet (ogl. S. 261) — mag noch innerhalb 
der Grenzen der durch Gesetz= und Normalplan vorgesehenen Berücksichtigung ört- 
licher Bedürfnisse (§ 7 Absatz 2 des Gesetzes) liegen. 
Als eine schon beträchtlich weiter von dem Normalplan der (allgemeinen) Fort- 
bildungsschule sich entfernende Einrichtung erscheint die Erteilung des Fort- 
bildungsunterrichts für Mädchen in Gestalt einer Unter- 
weisung in Haushaltungskunde mit Ubungen im Kochen, 
welcher die Ministerialverordnung vom 26. November 1891 Eingang gewährte und 
zwar entweder für alle zum Besuche der Fortbildungsschule verpflichteten Mädchen 
einer Gemeinde, oder nur für diejenigen, welche durch ihre Eltern oder deren Stell- 
vertreter zur Teilnahme bestimmt werden. 
vom 
An- 
V. Ein weiterer Schritt in der Richtung einer die besonderen Bedürfnisse be- 
stimmter Berufsarten berücksichtigenden Gestaltung des Fortbildungsunterrichts war 
die Errichtung „gzewerblicher Fortbildungsschulen", für welche — 
nachdem einzelne solcher Anstalten bereits thatsächlich in's Leben getreten waren — 
durch Verordnung vom 21. Februar 1891 nähere Bestimmungen erlassen wurden. 
Die Frage, ob unterrichtliche Veranstaltungen dieser Art neben dem Gesetze 
vom 18. Februar 1874 statthaft seien und ob insbesondere irgend welche Nötigung 
zu regelmäßigem Besuche des Unterrichts geübt werden könne, erledigte sich einerseits 
damit, daß jedenfalls die Staatsregierung berechtigt ist, die „gewerbliche Fort- 
bildungsschule“ für eine vom Besuche der allgemeinen Fortbildungsschule befreiende 
„andere den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Lehranstalt“ zu erklären (Gesetz 
vom 18. Februar 1874, § 1 Absatz 2). Andererseits kann ohne Auwendung der Be- 
stimmungen in § 2 des Gesetzes auf die „gewerbliche“ Fortbildungsschule eine 
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