Full text: Gesetze und Verordnungen über Elementarunterricht und Fortbildungsunterricht im Großherzogtum Baden.

756 X. Fortbildungsunterricht. 
Erfolg nicht aufkommen lassen. Andererseits wurde geltend gemacht, daß gerade die 
geringe Beliebtheit des (normalplanmäßigen) Mädchen-Fortbildungsunterrichts die 
Einführung hauswirtschaftlichen Unterrichts fördern werde, wenn letztere zugleich das 
Mittel biete, von einer anderen, minder beliebten Einrichtung los zu kommen. Ein 
im September 1891 zufolge Allerhöchster Anregung für den Badischen Frauenverein 
erstattetes Gutachten eines hervorragenden Schulmannes hat sodann über die Frage 
der „Aufnahme des Kochunterrichts in den Lehrplan der Fort- 
bildungsschule“ in nachstehender Weise sich ausgesprochen: 
„Der Erfolg des Kochunterrichts ist einerseits durch das Interesse und anderer- 
seits durch das Verständnis bedingt, welches die Mädchen diesem Gegenstand ent- 
gegenbringen. Das Interesse fehlt nun allerdings selbst den kleinsten Mädchen nicht. 
— — Dagegen muß ich bestreiten, daß die Kinder, solange sie der Elementarschule 
angehören, das zweite Erfordernis, das nötige Verständnis, besitzen. — — 
„Anders verhält es sich mit den Mädchen, welche der Schule entlassen und 
mitten in den Ernst des Lebens hineingestellt sind. Hier ist es angebracht, mit der 
Einführung in den Beruf der späteren Hausfrau zu beginnen, wie man ja auch bei 
Knaben in diesem Alter mit der beruflichen Ausbildung den Anfang macht. Ich 
halte es deshalb für einen glücklichen Gedanken, daß J. K. H. die Großherzogin 
eine Kombination des Kochunterrichts mit der Fortbildungsschule, nicht mit der 
Elementarschule, auregt; auch der Staat kann wohl nur in diesem Sinne sich mit 
der Frage ernstlich befassen.“ — — — 
„Von einer Kombination der Kochkurse mit der Fortbildungsschule in ihrer 
jetzigen Gestalt kann freilich die Rede nicht sein. Für die Fortbildungsschule stehen 
Uuns gesetzlich nur 2 Sunden in der Woche zur Verfügung, und es wird auch die 
spätere Gesetzgebung über 2 bis 3 Stunden nicht hinausgehen können. Wir können 
also unmöglich zum bisherigen Unterricht im Lesen, Schreiben, Rechnen und in der 
Buchführung noch das Kochen hinzunehmen. Die Frage ist daher so zu formulieren, 
ob es angezeigt sei, die Mädchen-Fortbildungsschule in ihrer bisherigen Gestalt fallen 
und als Haushaltungsschule mit Ubungen im Kochen fortbestehen 
zu lassen.“ · 
„Unter der Voraussetzung, daß diese Einrichtung nur in fakultativer Weise ge- 
troffen wird, kann ich mich nur entschieden für sie erklären. Wir glaubten bisher, 
daß die Fortbildungsschule eine Befestigung und Erweiterung des in der Elementar- 
schule Gelernten zu bezwecken habe; diese Auffassung ist aber heutzutage tief er- 
schüttert und für die Zukunft völlig unhaltbar. Wie wir den künftigen Schreiner 
und Schlosser schon jetzt dem gewerblichen Unterricht zuweisen, so werden wir auch 
den künftigen Landwirt, Bäcker, Fabrikarbeiter u. s. w. mit den Aufgaben seiner 
Lebensstellung beschäftigen müssen, und die gleiche Vergünstigung werden wir auch 
den Mädchen nicht vorenthalten können, auf die ja eine der wichtigsten Berufs- 
stellungen wartet, die der Hausfrau."“ 
IV. Die bald darauf (26. November 1891) ergangene Verordnung des 
Unterrichtsministeriums, betreffend den Fortbildungsunperricht der 
Mädchen, beruht wesentlich auf den unter III dargelegten Anschauungen. Dieselbe 
geht weiter davon aus, die Gestaltung des Mädchen-Fortbildungsunterrichts als 
Unterweisung in Haushaltungskunde liege nicht außerhalb der durch das Gesetz vom 
18. Februar 1874 (§ 1 und § 7) für die Einrichtung des Fortbildungsunterrichts. 
gezogenen Grenzen, und es sei deshalb gesetzlich zulässig, für alle zum Besuche der
	        
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