Full text: Gesetze und Verordnungen über Elementarunterricht und Fortbildungsunterricht im Großherzogtum Baden.

Titel I. Allgemeine Bestimmungen. 81. 67. 
zu lassen. An die Stelle des Besuchs der Volksschule kann der in einer 
höheren öffentlichen Bildungsanstalt oder einer anderen den gesetzlichen Be- 
stimmungen entsprechenden Lehranstalt (§& 110 —114 und 116) treten. 
Kinder, welche Privatunterricht genießen, werden durch die Schul- 
behörden vom Besuch der Volksschule entbunden, wenn nachgewiesen wird, 
daß sie mindestens den in der Volksschule vorgeschriebenen Unterricht er- 
halten. Auch bleibt den Schulbehörden vorbehalten, von Zeit zu Zeit die 
Kinder zu prüfen und eine etwa nötige Ergänzung des Unterrichts oder, 
sofern nicht in anderer Weise geholfen werden kann, die Aufnahme derselben 
in die Volksschule anzuordnen. 
Eltern oder deren Stellvertreter, welche die vorstehenden Vorschriften 
nicht befolgen, unterliegen der Strafbestimmung in § 71 des Polizei- 
strafgesetzbuches vom 31. Oktober 1863. 
Die vorstehenden Bestimmungen sinden auch Anwendung auf Ein- 
wohner des Großherzogtums, welche nicht badische Staatsangehörige sind, 
soweit nicht durch Staatsverträge andere Bestimmungen getroffen sind. 
Vollzugsvorschriften: Schulordnung vom 27. Februar 1894, §§ 1 bis 32 
(im Abschnitt. V dieser Schrift). 
1. Als Stellvertreter der Eltern für den Elementarunterricht eines 
Kindes zu sorgen, ist diejenige Person verpflichtet, welche in einem solchen thatsäch- 
lichen Verhältnis zum Kind steht, daß sie über dasselbe eine der elterlichen Gewalt 
ähnliche Autorität ausüben kann. Das Gesetz hat bei dem Ausdruck „Stellvertreter“ 
nicht etwa ein bestimmtes, unter gewisse Bestimmungen des bürgerlichen Rechts 
fallendes Verhältnis zwischen den Eltern und dem Stellvertreter (z. B. cin Auftrags- 
verhältnis) oder zwischen dem Kinde und dem Stellvertreter (z. B. Annahme an 
Kindesstatt, Vormundschaft, Pflegschaft, Dienstverding, Lehrvertrag) im Auge; die 
Frage: wer Stellvertreter der Eltern sei? ist vielmehr jeweils nach den thatsäch- 
lichen Verhältnissen des einzelnen Falles zu beantworten. Hiernach wird z. B. ein 
Fabrikherr für den Unterricht derjenigen Arbeiter im volksschulpflichtigen Alter, welche 
in einer Anstalt des Fabrikherru ständig verpflegt werden, in der Weise verantwort- 
lich sein, daß er entweder dieselben zum Besuch der Volksschule anhält oder ihnen 
einen genügenden Privatunterricht ertheilen läßt, während in Beziehung auf Kinder, 
die vom Hause der Eltern, des Vormunds, des Fürsorgers, dem sie in Verpflegung 
gegeben sind 2c., zur Arbeit in die Fabrik gehen, dem Fabrikherru keine andere Ver- 
pflichtung obliegt, als die Kinder nicht in einer den Bestimmungen der Gewerbe- 
ordnung zuwiderlaufenden Weise zu beschäftigen. Im nämlichen Sinne wie der 
Ausdruck „Stellvertreter der Eltern“ ist das Wort „Fürsorger“, wo dasselbe in Ge- 
setzen oder Verordnungen in ähnlichem Zusammenhange gebraucht wird, aufzufassen. 
2. Die Strafbestimmung im § 71 des Polizeistrafgesetz- 
buches vom 31. Oktober 1863 hat mit den durch die Einführung des 
Reichsstrafgesetzbuches (bad. Gesetz vom 23. Dezember 1871, Artikel 3, Ziff. V.) 
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