Titel I. Allgemeine Bestimmungen. § 1. 69
sondern an den civilrechtlichen Wohnsitz anknüpft, sonach das bisher gesetzlich an-
erkannte Personalitätsprinzip mit dem Territorialitätsprinzip vertauscht. Diese
Anderung mußte vom Standpunkt des Völkerrechts wie auch — für das Verhältnis
äu den übrigen Reichsangehörigen — nach den positiven Gesetzesvorschriften des
deutschen Staatsrechts als zulässig betrachtet werden. Während das den civilisierten
Völkern gemeinsame Rechtsbewußtsein immer mehr dahin drängt, die in einem Lande
ansässigen Fremden den Einheimischen nach jeder Richtung hin — abgesehen von dem
Wahlrecht und der Militärpflicht — gleich zu behandeln, folgt aus der Vorschrift in
§ 3 der deutschen Reichsverfassung vom 16. April 1871, daß die im Gebiet des
Großherzogtums sich aufhaltenden Angehörigen eines anderen Bundesstaates, wie sie
hinsichtlich der ihnen zu gewährenden Rechte den Einheimischen gleich zu behandeln
sind, so auch denselben Verpflichtungen wie diese letzteren unterworfen werden können.
Auch war das dem neuen Gesetze zugrunde liegende Territorialitätsprinzip bereits that-
sächlich durchgeführt in den Unterrichtsgesetzgebungen der einzelnen Schweizerkantone
und der Kronländer der Oesterreichischen Monarchie diesseits der Leitha.
Die Vorschrift ist nach Zweck und Wortlaut in der Anwendung nach zwei
Nichtungen hin — positiv wie negativ — beschränkt. Einerseits soll sie auf nicht
landesangehörige Kinder nur dann Anwendung finden, wenn deren Eltern oder ständige
Fürsorger nicht etwa nur vorübergehend, sondern dauernd — in einer den Be-
stimmungen des § 7 B. G. B. entsprechenden Weise — im Gebiet des Großherzog-
tums sich niedergelassen haben, oder wenn die Kinder selbst zu einem badischen
Staatsangehörigen in ein seiner Natur nach auf einc gewisse Dauer berechnetes Ver-
hältnis — z. B. in ein Dienstverhältnis — getreten sind. Andererseits ist auch beim
Vorliegen dieser Voraussetzungen die Anwendbarkeit der Vorschrift ausgeschlossen,
sofern dic Verpflichtung der betreffenden Kinder zum Besuch der inländischen Schulen
durch einen mit ihrem Heimatsstaat abgeschlossenen Staatsvertrag eine besondere
Regelung erfahren hat. (Ständ. Verhdlgen. 1891/92, II. Kammer, Beilagen-
heft IV, S. 97.)
4. Staatsverträge im Sinne des § 1 Abs. 4 E. U. G. bestehen mit allen
deutschen Bundesstaaten, ausgenommen das Königreich Bayern und das Herzogtum
Braunschweig. Dieselben bestimmen im wesentlichen gleichlantend,
dass die dem Grossherzogtum Baden angehörigen Kinder, welche
sich in einem andern deutschen Bundesstaate (Bayern und Braunschweig
ausgenommen), und die einem anderen deutschen Bundesstaate ange-
hörenden Kinder, welche sich im Grossherzogtum Baden aufhalten, nach
Nassgabe der im Lande (am Orte) des Aufenthalts bestehenden Gesetze
wie Inländer zum Besuch der Schule herangezogen werden sollen;
dass diese Nötigung zum Besuch der Schule sich nicht nur auf die
eigentliche Elementarschule, sondern, wo daneben eine sogenannte Sonn-
tags- oder Fortbildungsschule mit obligatorischem Charakter besteht, auch
auf diesc sich erstrecke;
dass jedoch Kinder, welche sich durch ein Zeugnis der zustündigen
heimischen Schulbehörde darüber ausweisen, dass sie der Schulpflicht,
wie sie nach der Gesetzgebung ihrer Heimat normiert ist, vollstündig
Genüge geleistet haben, von fernerem Schulbesuch zu entbinden sind;,
auch wenn das am Ortc ihres Aufenthalts geltende Gesetz eine grössere
Ausdehnung des obligatorischen Unterrichts vorschreibt.
Die Vereinbarung mit dem Königreich Württemberg enthält die beso ndere
Bestimmung, daß den aus Württemberg kommenden sogenannten Verdingkindern,