Full text: Gesetze und Verordnungen über Elementarunterricht und Fortbildungsunterricht im Großherzogtum Baden.

74 II. Gesetz über den Elementarnnterricht. 
von welcher selbstverständlich nur in den änußersten Notfällen Gebrauch zu machen 
wäre, mußte daher als dringend wünschenswert erachtet werden. Die Vorschrift in 
Absatz 2 soll auch die gesetzliche Handhabe bieten, nötigenfalls Mädchen wegen vor- 
geschrittener körperlicher Entwickelung vor Erreichung der in § 2 bezeichneten Alters- 
grenze vom Schulbesuch zu befreien. Durch den Vorbehalt der Eutscheidungs- 
befugnis an die Oberschulbehörde soll eine möglichst gleichheitliche und sachentsprechende 
Erledigung der bl'treffenden Fälle gewährleistet werden. 
Ständ. Verhandlungen, 1891 92, II. Kammer, Beilagenheft IV, S. 99. 
2. [Blinde, taube, schachsinnige Kinder.] Besondere gesetzliche Be- 
stimmungen über den Unterricht für blinde, taube und schwachsinnige Kinder sind bis 
jetzt nicht zustande gekommen. Ein im Juni 1900 den Ständen vorgelegter Gesetz- 
entwurf „die Erziehung und den Unterrichtnichtvoll sinniger Kinder 
betreffend“, kam wegen des kurz darauf erfolgten Landtagsschlusses nicht mehr 
zur Beratung. 
Anstalten für Unterbringung, Erziehung und Unterweisung solcher Kinder 
bestehen im Großherzogtum Baden dermalen (1901) die nachbenannten: 
a. Großherzogliche Blindenerziehungsanstalt in Ilvesheim. Statut 
für dieselbe, genehmigt durch Staatsministerialentschließung vom 21. Febrnar 
1877, s. Ges.= und V.-Bl., 1877, S, 108; Schulv. Bl., 1877, S. öx. 
b. Großherzogliche Taubstummenaustalten in Meersburg und Gerlachs- 
heim. Statut für dieselben, genehmigt durch Staatsministerialentschließung 
vom 21. Februar 1877, s. Ges.= und V.-Bl., 1877, S. 115; Schulv.-Bl., 
1877, S. 61. 
c. Anstalt für schwachsinnige Kinder in Mosbach. Vgl. Bekanntmachung 
des Oberschulrats vom 22. Juni 1886, Schulv.-Bl. 1886, S. 78. 
#. Heil= und Pflegeanstalt für epileptische Kinder in Kork (Unternehmen 
eines Vereins). Bekanntmachung des Oberschulrats vom 19. Juli 1893, 
Schulv.-Bl. 1893, S. 95. 
Z. St. Josefs-Anstalt für Cretinen, Schwachsinnige und Epileptische 
in Herthen (Amt Lörrach), Unternehmen eines Vereins („St. Josefs-Haus 
zu Herten"“), welchem durch Staatsministerialentschließung vom 24. Mai 
1889 Körperschaftsrechte verliehen worden sind. Der Verein wird vertreten 
und die Verwaltung der Anstalt geführt durch einen Verwaltungsrat, an 
dessen Spitze der (katholische) Pfarrer der Gemeinde Herthen steht. „Der 
Verein leitet das St. Josefs-Haus im katholischen Geiste, wobei aber die 
Anstalt auch als Asyl allen Konfessionen offen steht“ (5 4 der Vereins- 
satzungen). Die Anstalt hat den Zweck, „nicht nur Idioten, und Cretinen 
ein Asyl zu bieten, sondern auch schwachsinnigen Kindern, welche von den 
öffentlichen Schulen ausgeschlossen, aber doch einigermaßen uncerrichts= oder 
bildungsfähig sind, oder Epileptischen, die wegen ihres krankhaften Zustandes 
die Volksschule nicht besuchen können, wenigstens nach deren Befähigung 
noch möglichst Unterricht und Erziehung zukommen zu lassen“ (Erklärung 
des Vereinsvorstandes vom 12. September 1889). 
3. [Zwangserziehung.] Durch das Gesetz vom 16. August 1900, betreffend 
die Zwangserziehung und die Bevormundung durch Beamte der Armenverwaltung, 
Artikel II (Ges.= und V.-Bl. 1900, S. 938 und S. 1023) hat § 1 des Gesetzes vom 
4. Mai 1886, betreffend die staatliche Fürsorge für die Erziehung verwahrloster, 
jugendlicher Personen, die nachstehende Fassung erhalten:
	        
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