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volles Gebände bezog.
§l 122. Die Universität Leipzig wurde durch Errichtung wissenschaft-
licher Seminare ergänzt und erhielt schöne Neubanten. (K. Albert,
Rector magnificentissimus.) Den höheren Schulen (Gymnasien, Real-
schulen und Seminarien) gab das Gesetz von 1876 eine neue Ordnung,
auch wurden sie wesentlich vermehrt (namentlich die Realschulen und
Seminarien) und mit neuen zweckentsprechenden Gebäuden ausgestattet.
Die praktische Kunstpflege des Staates und der Gemeinden nahm einen
zum Tell großartigen Aufschwung, verschönerte allenthalben die Städte,
auch durch neue Rathäuser (Leipzig, Dresden, Chemnitz), führte auch
zur stilgemäßen Erneuerung älterer verunstalteter Bauwerke (Schloß
in Dresden, Albrechtsburg und Domtürme in Meißen, Nathaus in
Leipzig) und überall strebte eine den örtlichen Traditionen und der
Umgebung sich anschmiegende Heimatkunst empor. Neben Dresden
wurde jetzt auch Lelpzig eine selbständige Kunststätte.
§ 123. An dem allgemeinen wirtschaftlichen Fortschritte Deutsch-
lands seit der Erneuerung des Reichs war Sachsen besonders in der
Nichtung beteiligt, daß Handel und Industrie einen immer größeren
Teil der Bevölkerung in Auspruch nahmen (1895 Industrie und
Bergbau 58%, Handel und Verkehr 14% , Landwirtschaft nur 15%)
und die Bevölkerung, namentlich die der größeren Städte, immer
mehr anwuchs (3,787,000 i. J. 1895, 1900 4,200,000). Dem-
entsprechend stellte Sachsen 1902 ein 2. Armeekorps (XIX.) auf.
Dabei war der allgemeine Wohlstand fortwährend im Steigen.
Die Summe der Sparkasseneinlagen wuchs 1849 — 1900 von
11 Millionen auf 925 Millionen. Obwohl nun das Reich durch
das Gesetz gegen die gemeinfährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie
1878 und eine großartige sozlale Fürsorge für die handarbeitenden
Klassen durch Alters-, Indaliditäts= und Krankenversicherung gleich-
zeitig jene staatsgefährliche Bewegung einzudämmen und diese Klassen
mit dem Bestehenden zu versöhnen suchte, auch der sächsische Staat
ganz unmittelbar zu ihren Gunsten eingriff, z. B. durch den Ankauf
der sämtlichen, wenig einträglichen Freiberger Erzgruben 1886, die
bis 1913 völlig „abgerüstet“ werden sollen, so schwoll doch gerade
in Sachsen mit der industriellen Entwickelung die Sozlaldemokratie
immer mehr an, drang auch in den Landtag ein, und eroberte 1903
fast alle Reichstagssitze Sachsens. Erst die Wahlen 1907 brachten
einen kräftigen Rückschlag. Für den Landtag gewährte zwar das
Wahlgesetz vom 28. März 1896 das allgemeine Wahlrecht zur Zweiten
Kammer, aber es teilte dle Wähler nach ihren Steuerleistungen in
drel Klassen, von denen jede ein Drittel der Abgeordneten wählen
sollte, und führte die indirekte Wahl (Urwähler und Wahlmänner)
ein, um eine mögliche sozialdemokratische Mehrheit zu verhindern.
Das Wahlgesetz vom 5. Mai 1909 führte die direkle Wahl, aber
mit einer nach Einkommen, Besitz und Bildung abgestuften Stimmen-