114 Europäische Verwicklungen u. Fortschritte der Kultur.
Wie der bürgerliche Mittelstand das wirtschaftliche
Leben beherrschte, so gab er auch, die französierende
Richtung der Höfe und des Adels siegreich zurückdrängend
und beide sich allmählich unterwerfend, der geistigen Bildung
sein Gepräge.
Sie beruhte auf der klassisch-theologischen Gelehrsamkeit der
Lateinschulen, die, indem sie diese Grundlage festhielten, nach
Ernestis Schulordnung von 1773 doch auch schon der Mutter-
sprache, der Mathematik und den Naturwissenschaften einen
bescheidenen Raum gewährten und, da ihre Lehrer durchweg
Theologen, ihre untern Klassen noch eine Art allgemeiner
Bürgerschule waren, auch eine gewisse Einheitlichkeit der ge-
samten Bildung vermittelten. Gesonderte „Bürgerschulen“ in
den Städten entstanden allgemeiner erst seit 1803 (die erste in
Leipzig). Eine bessere Vorbildung für die Volksschullehrer
bahnte erst das Seminar in Dresden-Friedrichstadt (1788) an.
So überwogen in der Wissenschaft noch Theologie und Philo-
logie; doch begann jene in die Bahnen des Rationalismus
einzulenken, diese ihre Methode einerseits auf die semitischen
Sprachen (J. J. Reiske, F 1774), andrerseits auf die deutsche
Muttersprache (J. Chr. Adelung, f 1806) anzuwenden. Eine
sächsische Geschichte auf wissenschaftlicher Grundlage zu schreiben,
unternahm zuerst der treffliche Chr. F. Weiße (1802/6). Die
Naturwissenschaften erhielten in Leipzig ein chemisches Labora-
torium und eine Sternwarte (auf dem Turm der Pleißenburg).
Wenn somit Kursachsen in diesen Beziehungen seinen
alten Rang behauptete, so verlor es seine Vorherrschaft in
der Kunst und Literatur mit dem Siebenjährigen Kriege;
nur in der Musik bewahrte es einen anerkannten Vorrang
durch die Leipziger Gewandhauskonzerte (das „große Konzert"“
seit 1763, im Gewandhaus seit 1781), und auch das dortige
Theater, 1766 erbaut, 1798 städtisch, wurde eine wichtige
Pflegstätte des Schauspiels. In der bildenden Kunst wich
auch in Sachsen der prächtige Barockstil dem Klassizismus.
An die Wiederentdeckung der griechischen Kunst durch J.
J. Winckelmann anknüpfend, suchte daher die Architektur