Die germanische und slawische Vorzeit. 19
slawische Niederlassungen schoben sich später sogar über die
Saale nach Thüringen vor.
Die Slawen waren der Hauptsache nach freie Leute
mit einer geringen Anzahl unfreier Knechte (Kriegs-
gefangene, Schuldner uff.). Erst allmählich erhob sich über
dieser gleichförmigen Masse ein durch größeren Besitz aus-
gezeichneter Adel. In streng geschlossenen, gemeinsam
arbeitenden Geschlechtern vereinigt siedelten sich die Slawen
im offenen Flachlande, das mit Urwald bedeckte Gebirge
durchweg vermeidend, in zahlreichen kleinen, nach den
Geschlechtsältesten (zupan, sprich shupan) oder nach der
Beschaffenheit der Ortlichkeit benannten Dörfern an (z. B.
Bobritzsch bei Freiburg, slawisch Bobrowizy, die Leute des
Bober; Plauen von Plawa, überschwemmte Fläche), deren
dicht aneinander gebaute Höfe entweder um einen kreis-
förmigen Platz mit dem Teiche, später auch der Kirche
herumstanden („Rundlinge“" wie Leubnitz bei Dresden) oder
an einer breiten, kurzen, geschlossenen Gasse geordnet waren
(„Straßendörfer“ wie Kaditz bei Dresden). Ringsum lag
die in einer Art wilder Feldgraswirtschaft (in fortwährend
durch die ganze anbaufähige Flur wechselndem Ackerlande)
mit dem unvollkommenen, räderlosen Hakenpfluge (radlo)
gemeinsam bebaute Flur, jenseits das „Gemeinland"
(obeina), d. h. Weide und Wald. Bedeutender als der
Ackerbau waren Viehzucht, Jagd, Fischfang und mannig-
faches Gewerbe, namentlich Leinweberei. Jeder kleine
Stamm stand unter einem erblichen Stammesfürsten und
fand seinen politischen, militärischen und religiösen Mittel-
punkt in einer festen Burg (grad, hrad), deren Besitz die
Herrschaft über das Land entschied (z. B. Jana bei den
Daleminziern, Bautzen bei den Milzenern); daneben gab
es auch kleinere feste Plätze, zu denen auch die zahlreichen
„Ringwälle“ der Oberlausitz teilweise gehörten. Im Gegen-
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