Full text: Deutsches Kolonialblatt. I. Jahrgang, 1890. (1)

Auf die Frage nach der Herkunft der 
Sklaven lautet die gewöhnliche Antwort: very 
lar krom the interior (weit her aus dem 
Innern); allerdings werden auch noch aller- 
hand Gebietstheile als Herkunftsländer be- 
zeichnet, Namen, die sich zum Theil auch auf 
einer oder der anderen Karte auffinden lassen. 
Der Sklave, der aus dem Innern nach der 
Küste kommt, befindet sich in einem so niedrigen 
Zustande der Gesittung, daß durch ihn selbst, 
von der Schwierigkeit der Verständigung mit 
ihm ganz abgesehen, nähere und bessere Aus- 
kunft nicht zu erhalten ist. 
Im Allgemeinen sollen von den eingeführten 
Sklaven mancherlei verschiedene Sprachen oder 
Dialekte geredet werden, die ihnen selbst gegen- 
seitig nicht verständlich sind; allen gemeinsam 
ist, daß sie des Ruderns sowie der Schifffahrt 
überhaupt unkundig, dagegen in der Zubereitung 
von Palmöl und anscheinend in landwirthschaft- 
lichen Arbeiten überhaupt den Küsten= und 
Flußbewohnern überlegen sind. 
Leute, welche aus dem s Sklavenhandel einen 
Beruf oder, um mich kaufmännisch auszudrücken, 
eine Spezialität machen, giebt es an der Küste 
ebensowenig, wie eigentliche Sklavenmärkte; der 
Sklave bildet vielmehr, wie bereits oben be- 
merkt, lediglich einen Theil der im Lande über- 
haupt gang und gäben Handelsgegenstände und 
geht wie diese und mit diesen von Hand zu 
Hand. 
Die landläufigen Preise für einen ausge- 
wachsenen, gesunden Sklaven belaufen sich an 
der Westküste auf etwa 170 Mark (in Gütern 
selbstverständlich), eine Sklavin, von der noch 
260 
  
  
Kinder zu erwarten sind, kostet etwa dasselbe, 
Kinder und Alte entsprechend weniger. 
Als Bezahlung werden in der Regel so 
und so viele verschiedene Waaren ausbedungen, 
doch ausschließlich Pulver und Gewehre. 
In Ermangelung baaren Geldes bilden 
Sklaven einen Hauptbestandtheil jedes großen 
Vermögens, und wer im Besitze von 50 bis 
100 Sklaven ist, gilt für einen reichen Mann; 
der kleine Mann hat in der Regel bloß zwei 
oder drei; die angesehenen Häuptlinge sollen 
gegen 200 besitzen, Weiber und Kinder nicht 
mit eingerechnet. 
Der aus dem Innern an die Küste ge- 
brachte Sklave ist in der Regel das 0 Opser 
irgend eines zwischen zwei Dorfschaften im 
Innern geführten Krieges; solche Dorfkriege 
sind auch in verhältnißmäßig schon etwas civili- 
sirteren Küstengegenden an der Tagesordnung 
und meistentheils durch Brot= und Handelsneid 
oder aber auch durch irgend eine schwarze 
Helena veraulaßt. 
—— 
Aus den Händen des Siegers gelangt der 
Sklave nach und nach durch eine Kette von 
3 Zwischenhändlern in die Nähe der Küste, wo- 
selost er von irgend einem Händler in der 
Regel für die oben erwähnten europäischen 
Waaren eingetauscht wird. Sein erster Auf- 
enthalt nun ist im Dorfe seines neuen Herrn, 
und zwar in dessen unmittelbarer Nähe, um 
so baldmöglichst mit der Sprache des Landes, 
sowie den nothwendigsten Arbeiten, Rudern, 
Kochen, Holzschlagen u. dgl., vertraut gemacht 
zu werden. 
Ist er nun soweit gebracht, um einiger- 
maßen auf eigenen Füßen stehen zu können, 
daun wird er in das eigentliche Sklavendorf 
übergesiedelt. 
Jede Ortschaft hat nämlich ihr besonderes 
Sklavendorf, wo sämmtliche zur freien Dorf- 
gemeinde gehörigen Sklaven, sofern sie nicht 
als eigentliches Hausgesinde bei ihrem Herrn 
wohnen, unter einem selbstgewählten und vom 
Häuptlinge bestätigten Vormanne zusammenleben. 
Dieser Vormann ist in der Regel ein be- 
reits im Lande geborener Sklave, der seine 
Wahl sowohl seinen reiferen Jahren, als auch 
insbesondere seinem Wohlstande und darauf be- 
gründeten Ansehen zu verdanken hat; er übt 
im Sklavendorfe eine angeblich auf Geldbußen 
beschränkte Polizeigewalt aus. 
Dem neuen Ankömmling wird nun eine 
Baustelle nebst etwas Grund und Boden zu 
gewiesen, um sich dort mit Hülfe seiner engeren 
Landsleute, die er in jedem Sklavendorfe vor- 
findet, eine Hütte und eine Art Gemüsegarten 
anzulegen; auch steht es ihm frci, irgend eine 
Stelle im Walde urbar zu machen und dort 
eine Pflanzung anzulegen. Alles, was er auf 
diese Weise mit seiner Hände Arbeit sich baut, 
wird sein persönliches Eigenthum, worüber ihm 
freie Verfügung zusteht. 
Da mit der Uebersiedelung in das Dorf 
der Sklave darauf angewiesen ist, in Zukunft 
für seinen Unterhalt selbst zu sorgen, so ist es 
Pflicht des Herrn, ihm auch die hierzu erforder- 
liche freie Zeit zu gewähren; davon abgesehen, 
kann er jederzeit jegliche Arbeitsleistung ver- 
langen; diese letztere wird sich meistentheils der 
natürlichen Befähigung und Geschicklichkeit des 
einzelnen Sklaven anpassen. 
Es giebt nicht wenige im Lande geborene 
Sklaven, die sich eines größeren Wohlstandes 
erfreuen als ihre eigenen Herren, oder jeden- 
falls als viele freie Männer, und ihrerseits 
schon wieder so viele Sklaven besitzen, daß sie 
die vom Herrn etwa geforderten Dienstleistungen 
niemals in eigener Person verrichten, vielmehr 
eben auch nur wiederum durch ihre Sklaven 
verrichten lassen.
	        
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