Full text: Deutsches Kolonialblatt. II. Jahrgang, 1891. (2)

von 100 Neis (2 Fraucs) bei Erwachsenen 
und von 200 Reis bei Nichterwachsenen bei 
dem Pächter Arbeit zu leisten. 
3. Bei Bezahlung in Waare soll eine 
braga (Armlänge) Baumwollenstoss gleich 
200 Reis gerechuct werden. 
Zur Vermeidung einer falschen Aussassung 
mag hier alsbald einschaltend bemerkt werden, 
daß dieses eigenartige Pachtverhälmiß durch- 
aus keine Landpacht in unserem Sinne begreift. 
Es hat an sich mit der Bewirthschaftung des 
Bodens garnichts zu thun, giebt nur ein Recht 
auf die Einziehung der Stener und auf die 
Nobotleistung der Kolonen, aber es bedentet 
nicht, daß der Staat eine in seinem Eigenthum 
befindliche Domäne zur landwirthschaftlichen 
Benutzung ausgebe. Alles Land gehört zwar 
der Kronc, aber es zu bestellen sieht in jenen 
Ländern Jedermann frei. Privateigenthum an 
Grund und Boden wird entweder durch die 
Urbarmachung, i. c. tilulo occupationis, 
erworben oder durch eine Art Erbzinsvertrag, 
aloramento, mit dem Staate, wodurch man 
das Anrecht auf eine größere Fläche Landes 
gegen die Verpflichtung einer successiven Urbar- 
machung sich sichert. Will also der arrenda- 
lario zugleich Bodenlultur treiben, so ist das 
en ganz zufälliger accessorischer Umstand, und 
es sleht dann bei ihm, ob er bloß als Ollupant 
anstreten will — was auch jeder Andere neben 
ihm auf dem Boden des prago thun lann — 
oder ob er sich durch den Abschluß eines 
aloro-Vertrages mit der Regierung eine gröszere 
Sicherheit verschafsen will. Denn natürlich 
nimmt die Regierung auf diese Ansänge der 
Bodenkultur besondere Rücksicht, und wenn der 
Draco-Pächter zugleich einen solchen landwirth- 
schaftlichen Betrieb führt, so pflegt ihm beim 
Ablauf der Pachtperiode ein gewisses Vorrecht 
gegeben zu werden, damit er nicht in dem 
Angenblick, wo er nicht mehr über die Arbeit 
der Kolonen verfügen lann, zur Aufgabe seiner 
Agrilultur genöthigt sei. 
Die Verpachtung der Krongüter war nun 
zwar durchgeführt worden in der Provinz, 
soweit die portugiesische Herrschaft sich geltend 
machen konnte, doch war damit an den politischen 
und sozialen Zuständen im Lande eigentlich 
nicht viel geändert. Der Neger, an Sklaverei 
gewöhnt und Rechtsbegriffen unzugänglich, 
machte zwischen dem alten Emphytenta und 
dem neuen Pächter keinen Unterschied. Wer 
den mussoco und Arbeitsleistung verlangen 
lann, ist für ihn immer Herr, eine Kontrole 
von oben war in den seltensten Fällen mäglich, 
und es blieb daher im Wesentlichen dabei, daß 
die „Kolonen“ den Inhabern der pracos so 
gut wie uneingeschränkt zur Verfügung blieben 
und die alten Mißrauche= sortbestanden. 
Namentlich in den tiefer im Innern gelegenen 
Dracos, wo eine Bodenkultur nicht existirt und 
auch der mussoco in nichts Anderem als 
Elfenbein entrichtet werden kann, erhielt sich 
die alte kriegerische Organisation der pracos, 
welche dem Kolonen vor Allem, oder eigentlich 
allein, die Verpflichlung auferlegte, seinem 
Herrn Heerfolge zu leisten, im Guten wie im 
Schlimmen. Es lam hinzu, daß in diesen 
Theilen des Landes die Pacht auch meist in 
denselben Händen blieb, als vorher die 
Emphyiensen, denn bei der öffentlichen Ver- 
pachtung der bracos wagte es kaum Jemand 
dem alten Besitzer ernstlich Konkurrenz zu 
machen, aus Furcht, daß der tradilionelle Ein- 
fluß desselben und seiner Sippe ihm die Existenz 
unmöglich machen möchte. Beispiele dieser Art 
lagen vor, wo der aus dem Besitz verdrängte 
Emphytenta sich neben dem neuen Pächter fesl- 
gesebt und mit Hülse der ihm tren gebliebenen 
Gefolgschaft der Kolonen jenen schließlich ver- 
trieben oder ihm seine begonnenen Kulturen 
vernichtet hatte. 
Die vorstehend gedachten Verhälmisse, deren 
Mißlichleit nicht zu bestreiten war, bewirkten 
es, daß, nachdem laum das System der Ver- 
pachtung in Kraft getreten war, auch der Ge- 
danke auftrat, dasselbe wieder aufzugeben, die 
Draços da corGda vielmehr ganz aufzulösen 
und die Erhebung des mussoco direlt in 
staatliche Verwaltung zu nehmen. Die ersten 
praltischen Versuche mit dieser Methode waren 
bei einigen der mehr in der Nähe gelegenen 
Krongüter der Distrillte Tete, Ouelimane und 
Sena gemacht worden, und die finanziellen 
Resultate, die für ein paar Jahre vorlagen, 
schienen allerdings höchst bestechende. Die von 
den fislalischen Verwaltern erziellen Erträge 
des mussoco erreichten sast überall ein Mehr- 
faches, hier und da das Fünf bis Achlfache des 
früher für dasselbe Krongut erzielten Pacht- 
schillings, und von einer generellen Durch- 
führung der fiskalischen Verwaltung schien cine 
äußerst erhebliche Mehrrevenne der ganzen 
Provinz in Aussicht zu stehen. Es wurde 
daher vom Ministerium der Kolonien eine 
Kommission eingesetzt, um für die allgemeine 
Einziehung der Dracos in staatliche Verwaltung 
Vorschläge auszuarbeiten. 
Die Kommission hat sich entschieden gegen 
die betressende Maßregel ausgesprochen. Davon 
ausgehend, daß es sich hier nicht bloß um 
sinanzielle Zwecke handele, sondern um eine 
Neuordnung der ganzen Agrarverhältnisse in 
der Provinz, ist sie vielmehr zu dem Schlusse 
gekommen, daß die Abschaffung der „Pragos da 
corön'“ weder im Interesse der portugiesischen
	        
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