Full text: Deutsches Kolonialblatt. III. Jahrgang, 1892. (3)

meist die Strafe für eheliche Untreue, wenn 
bei weiblichen Sklaven angewandt. So viel 
ich ersahren konnte, kamen die so verstümmelten 
Sklaven bereits in diesem Zustande zur Küste; 
jedenfalls werden in dem von der Re- 
gierung that sächlich beherrschten Ge- 
biete solche Greuel nicht mehr verübt, 
und alle Mißhandlungen von Sklaven 
mit gleichem Maße, wie die an Freien 
verübten gemessen. 
acbl 16. Bei den Behörden des 
Schußgebietes ist es Grundsatz, der 
Sklaverei jede rechtliche Anerkennung 
zu versagen und demgemäß alle Ein- 
geborenen als unter dem gleichen Rechte 
stehend zu behandeln. 
ad 17. Nach den Rechlsanschauungen der 
Eingeborenen kann ein Nichtfreier nie zu einem 
Freien werden; ein Sklave bleibt slets ein 
Sklave, ein musäberi stets ein mujäberi; die 
Kinder eines Freien und einer mujäb#eri wer- 
den slets mujäberi sein, selbst wenn eine Keite 
von solchen Generationen bestanden hätte. Es 
kann der Fall eintreten, daß der Sklave oder 
der mujäberi keinen Herrn hat, deswegen 
bleibt er doch, was er ist, und gilt trotz aller 
sonstigen Freiheit, deren er sich erfreuen mag, 
nicht als ein Freier. Dies lann z. B. dadurch 
eintreten, daß ein freier Herr ohne Hinter- 
lassung männlicher Erben verstirbt; dann wird 
der älteste der Sklaven das Familienoberhaupt 
der übrigen. Der Grund für diese Rechts- 
anschauung der Eingeborenen ist die Annahme, 
daß in den Adern aller Nachlommen von 
Stlaven stets Sklavenblut fließt. Der auf die 
Reinheit des Geblüts gerichtete arislokratische 
Zug der Eingeborenen sucht jedenfalls seines- 
gleichen. Ich kenne mujäheris, die eine so 
angesehene Stellung einnehmen, daß sie selbst 
die freien Töchter von Oberhäuptlingen (kings) 
zu Weibern begehren und erhalten, aber sie 
erzeugen mit ihnen beim besten Willen doch 
bloß wieder mujäheris, und die Erbsünde 
bflanzt sich fort. 
Ich habe mich vergebens bemüht, 
einen praktischen Unterschied zwischen 
denjenigen mujüheris, welche in voll- 
kommenster Unabhängigkeit in den 
Dörfern der Freien wohnen, und zwi- 
schen Letzteren selbst zu entdecken. 
Alles, was man mir über diesen Punkt 
sagen konnte, war, daß ein mujäberi 
bei gewissen Fetischspielen oder Tänzen 
nicht zugegen sein dürfe. Es besteht 
also auch keine Beschränkung in slaatsbür- 
gerlicher Beziehung für ihn, er spricht bei 
Stammesangelegenheiten ebenso mit wie ein 
Freier, was übrigens nicht sehr auffallen 
  
519 — 
kann, da bei dergleichen Anlässen oft junge 
Burschen, die nach unserer Auffassung gar 
kein Recht haben können, mitzureden, das 
größte Wort führen. 
Aus dem Vorgesagten ergiebt sich, 
daß ein Freikaufen den Sklaven in 
den Augen der Eingeborenen nicht zu 
einem Freien, sondern höchstens zu 
einem herrenlosen Sklaven machen kann, 
ebenso wenig wie umgekehrt ein Freier, der 
wegen Schulden oder Liederlichleit an einen 
Drilten verkauft wird, der damit zugleich die 
Hastung für die Schulden desselben übernimmt, 
von den Eingeborenen als Sklave angesehen 
wird, wenn er gleich seinem Herrn Sklaven- 
dienste zu leisten verpflichtet ist, denn sein Blut 
ist rein von Sklavenblut. 
Die Beziehungen des Herrn zum Sklaven 
zu lösen, steht im Allgemeinen bloß dem Herrn 
krast des ihm innewohnenden Veräußerungs- 
rechtes zu, doch wird der Sklave dadurch, so- 
weit dabei Eingeborene betheiligt sind, nur einen 
anderen Herrn erwerben. Eine Freilassung 
(emancipatio) kennen die Eingeborenen nicht. 
Der Sklave hat ecinen Weg, um das Ver- 
hältmiß zu seinem Herrn zu lösen. Wenn er 
nämlich zu einem andern Herrn entläuft, und 
dieser bereit ist, dem alten Herrn den natürlich 
höchstbemessenen Preis des Sklaven zu bezahlen 
so kann der frühere Herr den Sklaven nicht, 
mehr vindiziren; in diesem Falle bleibt sämmt- 
liches Vermögen des Sklaven bei dem früheren 
Herrn zurück, Weiber, Kinder u. s. w. 
acb 18. Die Aufhebung der Slla- 
verei im Schutzgebiete ist zur Zeit noch 
nicht ausführbar. Eine Verordnung, 
welche einfach erklären würde: die 
Sklaverei ist aufgehoben, würde gar 
keine Wirkung auf den Forkbesland der 
einmal gegebenen Verhältnisse äußern. 
ad 19. Wohl aber kann die künftige 
Aufhebung der Sklaverei vorbereitet 
werden. 
In dieser Beziehung gestatte ich mir ganz 
gehorsamst auf das zu Frage 16 Gesagte zu 
verweisen, womit die Regierung des Schuß-= 
gebieles den ersten Schritt zur Erreichung des 
angestrebten Zieles bereits gethan hat. Wenn 
erst bei Freien und Sklaven in weiteren Kreisen 
die Thatsache bekannt sein wird, daß sie beide 
gleichem Rechte bei der Regierung unterstehen, 
so wird auch bei dem Sklaven das Bewußt- 
sein der Menschenwürde allmählich durchbrechen 
und in einem zunächst passiven Widerstande 
gegen den Herrn sich äußern. 
Der nächste Schritt, der zu thun ist, besleht 
in dem Unterbinden der Sklavenzufuhr. Da, 
wie gezeigt, die Nachkommen von Sklaven sich
	        
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