Full text: Deutsches Kolonialblatt. IV. Jahrgang, 1893. (4)

Feier gewesen in der Kapelle des Krankenhauses, bei 
der Brüder Worms und Greiner dem Inspektor 
assistirten und an der auch eine Anzahl von Deutschen, 
die eingeladen waren, sich betheiligten. 
(Nachr. aus der ostafrik. Mission, Nr. 7.) 
  
Jabresbericht, betreffend das Schutzgebict der Marsall= 
Inseln. 
Aus dem von dem Kaiserlichen Kommissar für 
das Schutzgebiet der Marshall-Juseln erstatteten 
Jahresbericht für 1892/93,) umfassend die Zeit 
vom 1. Jannar 1892 bis 1. April 1893, ktheilen 
wir nachstehend Folgendes mit. 
Bevölkerung, Land und Leute. 
Während im vorigen Berichtsjahre insgesammt 
118 Fremde im Schuctgebiete ansässig waren, hat 
sich diese Zahl in diesem Jahre auf 114 ermäßtt. 
Dieselben setzen sich zusammen aus: 74 Weißen (da- 
von 3 Frauen und 7 Kinder), 10 Chinesen, 30 Halb- 
blut (davon 8 Frauen und 11 Kinder). Die männ- 
lichen Fremden (ausschl. der Mischlinge) zählen nach 
der Nationalität, wie solgt: 37 Deutsche, 15 Eng- 
länder, 1 Däne, 3 Norweger, 1 Schwede, 2 Por- 
tugiesen, 12 Amerikaner, 1 Brasilianer, 10 Chinesen, 
3 ohne Staatsangehörigkeit, zusammen 85 männliche 
Fremde. Von diesen sind ihrem Beruf nach: 4 Re- 
gierungsbeamte, 40 Kaufleute, 4 Pflanzer, 17 See- 
leute, 8 Handwerker, 8 Köche und Diener; 4 sind 
ohne Beschäftigung. 
Die Eingeborenen gehören bekanntlich der mikro- 
nesischen Rasse an, d. h. sie stehen in der Mitte 
zwischen den Mela= und Polynesiern. Dem Ge- 
sammttypus nach dürften sic jedoch größere Ver- 
wandtschaft zu den Polynesiern besihen, womit auch 
das Beiden gemeinsame, glatte, schwarze, strähnige 
Haar übereinstimmt. Die jetzige Generation ist ein 
kleines, verkommenes Geschlecht, während unter den 
alten Leuten kräftige, muskulöse Gestalten, an die 
polyncsischen Samoaner erinnernd, noch sehr häufig 
sind. Die Gesammtzahl der einheimischen Bevölke- 
rung ist bereits früher mit 15 000 geschätzt worden. 
Jedoch kann diese Zahl auf Verlässigkeit wenig An- 
spruch machen, da jegliches Material zu einer 
Schätßzung fehlt. Thatsache ist, daß die Inseln außer- 
ordentlich schwach bevölkert, zum Theil auch noch 
heute unbewohnt sind. Die Eingeborenen führen 
besonders in den Raliks eine Art Nomadenleben, 
indem sie von einer Insel zur anderen fohren, um 
vorübergehend ihren Aufenthalt dort zu nehmen. 
Sind die dort vorhandenen Nahrungsmittel verzehrt, 
so wird die Insel verlassen und eine andere zum 
Aufenthalt gewählt. Es giebt noch eine ganze An- 
  
*) Der Bericht für das Jahr 1891 ist abgedruckt im 
Kol. Vl. von 1892 Nr. 12 Seite 332. 
  
383 — 
zahl kleine Inselchen, die nur auf solchen Streifereien 
besucht, ständige Bewohner jedoch gar nicht haben. 
Dieselben sind jedoch durchaus nicht als herrenloses 
Land zu betrachten, sondern über jede derselben macht 
irgend ein Häuptling sein Besitzrecht geltend und wird 
auch von den anderen Häuptlingen darin anerkannt. 
Sehr häufig ist es, daß besonders größere Inselu 
zwei, drei und mehr Häuptlingen gemeinsam gehören, 
und ein jeder weiß dann ganz genau, welches Land 
im Besonderen sein Eigenthum ist. Die intelligenteren 
Häuptlinge haben es sogar schon dahin gebracht, 
Karten lesen zu können, und es ist überraschend, mit 
welch absoluter Sicherheit solch ein Mann, vor eine 
Karte geslellt, diejenigen Inseln bezeichnet, welche ihm 
gehören. Da eine Anzahl Häuptlinge auch Eigen- 
thümer von bis über 50 Kubikmeter registrirenden 
Segelschiffen sind, mit welchen sie zwischen den Inseln 
des Schutzgebietes umherfahren, so ergiebt sich auch 
für die betreffenden Kapitäne das Wünschenswerthe 
einer genaueren Kenntniß des Kartenlesens und des 
Navigirens. In letzterer Beziehung sind sie jedoch 
noch weit davon entfernt, die den zivilisirten Nationen 
hierzu dienenden Hülfsmittel verstehen und anwenden 
zu können. Die ganze Schifffahrt dieser Leute beruht 
auf Ueberlieferung und Erfahrung, auf Beobachtung 
der Sterne, der Strom-, Fluth= und Windverhält- 
nisse, und die Summe dieser Faktoren genügt ihnen 
auch durchaus für ein ziemlich sicheres Navigiren. 
In früheren, vergangenen Zeiten war es den Ein- 
geborenen möglich, aus Nohrstengeln Objekte zu ver- 
sertigen, die dem Eingeweihlen nicht allein genau die 
Lage der verschiedenen Inseln, sondern auch die 
herrschenden Strömungen angaben, und war auf 
Grund dieser Konstruktionen ein ziemlich exaktes 
Navigiren möglich. Jetzt ist diese Kenntiß und 
Technik vollständig verloren gegangen, wie überhaupt 
die ursprünglich hier einheimischen Kunstfertigkeiten 
ziemlich geschwunden sind. 
Das Land innerhalb des Schutgebietes, soweit 
es nicht im Besi# von Europäern ist, steht aus- 
schließlich im Eigenthum der verschiedenen Häuptlinge. 
Die Häuptlinge überlassen dasselbe ihren Unterthanen 
zur Bearbeitung, welch' letztere dagegen verpflichtet 
sind, alle Erträgnisse an den Häuptling abzuliefern, 
der nach seinem Gukdünken dann eine Theilung vor- 
nimmt. In dieser Weise hat Jahrhunderte lang die 
Bevölkerung hier gelebt und gewirthschaftet, und bis 
vor wenig Jahren noch war eine Lockerung dieses 
patriarchalischen Verhältnisses kaum zu konstatiren. 
Die Scheidung zwischen Häuptling und Gemeinen 
war eine sehr strenge, an indischen Kastengeist er- 
innernd. Der Gemeine war in früheren Zeiten in 
jeder Beziehung der Sklave des Häuptlings. Lettterem 
stand die Entscheidung über Tod und Leben zu und 
Privateigenthum konnte der Gemeine überhaupt nicht 
besitzen; Alles gehört zugleich ihm und dem Häupt- 
ling. Diese Verhälmisse haben sich, besonders durch 
den Einfluß der Missionare, in neueren Zeiten jedoch 
ganz wesentlich verändert. Der Einfluß und das
	        
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