Full text: Deutsches Kolonialblatt. VII. Jahrgang, 1896. (7)

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1. in Civil= und Handelssachen für alle Rechts- 
streitigkeiten, in denen ein Nichteingeborener, der 
Staat oder eine Verwaltungsbehörde Partei ist; 
2. in Strafsachen bei allen innerhalb des Staats- 
hebietes begangenen Zuwiderhandlungen gegen Ver- 
ordnungen, Dekrete u. s. w. strafrechtlichen Inhaltes. 
Die Bezirksgerichte erkennen nur in Strassachen. 
Ihre sachliche Zuständigkeit ist dieselbe wie die des 
Gerichtes erster Instanz, aber örtlich beschränkt auf 
die innerhalb ihres Bezirkes begangenen strafbaren 
Handlungen. Bei den außerhalb ihres Begzirkes 
begangenen Delikten sind sie zuständig, wenn der 
Thäter in ihrem Bezirke wohnt oder dort er- 
griffen wird. 
Die von einem Eingeborenen begangenen straf- 
baren Handlungen, bei denen cin anderer Einge- 
borener der Verletzte oder Geschädigte ist, kann der 
Vertreter der Staatsanwaltschaft dem betrefjenden 
Stammeshäuptling zur Aburtheilung nach den ein- 
heimischen Rechtsgewohnheiten überweisen. Aus- 
geschlossen von dieser Ueberweisung sind die Ver- 
letzungen der in dem Dekrete vom 1. Juli 1891 
gegen die Sklaverei erlassenen Vorschriften (siehe 
Art. 14 daf.). 
Die Kriegsgerichte sind erstinstanzliche Gerichte 
und erkennen bei allen Verbrechen (crimes) und 
Vergehen (délits) gegen die gewöhnlichen Straf- 
gesetze. Jedoch ist nach dem Dekret vom 30. Ok- 
tober 1895, welches unter Abänderung der früheren 
Bestimmungen ergangen ist, bei den von Europäern 
begangenen Verbrechen, die mit der Todesstrafe be- 
droht sind, das Gericht erster Instanz in Boma 
unter Ausschluß der Kriegsgerichte in erster Instanz 
zuständig. Außerdem sind die Kriegsgerichte zu- 
ständig für die von den Offizieren, Unteroffizieren 
und Soldaten der bewaffneten Macht des Kongo- 
staates begangenen militärischen Delikte. 
Bei den Verhandlungen der Kriegsgerichte bildet 
die Abwesenheit des Vertreters der Staatsanwalt- 
schaft keinen Grund für die Nichtigkeit des Ver- 
fahrens. 
Das Appellationsgericht ist zuständig in zweiter 
Instanz: 
in Civil= und Handelssachen bei den gegen die 
Urtheile des Gerichtshofes ersier Instanz eingelegten 
Berufungen; 
in Strassachen bei den Bernfungen gegen die 
Urtheile des Gerichtshofes erster Instanz, der Be- 
zirksgerichte und der Kriegsgerichte. Eine Be- 
schränkung der Berufung besteht nur bei den Ur- 
theilen der Kriegsgerichte insofern, als sie für 
Militärpersonen und Eingeborene ausgeschlossen ist, 
wenn das Urtheil von einem Kriegsgericht erlassen 
ist, für dessen Bezirk vom Generalgouverneur der 
Belagerungszustand (rogime militaire spécial) 
verkündet worden ist. 
In erster Instanz erkennt das Appellationsgericht 
bei Vergehen der Richter der Gerichte erster Instanz, 
  
  
  
ihrer Stellvertreter und der Vertreter der Staats- 
anwaltschaft bei diesen Gerichten. Für die Beru- 
sung ist in diesen Fällen das Obergericht (Conseil 
supéricur) in Brüssel zuständig. 
Von den die amtlichen Verhältnisse der Justiz- 
beamten betreffenden Vorschriften sind solgende her- 
vorzuheben: der Präsident und die beisitzenden Richter 
des Appellationsgerichtes, sowie die Richter erster 
Instanz werden vom Könige auf 5 Jahre ernannt. 
Voraussetzung für die Ernennung zum Präsidenten 
oder beisitzenden Richter des Appellationsgerichtes 
ist das vollendete 30. Lebensjahr, eine akademisch 
juristische Vorbildung (Erlangung des Doktortitels) 
und eine mindestens fünfjährige Thätigkeit als Richter 
oder Sachwalter oder Rechtslehrer an einer Uni- 
versität. 
Für die definitive Ernennung zum Richter erster 
Instanz ist regelmäßig außer dem vollendeten 
25. Lebensjahr und der Erlangung des juristischen 
Doktortitels noch vorgeschrieben eine mindestens zwei 
und einhalbjährige Beschäftigung im Justizdienste 
des Kongostaates und die Absolvirung eines Examens, 
welches sich besonders auf die Rechtspflege und Ge- 
setzgebung des Kongostaates erstreckt. Ausnahmen 
von dieser Vorschrift können durch besonderes Dekret 
des Königs getroffen werden. 
Das Amt des Vertreters der Staatsanwaltschaft 
versieht bei dem Appellationsgerichtshof ein vom 
König ernannter Staatsanwalt (procureur d'Etat), 
welcher amtlich dem Generalgouverneur unterstellt 
ist. Die Ernennung zum Staatsanwalt ist an die- 
selben Voraussetzungen wie die Ernennung, zum bei- 
sitzenden Richter beim Appellationsgericht gebunden, 
doch genügt für den Staatsanwalt ein Alter von 
27 Jahren. Die Geschäfte der Staatsanwaltschaft 
bei den Gerichten erster Instanz, den Bezirksgerichten 
und Kriegsgerichten werden von Stellvertretern 
(substituts) des Staatsanwalls wahrgenommen, 
welche vom Generalgouverneur aus der Zahl der 
durch königliches Dekret ernannten Beamten, die den 
Nang eines capitain-commandant besitzen, er- 
nannt werden. Sie üben ihr Amt unter der Ober- 
aussicht und Leitung des Staatsanwaltes aus, dem 
sie Abschriften von allen gefällten Strafurtheilen 
zugehen zu lassen haben. 
Die Richter der ordentlichen Strafgerichte, bezw. 
ihre Stellvertreter, sind von rechtswegen zugleich zu 
Richtern bei den Kriegsgerichten berufen, falls nicht 
der Generalgouverneur eine abweichende Anordnung 
trifft. Ein Gleiches gilt von den Vertretern der 
Staatsanwaltschast. 
Der Vorsitzende des Appellationsgerichtes wird 
im Falle seiner Verhinderung durch den älltesten 
beisitzenden Richter vertreten. Die Stellvertreter 
der beisitzenden Richter, der Richter erster Instanz 
und die Beamten der Staatsanwaltschaft werden 
vom Generalgouverneur ernannt. Derselbe ernennt 
auch die Gerichtsschreiber (grelliers) des Appellations- 
gerichtes und der Gerichte erster Instanz, während
	        
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