Full text: Deutsches Kolonialblatt. VII. Jahrgang, 1896. (7)

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Nucen, Die Erfahrungen des“ letzten Feldzuges 
haben indessen ergeben, daß die Macht der Legitimität 
auch bei den Eingeborenen ihre Wirkung ausübt und 
daß daher die Person des Oberhäuptlings für uns 
von größerem Nuten gewesen ist, als angenommen 
worden war. 
Es hat sich ferner ergeben, daß die Hereros, 
wenn richtig angefaßt, auch für eine fremde Sache 
auf ihre Stammesgenossen schießen. Letßzteres ist 
um so anerkennenswerther, als die verwandtschaft- 
lichen Verhältuisse der Hereros weit verzweigt sind 
und das Volk selbst ein hohes Gefühl für verwandt- 
schaftliche Pflichten besitzt. Nach dem entscheidenden 
Gefecht bei Otyunda — Sturmfeld — fand z. B. 
ein Herero, welcher auf unserer Seite gefochten hatte, 
in der feindlichen Werft die Leiche seines Bruders. 
Da auch sonst bei Feststellung der Todten zu Tage 
getreten war, daß Verwandte gegen Verwandte ge- 
sochten hatten, war unmittelbar nach dem Gefecht 
bei den diesseitigen Hereros eine auffallend trübe 
Stimmung zum Durchbruch gekommen, welche jedoch 
auf gütliches Zureden nach 1 bis 2 Tagen wieder 
verschwunden ist. Im Uebrigen waren die Leistungen 
der Hereros im Kriege in Bezug auf Auffinden von 
Wegen, Wasser= und Weideplätzen, sowice bei Erkun- 
dung des Feindes, einfach unschätzbar. Es kam ja 
wohl vor, daß zuweilen das Stammesgefühl durch- 
brechen und die ausgeschickten Kundschafter sich un- 
wissend stellen wollten, doch verschwand eine solche 
Anwandlung auf freundliche Zusprache stets wieder. 
Vor Allem aber finden sich auch bei ihnen besonders 
zuverlässige Elemente, welche, richtig verwendet und 
behandelt, die Anderen mit fortreißen. Ich stehe 
nicht an, zu behaupten, daß im letzten Kriege von 
allen Eingeborenen die Hereros uns die besten 
Dienste geleistet haben. Dieselben besaßen, was uns 
selbst sowie unseren übrigen eingeborenen Bundes- 
genossen gänzlich abging, nämlich die Kenntniß von 
Land und Leuten, Dinge, welche sich während des 
Krieges selbst nicht mehr erwerben lassen. Ohne 
die Theilnahme der Hereros auf unserer Seite 
würde der Krieg nicht seinen außergewöhnlich glück- 
lichen Verlauf genommen haben. Aus diesen Er- 
fahrungen mögen sich die im Hererolande befindlichen 
deutschen Offiziere und Beamten ihre Nutzanwendung 
selbst ziehen. Auch die Hereros lohnen die Mühe 
des Versuchs, aus ihnen den vorhandenen guten 
Kern zur Unterstützung unserer kolonialen Sache 
herauszuziehen. Auch im Gefechte haben sich die 
Hereros nicht in der ihnen allseitig nachgesagten 
Feigheit gezeigt. Auch in dieser Richtung finden 
sich einzelne unter ihnen, die mit gutem Beispiel 
den anderen vorangehen, so z. B. Kayata und 
Daniel Kavizeri. Geradezu besonders tapfer haben 
sich die feindlichen Hereros gezeigt, welche bei 
Otyunda — Sturmfeld — ihre Werften vertheidigten. 
Drei Söhne des Werftbesitzers Kahikaheta, mit 
unseren Gewehren bewaffnet (bei Gobabis erbeutet), 
hieltei z. B. unter einem Wagen liegend hartnäckig 
  
Stand und vertheidigten sich bis zuletzt so erfolg- 
reich, daß ihre geringe Anzahl erst nach geschehener 
Einnahme der Werft erkannt wurde. Man fand sie 
alle drei durch Granaten getödtet. 
Auch die übrigen in diesen Werften befindlichen 
Hereros haben sich, wie bereits erwähnt, tapfer 
gehalten und erst nach schweren Verlusten den Platz 
geräumt, immerhin kein Zeichen der Feigheit. Wenn 
die auf unserer Seite kämpfenden Hereros sich etwas 
lauer gezeigt haben, so liegt dies in der Natur der 
ache. 
Er Volk, das derartige Erscheinungen zeitigt, 
darf man nicht ohne Weiteres und in seiner All- 
gemeinheit als „feig“ hinstellen. Man würde sich 
damit der Unterschätzung eines etwaigen Gegners 
schuldig machen, welche sich auch einmal rächen könnte. 
4. Bergdamaras und Buschmänner. 
Die beiden Distriktschefs, welche in Beziehung 
auf diese Stämme haben Erfahrungen machen können 
(Gobabis und Omaruru), halten einen Versuch nicht 
für aussichtslos. Hinsichtlich der Bergdamaras 
müssen wir die geschlossenen und freien Stämme von 
den einzelnen Individuen unterscheiden, welche als 
eine Art Haussklaven bei Weißen, Bastards, Hereros 
und Hottentotten bedienstet sind. Die Ersteren sind 
gewiß mehr werth und z. B. die in Okombahe und 
Umgegend Wohnenden bei ihrem Haß gegen die 
Hereros, wie auch der dortige Distriktschef vorschlägt, 
wohl verwendbar. Allen Bergdamaras gemeinsam 
scheint ein gewisser Fatalismus angesichts des ein- 
mal nicht zu vermeidenden Todes innezuwohnen, 
was gewiß kein Zeichen von Feigheit ist. Aber 
gerade diese Menschen müssen stets die Macht sehen. 
Der in Gobabis ansässig gewesene Bergdamara- 
stamm ist z. B. bei Kriegsausbruch, trotz des Hasses 
gegen die Hereros, zu diesen übergegangen, weil seine 
Angehörigen die Machtverhältnisse lediglich nach Zahlen 
abschätzten und infolgedessen zu den Hereros glaubten 
mehr Vertrauen haben zu sollen. Doch auch ein 
Beispiel von Treue haben Bergdamaras gegeben, 
und zwar diejenigen der Station Olifandskloof, 
welche, zehn an der Zahl, nach Räumung der 
Station die überschüssigen Waffen nebst Munition 
durch feindliches Land hindurch nach Gobabis ge- 
tragen haben. Wie ich mich selbst überzeugt habe, 
war vor Allem Vertrauen zu dem Stationschef, 
Unteroffizier Ficke, die Triebfeder ihres braven 
Verhaltens. Die Buschmänner ziehen ihre schranken- 
lose Freiheit bis jetzt dem angenehmsten Dienste vor. 
Ab und zu sind sie im Distrikt Gobabis als Wege- 
führer verwendet worden und haben sich als solche 
gut bewährt. 
An der Hand der vorstehenden Schilderungen 
ersuche ich die Herren Distriktschefs, in ihren Bestre- 
bungen, Eingeborene für unsere Dienste zu gewinnen, 
nicht zu erlahmen. Eine lediglich aus deutschen 
Soldaten, wenn auch den besten Elementen, zusammen- 
gesetzte Truppe hat für hiesige Verhältnisse gerade
	        
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