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Nucen, Die Erfahrungen des“ letzten Feldzuges
haben indessen ergeben, daß die Macht der Legitimität
auch bei den Eingeborenen ihre Wirkung ausübt und
daß daher die Person des Oberhäuptlings für uns
von größerem Nuten gewesen ist, als angenommen
worden war.
Es hat sich ferner ergeben, daß die Hereros,
wenn richtig angefaßt, auch für eine fremde Sache
auf ihre Stammesgenossen schießen. Letßzteres ist
um so anerkennenswerther, als die verwandtschaft-
lichen Verhältuisse der Hereros weit verzweigt sind
und das Volk selbst ein hohes Gefühl für verwandt-
schaftliche Pflichten besitzt. Nach dem entscheidenden
Gefecht bei Otyunda — Sturmfeld — fand z. B.
ein Herero, welcher auf unserer Seite gefochten hatte,
in der feindlichen Werft die Leiche seines Bruders.
Da auch sonst bei Feststellung der Todten zu Tage
getreten war, daß Verwandte gegen Verwandte ge-
sochten hatten, war unmittelbar nach dem Gefecht
bei den diesseitigen Hereros eine auffallend trübe
Stimmung zum Durchbruch gekommen, welche jedoch
auf gütliches Zureden nach 1 bis 2 Tagen wieder
verschwunden ist. Im Uebrigen waren die Leistungen
der Hereros im Kriege in Bezug auf Auffinden von
Wegen, Wasser= und Weideplätzen, sowice bei Erkun-
dung des Feindes, einfach unschätzbar. Es kam ja
wohl vor, daß zuweilen das Stammesgefühl durch-
brechen und die ausgeschickten Kundschafter sich un-
wissend stellen wollten, doch verschwand eine solche
Anwandlung auf freundliche Zusprache stets wieder.
Vor Allem aber finden sich auch bei ihnen besonders
zuverlässige Elemente, welche, richtig verwendet und
behandelt, die Anderen mit fortreißen. Ich stehe
nicht an, zu behaupten, daß im letzten Kriege von
allen Eingeborenen die Hereros uns die besten
Dienste geleistet haben. Dieselben besaßen, was uns
selbst sowie unseren übrigen eingeborenen Bundes-
genossen gänzlich abging, nämlich die Kenntniß von
Land und Leuten, Dinge, welche sich während des
Krieges selbst nicht mehr erwerben lassen. Ohne
die Theilnahme der Hereros auf unserer Seite
würde der Krieg nicht seinen außergewöhnlich glück-
lichen Verlauf genommen haben. Aus diesen Er-
fahrungen mögen sich die im Hererolande befindlichen
deutschen Offiziere und Beamten ihre Nutzanwendung
selbst ziehen. Auch die Hereros lohnen die Mühe
des Versuchs, aus ihnen den vorhandenen guten
Kern zur Unterstützung unserer kolonialen Sache
herauszuziehen. Auch im Gefechte haben sich die
Hereros nicht in der ihnen allseitig nachgesagten
Feigheit gezeigt. Auch in dieser Richtung finden
sich einzelne unter ihnen, die mit gutem Beispiel
den anderen vorangehen, so z. B. Kayata und
Daniel Kavizeri. Geradezu besonders tapfer haben
sich die feindlichen Hereros gezeigt, welche bei
Otyunda — Sturmfeld — ihre Werften vertheidigten.
Drei Söhne des Werftbesitzers Kahikaheta, mit
unseren Gewehren bewaffnet (bei Gobabis erbeutet),
hieltei z. B. unter einem Wagen liegend hartnäckig
Stand und vertheidigten sich bis zuletzt so erfolg-
reich, daß ihre geringe Anzahl erst nach geschehener
Einnahme der Werft erkannt wurde. Man fand sie
alle drei durch Granaten getödtet.
Auch die übrigen in diesen Werften befindlichen
Hereros haben sich, wie bereits erwähnt, tapfer
gehalten und erst nach schweren Verlusten den Platz
geräumt, immerhin kein Zeichen der Feigheit. Wenn
die auf unserer Seite kämpfenden Hereros sich etwas
lauer gezeigt haben, so liegt dies in der Natur der
ache.
Er Volk, das derartige Erscheinungen zeitigt,
darf man nicht ohne Weiteres und in seiner All-
gemeinheit als „feig“ hinstellen. Man würde sich
damit der Unterschätzung eines etwaigen Gegners
schuldig machen, welche sich auch einmal rächen könnte.
4. Bergdamaras und Buschmänner.
Die beiden Distriktschefs, welche in Beziehung
auf diese Stämme haben Erfahrungen machen können
(Gobabis und Omaruru), halten einen Versuch nicht
für aussichtslos. Hinsichtlich der Bergdamaras
müssen wir die geschlossenen und freien Stämme von
den einzelnen Individuen unterscheiden, welche als
eine Art Haussklaven bei Weißen, Bastards, Hereros
und Hottentotten bedienstet sind. Die Ersteren sind
gewiß mehr werth und z. B. die in Okombahe und
Umgegend Wohnenden bei ihrem Haß gegen die
Hereros, wie auch der dortige Distriktschef vorschlägt,
wohl verwendbar. Allen Bergdamaras gemeinsam
scheint ein gewisser Fatalismus angesichts des ein-
mal nicht zu vermeidenden Todes innezuwohnen,
was gewiß kein Zeichen von Feigheit ist. Aber
gerade diese Menschen müssen stets die Macht sehen.
Der in Gobabis ansässig gewesene Bergdamara-
stamm ist z. B. bei Kriegsausbruch, trotz des Hasses
gegen die Hereros, zu diesen übergegangen, weil seine
Angehörigen die Machtverhältnisse lediglich nach Zahlen
abschätzten und infolgedessen zu den Hereros glaubten
mehr Vertrauen haben zu sollen. Doch auch ein
Beispiel von Treue haben Bergdamaras gegeben,
und zwar diejenigen der Station Olifandskloof,
welche, zehn an der Zahl, nach Räumung der
Station die überschüssigen Waffen nebst Munition
durch feindliches Land hindurch nach Gobabis ge-
tragen haben. Wie ich mich selbst überzeugt habe,
war vor Allem Vertrauen zu dem Stationschef,
Unteroffizier Ficke, die Triebfeder ihres braven
Verhaltens. Die Buschmänner ziehen ihre schranken-
lose Freiheit bis jetzt dem angenehmsten Dienste vor.
Ab und zu sind sie im Distrikt Gobabis als Wege-
führer verwendet worden und haben sich als solche
gut bewährt.
An der Hand der vorstehenden Schilderungen
ersuche ich die Herren Distriktschefs, in ihren Bestre-
bungen, Eingeborene für unsere Dienste zu gewinnen,
nicht zu erlahmen. Eine lediglich aus deutschen
Soldaten, wenn auch den besten Elementen, zusammen-
gesetzte Truppe hat für hiesige Verhältnisse gerade