Full text: Deutsches Kolonialblatt. IX. Jahrgang, 1898. (9)

Aus jeder Schlucht und Bergfalte rinnt ein Wasser- 
lauf zu Thal und befruchtet seine Umgebung. Aller- 
dings erschweren diese unaufhörlich sich folgenden 
großen und kleinen Wasserläufe das Fortkommen außer- 
ordentlich. Meine Karawane hat an einem Marsch- 
tage 24 solcher Gebirgsbäche über Felsgeröll und 
Steinplatten hinweg überschreiten müssen. Erstaunlich 
aber ist infolge dieses Wasserreichthums die Frucht- 
barkeit der Thäler; nicht nur sind diese deshalb 
dicht bevölkert und vortrefflich angebaut, sondern 
auch die Berghänge sind mit Hütten der Eingeborenen 
und deren Feldern bedeckt, wie dies in keinem anderen 
Mittelgebirge Ostafrikas der Fall ist. Allerdings 
besteht ein Unterschied zwischen dem West= und Ost- 
abhang des Gebirges. Da die Wollken an letzterem 
ihren Feuchtigkeitsgehalt ablagern, so ist dieser viel 
quellen= und wasserreicher als die steppenartigen 
Hänge der Westseite. Der der Küste zu gelegene 
Hang ist somit der bevorzugte. 
Der Waldbestand des Gebirges ist noch ziem- 
lich bedeutend und zeigt zum Theil schöne werthvolle 
Stämme, ferner ausgezeichneten Bambus und gute 
Bauhölzer. Leider sind die Bewohner die schlimmsten 
Feinde ihrer schönen Wälder. Sie brennen den 
Wald nieder, um den Boden zu bewirthschaften. 
Nach wenigen Jahren lassen sie das Feld wieder 
liegen und nehmen durch Feuer eine neue Fläche in 
Besitz. So zieht sich der gute Waldbestand immer 
mehr auf die Höhen zurück und, falls nicht einge- 
griffen wird, sind seine Tage gezählt, und damit 
müssen die schönen, segenbringenden Quellen versiegen. 
Das Schmerzliche ist, daß schon jetzt die Eingeborenen 
bis in das prachtvolle Dickicht der Hochwälder ein- 
dringen und dort ohne Auswahl die besten Stämme 
als Bau= und Brennholz herausschlagen. Auch der 
Bambus wird als das bequemste Baumaterial für 
die Hütten rücksichtslos verwüstet. Herr Forstassessor 
v. Bruchhausen wird über diesen Gegenstand einen 
besonderen Bericht einreichen. 
Die Bevölkerung der Berge theilt sich streng 
in zwei Stämme, die miteinander wenig oder kaum 
Verbindung haben, verschiedene Sprachen sprechen 
und in ihrer Lebensweise und ihrem Bildungsgrade 
große Unterschiede aufweisen. Die Hochberge und 
Hochthäler sind von den Waluguru bewohnt, die 
meist in Gruppen von drei bis zehn Hütten auf 
schwer erreichboren Punkten wohnen, äußerst schen 
und furchtsam sind und vorläufig die Berührung mit 
dem Europäer noch ängstlich vermeiden. Sie sprechen 
einen eigenen, unverständlichen Dialekt, empfangen die 
Karawanen nicht in ihrem Dorfe, sondern laufen 
sämmtlich mit Frauen, Kindern und Vieh weg und 
verbleiben in den Bergen, bis die Karawane wieder 
abgezogen ist. Wenn es mir gelang, durch Aus- 
sendung von Boten und Anbieten von Geschenken in 
den Abendstunden einige Beherzte zur Rückkehr, zum 
Schauri und zum Führerdienst zu bewegen, so habe 
ich doch nicht Gelegenheit gesunden, ein Weib oder 
Kind der Waluguru zu sehen. Sie saßen meist auf 
  
620 — 
den höchsten Anhöhen und beobachteten von dort 
furchtsam und scheu den Marsch der Karawane. 
Dr. Stuhlmann glaubt, daß die Waluguru aus den 
verschiedensten Stämmen der Ebene zusammengesetzt 
sind, von denen sich Theile und Trümmer vor den 
Raubzügen früherer Zeiten in die sicheren Berge 
geflüchtet und hier eine zweite Heimath gefunden 
haben. Jedenfalls wird es noch geraumer Zeit und 
unausgesetzter geschickter Bemühung bedürfen, bevor 
diese „wilden“ Bergbewohner den deutschen Beamten 
mit Vertrauen sich nähern. 
Rund herum um die Waluguru in den offenen 
Thälern und auf den der Ebene zugewandten Vor- 
bergen wohnen Wakami. Diese zeichnen sich durch 
Intelligenz und Arbeitsamkeit aus und wissen ihrem 
fruchtbaren Boden so viel abzugewinnen, daß sie sich 
behaglichen Wohlstandes erfreuen. Sie leben in 
größeren Ortsgemeinschaften und unter meist ziemlich 
bedeutenden Jumben und sehen auf die Waluguru 
als auf „Waschensi“ verächtlich herab. Das schöne 
Thal „Taua“ des Mangabaches erscheint dem Rei- 
senden wie ein grüner Garten. Es ist durch künstlich 
gezogene Gräben reichlich bewässert und liefert zu 
jeder Jahreszeit Ernteerträge. 
Der Boden ist in dem gesammten Gebirgslande 
durchweg rother Laterit, zum Theil von schwarzem 
Humus bedeckt und infolge der reichlichen Bewässe- 
rung sehr fruchtbar. Wie kein anderer der ostafrika- 
nischen Gebirgsstöcke eignet sich das Ulugurugebirge 
zur Verbindung von europäischem Ackerbau und 
Weidewirthschaft mit der Anlage tropischer Kulturen 
je nach der gewählten Höhenlage. Auf den weit- 
gestreckten grünen Hochweiden muß ein schöner Vieh- 
stand gedeihen. Leider ist gegenwärtig Rindvieh 
nur spärlich vertreten und muß erst gewissermaßen 
neu eingeführt werden. 
Für alle tropischen Erzeugnisse aber finden sich 
hier nach sachgemäßer Auswahl die betreffenden 
Oertlichkeiten und Böden für Kaffee, Thee, Kakoo, 
Kardamom, Zimmt 2c. Zu meiner Freude kounte 
ich die erste kleine deutsche Plantage in ihren An- 
fängen hier sehen. Ein früherer Angestellter der 
Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft, Herr Moritz 
von Derema, hat sich bei Kinole (Jumbe Kingaro) 
im Nordosten des Gebirges niedergelassen, zunächst 
um Sammlüungen aller Art zu betreiben. Die außer- 
ordentlich günstige Lage (1000 m Höhe), der vor- 
treffliche Boden, der starke Urwaldbestand, die reich- 
lichen Niederschläge haben ihn veranlaßt, eine 
Kaffeepflanzung anzulegen, die er mit bescheidenem 
eigenen Kapital betreiben will. Er hat das Gou- 
vernement um lUleberlassung von 200 ha gebeten. 
Die Anfänge der mit langjähriger Erfahrung äußerst 
sachgemäß angelegten Pflanzung machen einen recht 
viel versprechenden Eindruck. Das Gelingen dieses 
Unternehmens wäre um so erfreulicher, als es den 
Beweis liefern würde, daß ein erfahrener und landes- 
lundiger Mann, auch ohne Millionen zu besihen, 
Kassce auf den Markt liefern kann.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.