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etwas lesen darf. Die Alten stoßen laute Schreie
der Bewunderung aus und schlagen sich dabei —
die Männer auf die Vorderschenkel, die Frauen auf
die entgegengesetzte Seite. Das ist nämlich das Zeichen
der höchsten Bewunderung.
Wir haben 28 Schulen in den verschiedenen Be-
zirken von Kiboscho und den dazu gehörigen Land-
schaften. Da P. Lux dieser Arbeit nicht mehr allein
gewachsen war, so hat der hochw. Herr Bischof uns
einen Gehülsen gegeben in der Person des P. Dürr.
Manche unserer Schulen liegen bis zu vier Stun-
den von der Mission, und die Wege sind schlecht.
Trotz vieler Mühe geht es mit der Christiani-
sirung noch langsam. Wir haben erst zehn Wadschagga-
familien, die getauft sind, etwa 30 bereiten sich dazu
vor, andere stehen in Aussicht. Im Ganzen zählen
wir 3000 der Unsrigen. Die Vielweiberei wird uns
noch lange ein Hemmschuh sein.
Im Juni v. Is. gründete ich in Rombo die
neue Mission Fischerstadt. Nach vier Monaten Arbeit
rief mich Msgr. Allgeyer zurück, um sofort den
Bau eines Schwesternhauses zu beginnen. Diese
(Trappistinnen) kommen im September; sie werden
den Unterricht der Frauen übernehmen, mit dem wir
uns nie ernstlich beschäftigen konnten. Der Frauen-
unterricht wird, so hoffe ich, der Schlüssel sein, der
das Land dem Christenthume öffnet.“
Die Hungersnoth in Deutsch-Ostafrika hat weitere
Kreise auf die Thätigkeit der Evangelischen Missions-
gesellschaft für Deutsch-Ostafrika aufmerksam gemacht.
So durften im März d. Is. Freunde der Missions-
sache es wagen, zu einem am 20. April in den Fest-
räumen des Zoologischen Gartens in Berlin zu ver-
anstaltenden Konzert einzuladen unter Hinweis darauf,
daß die Erträgnisse dazu dienen sollten, der Missions-
gesellschaft die Mittel zu gewähren, ihre Liebesthätig-
keit unter den Eingeborenen fortzusetzen. Nicht weniger
als 6000 Mark konnten der Missionsgesellschaft über-
wiesen werden! Aber mit dieser einmaligen Unter-
stützung sollte das für die Msionssache erweckte
Interesse nicht wieder abgethan sein.
im Anschluß an das Konzert ein Enpangelischer
Frauenbund für Afrika mit dem Sitz in Berlin ge-
bildet, dessen Zweck die selbständige Unterstützung der
evangelischen Missionsthätigkeit in Afrika, in erster
Linie der evangelischen Missionsgesellschaft für Deutsch-
Ostafrika durch alle hierfür geeigneten Mittel ist.
Die engen Beziehungen, in denen der geschäftsführende
Ausschuß des Frauenbundes zu dem Vorstand der
Evangelischen Missionsgesellschaft für Deutsch-O stafrika
steht, werden gewiß nicht verfehlen, zu bewirken, daß
Frauenbund und Missionsgesellschaft Hand in Hand
gehen. Als eines der nächsten Zielc des Frauen-
bundes ist ins Auge gefaßt, der Bitte der Missionare
um Zusendung von Handwerkern nach den zur Ver-
fügung stehenden Mitteln thunlichst zu entsprechen.
Gelingt dies, so werden nicht nur die Missionare
mehr Zeit und Kraft auf die eigentliche Missions=
Es hat sich
thätigkeit verwenden können, vielmehr ist auch zu
hoffen, daß die Eingeborenen zur Arbeit angeleitet
und erzogen werden. Meldungen zum Beitritt als
Mitglied unter Zahlung eines Jahresbeitrages von
mindestens 5 Mark werden von dem Schriftführer
des Frauenbundes, z. Zt. Herr Privatdozent Dr.
Johannes Burchard, Berlin W;0, Kurfürsten-
Vom Entstehen des Krankendorses zu Hohen-
friedeberg meldet Missionar Nünneke von der
deutsch-ostafrikanischen Mission Folgendes:
Die Nöthe, welche die Sandflöhe dem Volke im
ganzen letzten Jahre gemacht haben und theilweise
noch machen, haben bewirkt, daß viele Leute im Volk
den Glauben an ihre Wunderärzte aufgegeben haben.
Diese Aerzte sind vielfach durch die Sandflohplage
zu Schanden geworden. Viele Leute, die sich ihnen
anvertraut hatten und lange am Glauben an den
Zauber festhielten, wurden durch die zunehmende
Fäulniß ihrer Glieder zur Erkenntniß des Betruges
gebracht und schleppten sich zur Mission. Es sind
ja all die Jahre hindurch Kranke aus dem Volk
von uns behandelt, aber doch verhältnißmäßig wenig.
Jetzt aber, wo die Kunst der schwarzen Schwarz-
künstler, deren Hauptmedizin aus Honig und Ofenruß
besteht, an allen Orten sehr deutlich versagte, wurden
die Schaaren von Monat zu Monat größer. Im
Januar kamen schon täglich 50, im Februar 80 bis
100, im März, April, Mai mindestens eben so viel,
mitunter gar mehr als 200 Kranke täglich. Mit
zwei Gehülsen haben wir Tag für Tag, außer an
Sonntagen, von mittags bis gegen Abend zu ver-
binden gehabt. Von diesen Kranken hatte der größte
Theil nur kleine Wunden, sonst wäre es gar nicht
möglich, sie alle in Behandlung zu nehmen.
Mit dem wachsenden Zudrang haben wir auch
des öfteren den Ort der Poliklinik verändern müssen.
Als das Häuflein noch klein war, ging man gegen
2 Uhr zur Apotheke. Dort saßen dann gewöhnlich
einige Leutchen auf der Erde; dicht vor der Thür
die Männer und etwas abseits die Frauen. Zu
diesen stellte man je ein Schälchen mit Karbolwasser
mit einigen Wattebällchen darin und griff dann zur
Jodoformflasche. Die Kranken wuschen sich ihre
Wunden selber. Dann ging man herum, stäubte
jedem etwas Jodoform auf, gab ihm ein Schälchen
dazu und ging dann an seine Arbeit. Vorher sagte
man den Kranken noch, daß sie für die empfangene
Medizin den Kuhstall zu fegen hätten. Als später
mehr Leute kamen und es auch größere Wunden gab,
die man nicht auf der Erde hockend behandeln
konnte, nahmen wir uns einen unserer Jungens zum
Helfer. Dieser hatte täglich aus dem Speisezimmer
eine Bank mitzubringen, auf welche die schweren
Patienten zu sitzen kamen. Doch auch dieser Zustand
wurde unhaltbar. Aus Mangel an Platz und auch
um unter Dach zu kommen, zogen wir in den etwas
tiefer gelegenen ziegelschuppen. Dieser diente, da