Full text: Deutsches Kolonialblatt. X. Jahrgang, 1899. (10)

konstruirt, die einzelnen Absätze werden von großen, 
staffelförmigen Pfeilern getragen. 
Nach den mit der Brücke über den Luinha ge- 
machten Erfahrungen ist man jetzt ganz von Pfeiler- 
anlagen zurückgekommen und führt die Brücken in 
einer einzigen Wölbung aus. Der Bau derselben 
scheint ein solider zu sein, der Zug vermindert auf 
ihnen seine Geschwindigkeit nicht merkbar. 
Bei N'Dalla Tando befindet sich die Bahn be- 
reits 796 m über dem Meeresspiegel. Den höchsten 
Punkt mit 842 m erreicht sie bei Kilometer 333. 
Von da senkt sie sich wieder etwas nach Ambaca zu 
und geht auf der wellenförmigen Hochebene, in die 
sie seit N'Dalla Tando eingetreten ist, bis zum 
rechten Ufer des Lucallaflusses ohne nennenswerthe 
Terrainschwierigkeiten. 
Die Linie wird in ihrer ganzen Ausdehnung 
von einer Telegraphenleitung begleitet, die zu ihrer 
Befestigung zweckmäßigen Gebrauch von den an der 
Strecke wachsenden Baumstämmen gemacht hat. 
Der Bau der Bahn hat zuerst in der Weise 
stattgefunden, daß die einzelnen Strecken des Unter- 
baues einschließlich Schienenbelag und die Brücken- 
konstruktionen an Unternehmer vergeben wurden. 
Die Gesellschaft hat aber seit geraumer Zeit vor- 
gezogen, den Brückenbau wieder selbst in die Hand 
zu nehmen, während die Dammanlage den Unter- 
nehmern blieb. Das gesammte Material einschließlich 
des rollenden stammt aus Belgien, nur die Schwellen 
sind aus Frankreich importirt. Vereinzelt sind auch 
Versuche mit Schwellen gemacht, die an Ort und 
Stelle den Wäldern entnommen und bearbeitet sind, 
doch sollen dieselben weniger günstige Resultate er- 
geben haben. Neuerdings hat man begonnen, die 
hölzernen an vielen Stellen durch eiserne zu ersetzen. 
Gerade das Schwellenmaterial scheint stark durch 
die Witterung zu leiden und bedarf an vielen Stellen 
dringend der Erneuerung. Beispielsweise waren die 
Schwellen von Kilometer 229 bis 234 so morsch, 
daß ich bei einem Spaziergang auf dem Bahndamme 
eine ganze Anzahl bei einfachem Ueberschreiten durch 
und durch trat. 
Der Bahndamm selbst scheint gut gebaut zu sein. 
Die Schienen haben einen Abstand von 1 m. Die 
Züge bestehen durchschnittlich aus einer Lokomotive 
mit besonderem Tenderwagen, etwa vier bis sechs 
Güterwagen, einem Gepäck= und zwei Personenwagen. 
Zwischen einzelnen Stationen, wo sich keine Wasser- 
stationen befinden, wird noch ein besonderer Wasser- 
wagen mitgeführt. 
Der Betrieb wird in der Trockenzeit mit großer 
Regelmäßigkeit und Pünktlichkeit eingehalten. In 
der Regenzeit aber, namentlich in den Monaten 
März und April, finden schwere Störungen durch 
Ueberfluthung des Bahndammes und Wegschwemmen 
desselben statt, und es kommt häufiger vor, daß die 
Passagiere gezwungen sind, längere Strecken auf dem 
Damm im Canoe zurückzulegen. Im vergangenen 
Frühjahr dauerte die gänzliche Unterbrechung des 
739 
  
Betriebes zwei volle Monate, so daß in die ent- 
fernteren Stationen unter den Weißen, die sich auf 
einen regelmäßigen Bahnbetrieb verlassen hatten, 
Mangel an Lebensmitteln eintrat. An der Ab- 
stellung dieser Mängel wird fortgesetzt gearbeitet, 
die Dämme werden erhöht, die Linie theilweise ver- 
legt und größere und häufigere Wasserdurchlässe 
gebaut. 
Das Bahnpersonal besteht fast ausschließlich aus 
Portugiesen und Mulatten; die gewöhnlichen schwarzen 
Arbeiter sind Eingeborene aus Angola selbst, die 
Handwerker und Vorarbeiter meist Cabindaleute. 
Das rollende Material setzte sich Ende 1897 
— für die spätere Zeit liegen mir die Zahlen nicht 
vor — zusammen aus: 
21 Lokomotiven, I 
14 Tenderwagen, 
2 Wagen 1. Klasse, 
3 Wagen 2. Klasse, 
und zwar: 
6 Wagen 1. u. 2. Kl., 
14 Wagen 3. Klasse, 
8 Spezialwagen, 
153 Güterwagen, 
  
24 verdeckte, 
10 mit hohem Rand, 
104 mit niedrigem Rand, 
6 Plattformwagen, 
5 für Großvieh, 
1 Pulvertransportwagen, 
3 Wasserwagen. 
Der Komfort auf der Bahn, deren ganze Strecke 
in zwei Tagen zurückgelegt wird, ist gering. Die drei 
Klassen der Personenwagen unterscheiden sich nur 
durch die Preise und die Ausschrift. Bedürfniß- 
anstalten existiren weder im Zuge noch auf den 
Bahnhöfen. Catete und Canhora sind Frühstücks- 
stationen und gleichzeitig Kreuzungspunkte der beiden 
täglich von der Küste und von dem Innern kom- 
menden Züge. Dinirt und übernachtet wird in 
Zenza d'Itombe, wo die beiden sich kreuzenden Züge 
liegen bleiben. Hier ist ein sogenanntes Hotel mit 
sechs Betten, das etwa auf der Stufe einer mäßigen 
Dorsschänke in Deutschland steht. Den Reisenden 
1. Klasse ist gestattet, im Coupee selbst zu über- 
nachten, doch existiren keine besonderen Schlafvor- 
richtungen, so daß man von dieser Vergünstigung 
nur Gebrauch machen kann, wenn man allein und 
im Besitz eines Bettes ist. 
Das Essen wird von den Reisenden aller Klassen 
in Gemeinschaft mit dem gesammten Zug= und Ma- 
schinenpersonal im sogenannten Speisesaale des Hotels 
eingenommen. Es ist bis auf einige Varietäten des 
beliebten portugiesischen Nationalgerichts, bacalhau, 
gut, ebenso der portugiesische Rothwein, der ein für 
die Tropen ausgezeichnetes Getränk bildet und ver- 
diente, auch in den deutschen Kolonien eingeführt zu 
werden. 
Die Kosten der ganzen Bahn einschließlich sämmt- 
lichen Materials sollen sich bis jetzt auf rund 
100 Millionen Mark?) belaufen. 
*) D. h. bei 363 km pro 1 km also etwa 275 000 Mk.
	        
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