Full text: Deutsches Kolonialblatt. XI. Jahrgang, 1900. (11)

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räthe anzulegen, die ihnen die Bewegungsfreiheit 
nehmen, ihnen die Nahrung zu entziehen und durch 
Lohnabzüge Geldstrofen aufzuerlegen. . 
§ 2. Es ist hervorzuheben, daß die Ermächti- 
gung, die dieser Artikel den Dienstherren ertheilt, 
nicht denjenigen Dienstherren zu Gute kommt, die 
ohne Hinzuziehung und Bestätigung der Staatsbehörde 
Eingeborene gedungen haben; solche Dienstherren 
haben über die Dienenden und gegen diese nur die- 
jenigen Rechte, die ihnen das portugiesische bürger- 
liche Gesetzbuch zuerkennt. 
Art. 20. Die Anwälte für Dienende und An- 
siedler sind zuständig durch näher zu regelndes zu- 
sammenfassendes Verfahren nachfolgende Vergehen 
abzuurtheilen und zu bestrafen, welche von den 
Dienstherren und den Dienenden in Nichterfüllung 
der von ihnen unter Mitwirkung der Staatsbehörde 
abgeschlossenen Verträge begangen werden: 
1. Seitens der Dienstherren: 
a) Nichtbezahlung der den Dienenden geschul- 
deten Löhne; 
b) zwangsweise Festhaltung der Dienenden, 
wenn ihre vertragsmäßige Dienstzeit ab- 
gelausen ist, oder sie einen berechtigten 
Grund haben, den Dienst zu verlassen: 
IP) Schlechte Behandlung der Dienenden, wenn 
keine Arbeitsunfähigkeit dadurch erzeugt 
wird; 
d) ũebeitreien der Vorschriften des Art. 19 
e) dihierfullung einiger der durch Art. 17 
8§ 1 und 2 auferlegten Verpflichtungen. 
2. Seitens der Dienenden: 
a) Entweichung, nicht gerechtfertigt durch einen 
triftigen Grund, den Dienst zu verlassen; 
b) Arbeitsverweigerung; 
c) Hartnäckiger Ungehorsam oder Unbotmäßig- 
keit, die nicht von Gewaltthaten gegen die 
* oder von Sachbeschädigung begleitet 
ind; 
d) eingewurzelte Laster oder schlechte Angewohn- 
heiten, die Arbeitsunfähigkeit hervorrufen 
oder Schaden für andere herbeiführen. 
§ 1. Die vorstehend erwähnten Vergehen der 
Dienstherren werden mit Geldstrafen von 5 bis 
200 Milreis belegt, außer der den Beschwerde 
  
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zu 1000 Milreis. 
führenden Dienenden zu gewährenden Entschädigung, 
diejenigen der Dienenden mit Zwangsarbeit von 15 
bis zu 90 Tagen. 
§ 2. Wenn die von den Dienstherren gegenüber 
den Dienenden oder umgekehrt begangenen Vergehen 
oder Verbrechen außerhalb der Rechtszuständigkeit 
der Anwälte stehen, wie sie in diesem Artikel fest- 
gesetzt ist, so haben die Beamten für deren Bestrafung 
durch die gewöhnlichen Gerichte zu sorgen, indem sie 
dem betreffenden Beamten der Staatsanwaltschaft 
die entsprechende Mittheilung machen. 
8 3. Gegen die Rechtsprechung der Anwälte, 
wie sie dieser Artikel festsetzt, kann an den Gouverneur 
im Gouvernementsrath appellirt werden. 
§ 4. Die Anwälte haben keine Kenntniß zu 
nehmen von der Nichterfüllung der ohne Betheiligung 
der Staatsbehörde abgeschlossenen Dienstverträge 
durch die Dienenden. Sie haben jedoch Kenntniß 
zu nehmen von den in dieser Hinsicht seitens der 
Dienstherren gegenüber den Dienenden begangenen 
Vergehen und haben solche Vergehen abzuurtheilen 
oder nach den Bestimmungen dieses Artikels den 
gewöhnlichen Gerichten zur Bestrafung zu über- 
weisen. 
§ 5. Der entwichene Dienende ist verpflichtet 
in den Dienst des Dienstherren zurückzukehren, außer 
wenn sich der Anwalt dagegen ausspricht. Im 
letzteren Falle wird der Bedienstete, abgesehen von 
der Verurtheilung zu der im § 1 vorgesehenen 
Strafe, zur Zwangsarbeit für ebenso lange heran- 
gezogen, als Zeit an der Erfüllung seines Vertrages 
gegenüber dem Dienstherrn fehlt. 
Art. 21. Die Regierung kann zeitweise die 
Auswanderung von eingeborenen Dienenden aus dem 
ganzen Gebiet oder aus bestimmten Gegenden der 
überseeischen Provinzen Portugals verbieten, sobald 
politische oder wirthschaftliche Rücksichten dies als 
geboten erscheinen lassen. 
Art. 22. Damit das im vorhergehenden Artikel 
vorgesehene Verbot wirksam werden kann, ist festzu- 
setzen, daß das Gebiet, wo dasselbe in Kraft ist. 
kein Eingeborener ohne Paß verlassen kann. Dieser 
Paß, falls ihn nicht das allgemeine Gesetz verlangt, 
wird von den Verwaltungsbehörden nur den Ein- 
geborenen ertheilt werden, die Handwerke oder freie 
Berufe ausüben, öffentliche oder Gemeindeämter be- 
tleiden, Grund= oder Gewerbesteuer bezahlen oder 
Erlaubniß zum Handelsbetrieb haben, ebenso wie 
denjenigen, die sich aus einem triftigen Grunde ent- 
gfeernen müssen und deren Abwesenheit nicht eine 
Ueberschreitung des Auswanderungsverbots der 
Dienenden mit sich bringt. 
§ 1. Die Personen, welche eingeborene Dienende 
aus Bezirken dingen, aus denen die Auswanderung 
verboten ist, sowie alle ihre Mithelfer, verfallen 
einer nicht in Geldstrafe umwandelbaren Besserungs- 
haft bis zu einem Jahr und einer Geldstrafe bis 
Sind sie Ausländer, so werden 
sie nach verbüßter Strafe aus dem portugiesischen 
Gebiet ausgewiesen. 
§ 2. Die Eingeborenen, die gegen die Bestim- 
mungen dieses Artikels verstoßen, müssen an jedwedem 
Ort des portugiesischen Gebiets, wo sie ohne Paß 
getroffen werden, angehalten, nach dem Bezirk, wo 
sie ihren Wohnsitz haben, zurückgeführt und dort zu 
Zwangsarbeit bis zu einem Jahr verurtheilt werden. 
Kehren sie freiwillig in diesen Bezirk zurück, so soll 
ihnen eine Geldstrafe auferlegt werden, deren Höhe 
die örtlichen Vorschriften festsetzen werden. Können 
sie diese Geldstrafe nicht bezahlen, so müssen sie sie 
abarbeiten. 
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