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8 2.
Jeder Nichteingeborene, der Grundeigentum in Anspruch nimmt, ist befugt, jederzeit eine schriftliche
Erklärung der im § 1 bezeichneten Art beim Gouverneur zu beantragen.
Hiermit kann der weitere Antrag verbunden werden, vor Ausstellung der Erklärung mit der
Ausscheidung derjenigen Grundstücksteile zu verfahren, deren Enteignung nach Maßgabe des § 32 der
Kaiserlichen Verordnung vom 14. Februar 1903 zugunsten von Eingeborenen von der Behörde etwa als
notwendig angesehen wird, und im Einvernehmen mit dem Antragsteller für Abtretung dieser Grundstücksteile
eine angemessene Entschädigung festzusetzen.
83.
Der Gouverneur hat dem Antrage auf Ausstellung einer Erklärung der im § 1 bezeichneten Art
zu entsprechen:
1. wenn ihm bekannt ist, daß begründete Rechts= oder Billigkeitsansprüche Eingeborener hinsichtlich
des Grundstücks nicht bestehen,
2. wenn eine gütliche Auseinandersetzung zwischen den Ansprüchen des Antragstellers und Ansprüchen
Eingeborener vor der Behörde stattgefunden hat,
3. wenn es sich handelt um:
a) Grundstücke, die seit Inkrasttreten der Kaiserlichen Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse
an Grundstücken in den deutschen Schutzgebieten, vom 21. November 1902 (Reichs-Gesetzbl.
S. 283), nach vorangegangenem Aufgebote eingetragen sind,
b) Grundstücke, die nach Maßgabe des Art. IV der Generalakte der Samoakonferenz in Berlin
vom 14. Juni 1889 in das Landregister des ehemaligen Obergerichts von Samoa ein-
getragen sind,
„P) Grundstücke, die von einem der Fisci der afrikanischen Schutzgebiete veräußert sind,
d) Grundstücksteile, die innerhalb der letzten fünf Jahre vor Inkrafttreten dieser Verfügung von
Eingeborenen weder bewohnt noch bebaut worden sind,
e) Grundstücksteile, die Nichteingeborene in gutem Glauben erworben und während dreier Jahre
ohne Widerspruch der Behörde bewohnt oder bebaut haben.
§ 4.
Glaubt der Gouverneur dem Antrage auf Ausstellung einer Erklärung der im § 1 bezeichneten
Art nicht entsprechen zu können, so hat er ohne Verzug unter Darlegung der Einzelheiten des Falles
Bericht an den Reichskanzler zu erstatten. Auf den Bericht ordnet der Reichskanzler an, entweder daß
der Gouverneur die beantragte Erklärung abgibt, oder daß mit der Enteignung in Gemäßheit des § 32
der Kaiserlichen Verordnung vom 14. Februar 1903 vorgegangen wird.
86.
Wird das Enteignungsverfahren eingeleitet, so erfolgt die Feststellung der zu enteignenden Flächen
durch Landkommissionen in sinngemäßer Anwendung der in den §§ 3, 4 der Kronland-Verordnung für
Kamerun vom 15. Juni 1896 (Kol. Bl. S. 435) enthaltenen Vorschriften über Ausscheidung von Flächen
zugunsten der Eingeborenen bei Besitznahme von Kronland und Bildung von Landkommissionen zur
Ermittlung und Feststellung des Kronlands.
Die Bestimmung der dem gegenwärtigen Eigentümer zu gewährenden Entschädigung erfolgt auf
Bericht des Gouverneurs nach Anhörung der Beteiligten durch den Reichskanzler.
Dabei werden die Grundsätze der Billigkeit in Anwendung gebracht.
· §6.
Über die Erklärungen der im § 1 bezeichneten Art werden beim Gouvernement Verzeichnisse
geführt, deren Einsicht unter den gleichen Voraussetzungen wie die Einsicht des Grundbuchs gestattet ist.
Beglaubigte Abschrift der Eintragung ist zu den Grundbuchakten (Landregisterakten) zu nehmen.
87.
Das durch diese Verfügung geregelte Verfahren ist gebührenfrei.
88.
Diese Verfügung tritt am 1. Januar 1904 in Kraft.
Berlin, den 12. November 1903.
Der Reichskanzler.
Graf von Bülow.