Pathologische Anatomie.
Leider war es mir nicht möglich, mich über den
Leichenbefund zu orlentieren, da während der Zeit
meiner Anwesenheit in Entebbe kein Kranker im
Lazarett starb. Die dem Lebenden durch Lumbal=
punktion entnommene Zerebrospinalflüssigkeit weist
einen erheblich größeren Gehalt an Zellen, vor-
wiegend an Lymphozyten, auf, als es die Regel ist;
die Zahl der Leukozyten im Blut erscheint nicht
vermehrt.
Krankheitsverlauf.
Die englischen Arzte unterscheiden drei Stadien
der Krankheit, deren erstes durch ein charakteristisches
Verhalten der Körperwärme gekennzeichnet ist; die
Temperatur ist morgens normal oder nur wenig
erhöht und steigt nachmittags auf 38 bis 39 Grad
an, so daß die Differenz zwischen Morgen= und
Abendtemperatur gewöhnlich nicht mehr als zwei
Grad ausmacht. Der Kranke fällt seinen Angehörigen
durch sein verändertes Wesen auf, er wird mürrisch
und zeigt weniger Interesse für seine Umgebung.
Manchmal klagt er über hefiige Kopfschmerzen und
EGliederreißen, während in vielen Fällen keine Klagen
geäußert werden, und die klinische Untersuchung er-
gibt, vom Verhalten der Körperwärme abgesehen,
keine weiteren Krankheitszeichen.
Erwähnen will ich, daß die Eingeborenen den
Beginn der Krankhelt an der gegen früher außer-
ordentlich gesteigerten Eßlust der Patienten zu er-
kennen behaupten, während der Durst nicht erhöht
sein soll. "
Im zweiten Stadium ist die Körperwärme eben-
falls erhöht, doch ist die Fieberkurve nicht so typisch
wie im ersten; nunmehr entwickelt sich schnell das
bekannte Krankheitsbild, in erster Reihe die Schlaf-
sucht. Der Gesichtsausdruck ist verdrießlich und
niedergeschlagen, der Blick starr und ausdruckslos,
die Sprache wird leise, monoton, undeutlich. Regel-
mäßig stellt sich jetzt ein mehr oder weniger starker
Tremor der Zunge und Fmger, zuweilen auch der
Lippen ein, der Gang wird unsicher und taumelnd,
was anfangs besonders bei kurzen Wendungen in
Erscheinung tritt, und im weiteren Verlauf tritt
häufig Muskelzittern am ganzen Körper auf, das
sch so steigert, daß der Kranke nicht mehr stehen
ann.
Das dritte Stadlum ist das der Erschöpfung,
die Körperwärme sinkt unter die Norm, und der
Kranke verfällt rapide; selten treten kurz vor dem
Tode Konvulsionen auf.
Im einzelnen Fall zeigt das Krankheitsbild
natürlich mehr oder minder große Abweichungen
von dem eben geschilderten.
Krankheitsdauer.
Die Dauer der Krankhell ist verschieden, im
Mittel beträgt sie vier bis sechs Monate, und zwar
pflegt das erste Stadium das längste zu sein,
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während das dritte in kürzester Zeit zum Tode
führt.
Inkubation.
Die Inkubationsdauer ist sehr lang. So erkrankte
ein Askari in Fort Ternan acht Monate nach Ver-
lassen des Seuchegebietes; in einem anderen Fall
verstrichen sogar mehr als zwei Jahre bis zum Auf-
treten der ersten Erscheinungen. Erklärlich werden
diese Tatsachen, wenn man zwei Umstände in Betracht
zieht, welche ein Ergebnis der Arbelten von Bruce
darstellen. Wurde der Krankheitserreger durch den
Stich von Fliegen, welche das Blut von Schlaf-
kranken gesogen hatten, auf Affen übertragen, so er-
schienen die Trypanosomen erst zwei Monate später
im Blut der Versuchstiere. Das durch die Fliege
übertragene Trypanosoma bedarf also längerer Zeit
zu seiner Entwicklung im Organismus. Ferner
beobachtete Bruce gelegentlich der zahlrelchen Blut-
untersuchungen, welche er bei der eingeborenen Be-
völkerung des Krankheitsgebletes vornahm, daß eine
Anzahl von anscheinend völlig gesunden Personen
in ihrem Blut Trypanosomen beherbergte, ohne die
geringste Störung des Allgemeinbefindens aufzu-
weisen. Das Trypanosoma scheint also längere oder
kürzere Zeit im menschlichen Organismus leben zu
können, ohne nachweisbare Krankheitserscheinungen
auszulösen, doch sind die Untersuchungen über dlesen
Punkt noch nicht abgeschlossen.
Diagnose.
So leicht und sicher die Diagnose ist, wenn das
entwickelte Krankheitsbild vorliegt, so schwierig konnte
sie im Beginn der Erkrankung sein; jeßzt ist es
möglich, sie in jedem Stadium mit Gewißheit durch
den Nachweis des Trypanosoma Ugandense zu
stellen. Wenn letzteres von anderen Forschern bieher
nicht gefunden wurde, so liegt das daran, daß das
Trypanosoma, besonders im Blut, in verhältnis-
mäßig geringen Mengen vorkommt, und es ist des-
halb nötig, Blut und Zerebrospinalflüssigkelt zu
zentrifugleren und das Sediment zu untersuchen.
Die Zerebrospinalflüssigkeit wird zu diesem Zweck
u¼ bis ½ Stunde zentrifugiert, das zur Verhütung
der Gerinnung mit etwas Kaliumzitrat (1 proz.
Lösung) versetzte Blut drelmal je 10 Minuten.
Was die Krankheitszeichen im einzelnen angeht,
so habe ich die vorstehenden schon erwähnt: das
Verhalten der Körperwärme, den gesteigerten Appetit,
die Schlafsucht, die Eigenart des Gesichtsausdruckes
und der Sprache, den unsicheren Gang, den Tremor
der Zunge und Finger, später der gesamten Skelett-
muskulatur. Der Schwellung der Hals- und Nacken-
drüsen, welche man gewöhulich findet, möchte ich kein
besonderes Gewicht beilegen, da man sie auch sonst
bei Negern häufig beobachtet. Eine Milzschwellung
konnte ich in keinem Falle feststellen, ebenso zeigte
das Verhalten der Reflexe keine Besonderheiten; nur
der Patellarreflex schien in einigen Fällen gesteigert,
während er in anderen vorgeschrittenen fehlen kann.