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Hereros belästigt zu werden, die Feste Okahandja
errei
te.
Dieser Verstärkung schloß sich auch der Bezirks-
amtmann Bergrat Duft an in der Absicht, durch
mündliche Verhandlungen mit dem Oberhäuptling
dem Ausbruch der Feindseligkeiten nach Möglichkeit
noch vorzubeugen. Am Nachmittag des 11. Januar
um 4 Uhr hatte ich noch eine telephonische Unter-
haltung mit Bergrat Duft, wobei er mir mitteilte,
daß er mit den Hereros noch nicht habe unter-
handeln können, daß jedoch die Feste in verteidigungs-
fähigen Zustand gesetzt sei; eine Schießerei habe noch
nicht stattgefunden.
Im Laufe des 11. Januar wurden vom stell-
vertretenden Truppenkommando die letzten hier noch
verfügbaren Offiziere und Mannschaften des Be-
urlaubtenstandes elngezogen. Diese Einziehung hatte
zur Folge, daß der Geschäftsbetrieb des Gerichts,
des Zentralbureaus, der Hauptkasse und der Finanz-
verwaltung eingestellt werden mußte. Nur die Ge-
schäfte der Proviant= und Materialienverwaltung
wurden, soweit dies durch die Maßnahmen zur Ver-
teidigung Windhuks geboten war, fortgeführt.
Am Morgen des 12. Januar, vormittags gegen
8 Uhr, wurde der Telegraph zwischen hier und
Okahandja unterbrochen und konnte bisher nicht
wieder hergestellt werden. Der von diesem Tage
ab unternommene Versuch, ein am Abend des
11. Januar in Windhuk aus Deutschland neu ein-
getroffenes Maschinengewehr sowie eine stärkere Be-
deckung mit der Bahn nach Okahandja zur Ver-
stärkung der dortigen Besatzung zu befördern, glückte
infolge mehrfacher Unterbrechung der Bahn durch
die Hereros leider nicht, trotzdem die Abteilung bis
zum Eingange Okahandjas vordrang.
Am 11. und 12. Januar bildete der größte
Teil der bis dahin noch nicht eingezogenen waffen-
fähigen Bevölkerung Windhuks unter dem Vorsitz des
Kaufmanns D. Boysen sen. ein Freiwilligenkorps
zur Vertetdigung Windhuks in einer Stärke von etwa
65 Mann. Die Kommandierung dieser Freiwilligen
zu militärischen Dienstleistungen stieß jedoch schon
am 12. Januar auf verschiedene Schwierigkeiten.
Da jedoch die naheliegende Möglichkeit eines Über-
falls Windhuks durch die Hereros bei dem Mangel
an regulären Truppen dle einheitliche Leitung und
Zusammenfassung der vorhandenen Streitkräfte un-
bedingt erforderte, so entschloß sich am 13. Januar
das stellvertretende Truppenkommando zu dem durch
die Sachlage gebotenen letzten Mittel der Einziehung
des Landsturms. Dieselbe vollzog sich auch glatt.
Die nicht landsturmpflichtigen Männer meldeten sich
außerdem freiwillig zum Diensteintritt, so daß damit
die gesamte Windhuker Bevölkerung unter den Waffen
stand. Aus dienstlichen Gründen wurden außer mir
nicht eingezogen nur noch Postdirektor Bischoff und
Eisenbahnbetriebsleiter Hennig.
Der Aufstand verbreitete sich nun mit über-
raschender Schnelligkelit über die ganze Umgegend
Windhuls aus. Die Hereros plünderten sämtliche
Farmen der Umgegend, raubten in großen Mengen
das Vieh, dessen sie habhaft werden konnten, und
ermordeten sämtliche Weiße, die sich nicht noch recht-
zeitig nach Windhuk oder nach den Polizeistationen
Seeis oder Hohewarte flüchten konnten. Durch
einen am Morgen des 11. Januar sofort nach Neu-
damm entsandten Boten gelang es, das dort stehende
Regierungsoieh, fast 800 Stück Rindvieh, noch nach
Windhuk in Sicherheit zu bringen. Wenige Stunden
darauf konnten der dort statlonierte Zivllpolizist Keil
und dessen Frau sich selbst kaum noch retten; sie
mußten schon getrennt voneinander die Flucht er-
greifen. Die Ermordungen geschahen zum Teil mit
viehischer Grausamkeit unter Verstümmelung der
Leichname. So wurde in Otjisewa der Leichnam
des etwa 14jährigen Sohnes des Zivilpolizisten
Tausendfreund kastriert aufgefunden; ein Augenzeuge
ist der Ansicht, daß nach den Blutlachen neben der
Leiche die Kastrierung noch am lebendigen Lelbe
vollzogen ist. ·
Mehrere Farmer haben den Tod gefunden, weil
sie auf die erste Warnung hin nicht sofort die Flucht
ergriffen, sondern an einen Aufstand und eine Ge-
fährdung ihrer Person nicht glaubten, so der jung
verheiratete Farmer Korszarski in Otjüsewa, welcher
im Gefühl der Sicherheit noch am 11. Januar trotz
Warnung von Windhuk nach Otjisewa, wo er schon
seit Jahren wohnte, zurückkehrte. In einer der fol-
genden Nächte wurde er sowie die übrigen dortigen
Weißen von den Hereros überfallen und mit Kirris
(Wurfkeulen) totgeschlagen. Seiner Frau gelang
es zu entkommen; sie legte den etwa 20 km weiten
Weg bis zur Station Brakwater nachts barfuß zurück.
Ebenso blieb der Farmer Moritz Pilet trotz
Warnung auf seiner Farm, da, wie er sich äußerte,
die Hereros der Umgebung noch ruhig seien und
gegen Bezahlung bei ihm kausten. Kurz darauf
fand er mit seinem Angestellten Dames den Tod.
Die Polizeistationen Seeis und Hohewarte sind
durch Zuzug von Farmern und der Umgegend so-
weit verstärkt, daß sie sich gegen die in der dortigen
Gegend herumtreibenden Räuberbanden gehalten
haben. Ihre Entsetzung wird nach dem gestern
abend erfolgten Eintreffen der 2. Feldkompagnie von
hier aus heute unternommen.
In der Umgegend östlich von Windhuk zieht ein
größerer Haufen bewaffneter Hereros herum unter
der Führung des Friedrich Maharero aus Okahandia,
des Sohnes des Oberhäuptlings, desselben, der 1896
in Berlin zur Kolonialausstellung war. Einem ein-
geborenen Viehwächter der Frau des Farmers Gathe-
mann in Aris (bei Kl. Windhuk), dem er elnen der
Frau Gathemann gehörigen Viehposten abgenommen
hatte, gab er zum Hohne als Geschenk für seine
Herrin eine bel dem Gastwirt Kapps (18 km äöstlich
von Windhuk) geraubte Flasche Schnaps und einen
ebenfalls dort geraubten Fächer mit.