Full text: Deutsches Kolonialblatt. XV. Jahrgang, 1904. (15)

Privileglen und Vorrechte. Die Gegenleistung des 
Reichs bestand im wesentlichen darin, daß der Ge- 
sellschaft gestattet wurde, ihre in Gemäßheit des 
Vertrags vom 20. November 1890 aufgenommene 
5 prozentige Anleihe durch eine neue, niedriger ver- 
zinsliche Anleihe zu ersetzen; daß ferner das Reich 
die Verpflichtung übernahm, die auf Grund des 
Vertrags vom 20. November 1890 zum Zwecke der 
Verzinsung und Tilgung der Anleihe der Gesellschaft 
an diese zu leistenden Jahreszahlungen im Betrage 
von 600 000 Mk. bis zu dem in dem genannten 
Vertrag in Aussicht genommenen Termin (31. De- 
zember 1935) weiter zu zahlen, mit der Maßgabe, 
daß diese Verpflichtung des Reichs künftighin un- 
abhängig sein sollte von der Höhe der Zolleinnahmen 
des ostafrikanischen Schutzgebiets. 
Um eine übermäßige Ausprägung von Gesell- 
schaftsmünzen noch kurz vor dem Erlöschen der 
Prägebefugnis der Gesellschaft auszuschließen, sind 
deren Prägungen für die Zeit vom 1. Januar 1902 
bis zum Inkrafttreten des neuen Vertrags im Wege 
besonderer Vereinbarung auf 150 000 Rupien kon- 
tingentiert worden. 
Der Vertrag vom 15. November 1902 ist, nach- 
dem Bundesrat und Reichstag im Wege der Ge- 
nehmigung des Etats für das deutsch-ostafrikanische 
Schutzgebiet auf das Rechnungsjahr 1903 den sich 
aus dem Vertrag ergebenden finanziellen Lelstungen 
des Reichs zugestimmt hatten, am 1. April 1903 in 
Kraft getreten. 
Damit hatte das Reich freie Hand für die Ord- 
nung des deutsch-ostafrikanischen Münzwesens erlangt. 
II. 
Nach der Beseitigung der Prägebefugnis der 
Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft boten sich für 
die Gestaltung des ostafrikanischen Münzwesens fol- 
gende Möglichkeiten: 
1. Man konnte im wesentlichen den vorhandenen, 
sich an die indische Währungsverfassung an- 
lehnenden Zustand bestehen lassen, mit der 
einen Anderung, daß hinsichtlich der Aus- 
prägung von Silber= und Kupfermünzen das 
Reich, bezw. das deutsch-ostafrikanische Schutz= 
gebiet an die Stelle der Deutsch-Ostafrika= 
nischen Gesellschaft getreten wäre. 
2. Man konnte eine radikale Änderung des vor- 
handenen Zustandes vornehmen, indem man 
das geltende Münzsystem und die umlaufenden 
Münzen durch die in den übrigen Schutz- 
gebleten in Afrika und der Südsee eingeführte 
„Reichsmarkrechnung“ und die Reichsmünzen 
ersetzte. v 
Man konnte die Ruple als Münzeinheit bei- 
behalten, derselben jedoch in ähnlicher Weise, 
wie es in Indien gegenüber dem englischen 
Gelde geschehen war, einen festen Wert in 
deutscher Reichswährung beilegen und ihr diesen 
Wert durch bestimmte Vorkehrungen sichern. 
9 
282 
  
Die an erster Stelle genannte Möglichkeit hätte 
den in Münzangelegenheiten nicht gering zu schätzenden 
Vorteil geboten, daß jeder merkb.#re# Eingriff in die 
bestehenden und seit längerer Zeit eingebürgerten 
Verhältnisse vermieden worden wäre. Die ganze 
Anderung würde darin bestanden haben, daß an 
Stelle der Gesellschaftsrupien Regierungsrupien in 
beschränkten Mengen neben den im Schutzgebiete 
nach wie vor kursierenden indischen Rupien in Um- 
lauf gekommen wären. Die indischen Rupien hätten 
auch nach der Ubernahme des Münzrechts durch das 
Reich einen erheblichen Teil der Umlaufsmittel des 
Schutzgebiets bilden müssen; denn wenn sich das 
Reich mit der Prägung von Rupiengeld für Ost- 
afrika unter Verzicht auf Vorkehrungen zur Sicherung 
eines bestimmten Kurses dieser Münzen hätte be- 
gnügen wollen, dann konnte ein cinigermaßen stabiler 
Kurs und die Parität zwischen der deutschen und 
indischen Rupie auch künftig nur durch vorsichtige 
Ausgabe der neuen Rupien und nur auf Grund des 
Fortbestehens der Umlaufsgemeinschaft von deutschen 
und indischen Rupien in Deutsch-Ostafrika aufrecht 
erhalten werden. Der Fortbestand dieser Umlaufs- 
gemeinschaft in Deutsch-Ostafrika, die bisher ihre 
Ergänzung fand in der Duldung des Umlaufs der 
deutschen Gesellschaftsrupien in Sansibar, ist in der 
Tat von den großen Firmen, die sowohl in Deutsch- 
Ostafrika als auch in Sansibar Niederlassungen be- 
sitzen, als unbedingt wünschenswert bezeichnet worden, 
während man auf anderen Seiten in dieser Münz- 
gemeinschaft mit Sansibar eine Begünstigung der 
kommerziellen Vorherrschaft Sansibars über Ostafrika 
erblickte. 
Es konnte von Anfang an fraglich erscheinen, ob 
aus nationalen Gründen — nachdem einmal das 
Reich das Münzrecht für Deutsch-Ostafrika wieder 
in die eigene Hand genommen hat — die unbedingte 
Abhängigkeit des deutsch-ostafrikanischen Geldwesens 
von der indischen Rupie hätte dauernd aufrecht er- 
halten werden können. Jedenfalls ist soviel sicher, 
daß bel einer solchen Lösung folgende Nachtelle ge- 
blieben wären: 
Einmal wäre die Wertgrundlage des deutsch- 
ostafrikantschen Geldes auch nach der Ubernahme des 
Münzrechts durch das Reich mangels irgendwelcher 
positiver Vorkehrungen zur Sicherung des Rupien- 
kurses eine prekäre geblieben, wenn auch zuzugeben 
ist, daß allein schon die Tatsache, daß an Stelle 
einer privaten Gesellschaft nunmehr das Reich das 
Münzrecht ausübt, das Vertrauen in das ostafrika- 
nische Geld hätte erhöhen müssen. Sobald aber das 
Reich den Kurs des deutsch-ostafrikanischen Geldes 
durch besondere Vorkehrungen befestigen wollte, mußte 
es näher liegen, an Stelle der Anlehnung an ein 
fremdes Geld, nämlich die indische Rupie, eine ebenso 
leicht durchführbare Anlehnung an die deutsche Reichs- 
währung zu erstreben. 
Zweitens wäre dem Reiche, bezw. dem Schutz- 
gebiete zugunsten Britisch-Indiens der Münzgewinn
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.