Full text: Deutsches Kolonialblatt. XV. Jahrgang, 1904. (15)

Passarge schließt ja allerdings mit Rabeh als Macht- 
haber und Eroberer ab, denn er ist 1893/94 ge- 
reist. Uber Rabeh und das Schicksal seines Reiches 
berichten Oppenheim: „Rabeh“ und Gentil: „La 
Chute de l'Empire de Rabeh“. Das seither wichtigste 
politische Ereignis war die Vertreibung des Emir 
Suberu von Jola durch die Engländer. 
Nach Suberus Vertreibung, seiner endgültigen 
Besiegung durch Dominik, Bülow und Radtke bel 
Miskin-Maruna im deutschen Gebiet und schließlichen 
Ermordung durch englische Heidenstämme ist eine 
radikale Anderung eingetreten. Suberu war gewalt- 
tätig, unabhängig und gefürchtet; seine Vasallen- 
fürsten, auch aus deutschem Gebiet, zahlten ihm 
Tribut. Das hat nun aufgehört. Sein Nachfolger, 
von den Engländern elngesetzt, besitzt kein legitimes 
Ansehen und ist lediglich Puppe in der Hand der 
Regierung von Northern Nigeria. Sämtliche 
Adamauaherrscher, 64 an Zahl, wie sie sich bei mir 
in Garua meldeten, sind und fühlen sich seither selb- 
ständig und nur mehr dem deutschen Residenten ver- 
antwortlich, dem sie sehr willig einen mäßigen Tribut 
zahlen. Die Sklavenjagden haben aufgehört, und 
Elfenbein kommt nicht mehr auf den Jolamarkt, da 
es nördlich vom Benus mit Ausnahme einiger ab- 
seits liegender Landstriche kaum Elefanten mehr gibt. 
Die größten und bedeutendsten der nun selb- 
ständigen Herrscher im Lande Adamaua sind: die 
Lamidos von Marua, Madagali, Garua (unter dem 
sehr intelligenten Lamido Buba, einen schönen, 6 Fuß 
großen Fullah von edlem Typ), Bebene, Binder, 
Gidir, Mendif, Bubanjida, Ngaundere. Sie alle 
mit ihren vielen kleineren, wenn auch unabhängigen 
Nachbarn unterstehen dem Residenten in Garna. 
Tibati gehört wegen der ständigen Unruhen daselbst 
zum Militärbezirk Banjo wie auch vorläufig noch 
Gaschka und Kontscha; doch wird auch dies Pro- 
visorium bald eine Anderung erfahren können. Eine 
Verwaltung wird nicht ausgeübt; der Resident ist 
lediglich Schiedsrichter und Ratgeber, schreibt die 
Steuern aus und vereinnahmt dieselben. 
Überall im Lande herrscht reger Verkehr, 
finden je nach Größe und Lage der Orte Märkte statt. 
Über Produktion, Handelsartikel, soziale und 
politische Verhältnisse, Religion und Sitten läßt sich 
den Ausführungen Passarges kaum etwas hinzu- 
fügen, nur hat sich eben seither manches verändert. 
Die Sklavenjagden haben aufgehört, und ist damit 
der Entvölkerung ein Ziel gesetzt. Die Stärkung 
der Macht der einzelnen Herrscher ist eine der 
wichtigsten Aufgaben der Residenturen, denn nur so 
kann man das Land durch seine eigenen Machthaber 
und ohne große militärische Machtmittel regieren und 
nutzbar machen. Da wo Fullahherrschaft etabliert 
ist und unter deutscher Oberherrschaft steht, wird 
von irgendwelchem Eingreifen der Militärtruppe 
fürderhin nicht mehr die Rede sein können. Es 
wird sich vielmehr in friedlicher Entwicklung das 
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Land allmählich heben und an Reichtum und Be— 
völkerung zunehmen und wachsen. 
An dieser Entwicklung werden auch die ein- 
gesprengten Heidenstämme, so die berüchtigten Lam. 
Usuel. Barawa und andere an der Straße Garua— 
Marua nichts ändern. Sie werden sich allmählich 
fügen oder schließlich der Gewalt weichen. Es hat 
mit diesen heidnischen Räubern eine eigene Be- 
wandtnis. Es sind teilweise große und volkreiche 
Stämme, welche einst die jetzt von den Fullahstaaten 
olkupierten Ebenen und Täler bewohnten und Acker- 
bau, Pferde= und Viehzucht betrieben, auch jetzt noch 
betreiben. Sie wurden von den Fullaheroberern be- 
kriegt, durch Sklavenjagden dezimiert und schließlich 
überall in die den berittenen Fullah unzugänglichen 
Berge getrieben. Dort sitzen sie nun und rächen 
sich an den Eroberern durch gelegentliche Naubzüge 
und Raubanfälle auf schwache Karawanen und ver- 
einzelte Reisende. Besonders kleine, Esel treibende 
Haussazüge haben unter ihnen zu leiden. Indessen 
auch diese Heidenstämme, welche einen nicht unerheb- 
lichen nationalökonomischen Wert darstellen, lassen sich 
friedlich beikommen, wenn Verständnis und Geduld 
vorwalten. So arbeiten die Tengelinheiden bereits 
bei der Residentur Garua, und die zahlreichen Duru, 
welche noch im vorigen Jahre die Expedition Bauer 
bedrohten, haben durch wiederholte Gesandtschaften 
ihre Botmäßigkelt angezeigt. Sobald die Heiden 
überzeugt sind, daß sie Recht und Schuy gegen die 
Fullah finden, werden sie ohne Zweifel sehr leicht 
zu behandeln sein; und in ihnen steckt das Arbeiter= 
material und die ganze Arbeitskraft des Landes, 
und 
  
denn der Haussa handelt nur und der Fullah arbeiter 
nie, unter keinen Umständen. Den Gegensatz zwischen 
Fullah und Helden zu überbrücken ist eine der vor- 
nehmsten Aufgaben des Residenten von Adamaua. 
Ganz ähnlich wie in Adamaua liegen die Ver- 
hältnisse in dem romantischen Bergsultanat Mandara. 
an dessen tapferem Widerstand trotz Zerstörung der 
Hauptstadt Dolu und Gefangennahme des alten 
Sultans sich Rabehs Macht zuerst brach. Vor den 
Toren der landschaftlich wic militärisch prachtvoll 
gelegenen jetzigen Hauptstadt Mora dehnt sich eine 
weite Ebene aus, auf welcher Nabehs Heer monate- 
lang vergeblich gelagert und die Stadt bestürmt hat. 
Die in Marua schon recht beträchtlichen Baumwollen-= 
felder nehmen in Mandara, besonders bei der Farm- 
stadt Meme, außerordentliche Dimensionen an, auch 
wird hier vorzüglicher Weizen gebaut und die Milch 
besonders sauber und vorsichtig zubereitet. 
Deutsch-Bornu mit der Hauptstadt Dikva hat 
ähnliche Einrichtungen und Gebrevuche wie die Fullah- 
staaten. Die Eingeborenen (Kanuri) haben sich stark 
mit Arabern vermischt, und diese Mischung gibt heute 
die herrschende Kaste ab. Es finden sich aber auch 
Fullah und Haussa. Der Reichtum an Vieh und 
Pferden ist nicht annähernd so groß als in Adamang. 
Schech Sanda, der Herrscher in Deutsch-Bornu, ist 
eigentlich der legitime Herr des gesamten Landes.
	        
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