Passarge schließt ja allerdings mit Rabeh als Macht-
haber und Eroberer ab, denn er ist 1893/94 ge-
reist. Uber Rabeh und das Schicksal seines Reiches
berichten Oppenheim: „Rabeh“ und Gentil: „La
Chute de l'Empire de Rabeh“. Das seither wichtigste
politische Ereignis war die Vertreibung des Emir
Suberu von Jola durch die Engländer.
Nach Suberus Vertreibung, seiner endgültigen
Besiegung durch Dominik, Bülow und Radtke bel
Miskin-Maruna im deutschen Gebiet und schließlichen
Ermordung durch englische Heidenstämme ist eine
radikale Anderung eingetreten. Suberu war gewalt-
tätig, unabhängig und gefürchtet; seine Vasallen-
fürsten, auch aus deutschem Gebiet, zahlten ihm
Tribut. Das hat nun aufgehört. Sein Nachfolger,
von den Engländern elngesetzt, besitzt kein legitimes
Ansehen und ist lediglich Puppe in der Hand der
Regierung von Northern Nigeria. Sämtliche
Adamauaherrscher, 64 an Zahl, wie sie sich bei mir
in Garua meldeten, sind und fühlen sich seither selb-
ständig und nur mehr dem deutschen Residenten ver-
antwortlich, dem sie sehr willig einen mäßigen Tribut
zahlen. Die Sklavenjagden haben aufgehört, und
Elfenbein kommt nicht mehr auf den Jolamarkt, da
es nördlich vom Benus mit Ausnahme einiger ab-
seits liegender Landstriche kaum Elefanten mehr gibt.
Die größten und bedeutendsten der nun selb-
ständigen Herrscher im Lande Adamaua sind: die
Lamidos von Marua, Madagali, Garua (unter dem
sehr intelligenten Lamido Buba, einen schönen, 6 Fuß
großen Fullah von edlem Typ), Bebene, Binder,
Gidir, Mendif, Bubanjida, Ngaundere. Sie alle
mit ihren vielen kleineren, wenn auch unabhängigen
Nachbarn unterstehen dem Residenten in Garna.
Tibati gehört wegen der ständigen Unruhen daselbst
zum Militärbezirk Banjo wie auch vorläufig noch
Gaschka und Kontscha; doch wird auch dies Pro-
visorium bald eine Anderung erfahren können. Eine
Verwaltung wird nicht ausgeübt; der Resident ist
lediglich Schiedsrichter und Ratgeber, schreibt die
Steuern aus und vereinnahmt dieselben.
Überall im Lande herrscht reger Verkehr,
finden je nach Größe und Lage der Orte Märkte statt.
Über Produktion, Handelsartikel, soziale und
politische Verhältnisse, Religion und Sitten läßt sich
den Ausführungen Passarges kaum etwas hinzu-
fügen, nur hat sich eben seither manches verändert.
Die Sklavenjagden haben aufgehört, und ist damit
der Entvölkerung ein Ziel gesetzt. Die Stärkung
der Macht der einzelnen Herrscher ist eine der
wichtigsten Aufgaben der Residenturen, denn nur so
kann man das Land durch seine eigenen Machthaber
und ohne große militärische Machtmittel regieren und
nutzbar machen. Da wo Fullahherrschaft etabliert
ist und unter deutscher Oberherrschaft steht, wird
von irgendwelchem Eingreifen der Militärtruppe
fürderhin nicht mehr die Rede sein können. Es
wird sich vielmehr in friedlicher Entwicklung das
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Land allmählich heben und an Reichtum und Be—
völkerung zunehmen und wachsen.
An dieser Entwicklung werden auch die ein-
gesprengten Heidenstämme, so die berüchtigten Lam.
Usuel. Barawa und andere an der Straße Garua—
Marua nichts ändern. Sie werden sich allmählich
fügen oder schließlich der Gewalt weichen. Es hat
mit diesen heidnischen Räubern eine eigene Be-
wandtnis. Es sind teilweise große und volkreiche
Stämme, welche einst die jetzt von den Fullahstaaten
olkupierten Ebenen und Täler bewohnten und Acker-
bau, Pferde= und Viehzucht betrieben, auch jetzt noch
betreiben. Sie wurden von den Fullaheroberern be-
kriegt, durch Sklavenjagden dezimiert und schließlich
überall in die den berittenen Fullah unzugänglichen
Berge getrieben. Dort sitzen sie nun und rächen
sich an den Eroberern durch gelegentliche Naubzüge
und Raubanfälle auf schwache Karawanen und ver-
einzelte Reisende. Besonders kleine, Esel treibende
Haussazüge haben unter ihnen zu leiden. Indessen
auch diese Heidenstämme, welche einen nicht unerheb-
lichen nationalökonomischen Wert darstellen, lassen sich
friedlich beikommen, wenn Verständnis und Geduld
vorwalten. So arbeiten die Tengelinheiden bereits
bei der Residentur Garua, und die zahlreichen Duru,
welche noch im vorigen Jahre die Expedition Bauer
bedrohten, haben durch wiederholte Gesandtschaften
ihre Botmäßigkelt angezeigt. Sobald die Heiden
überzeugt sind, daß sie Recht und Schuy gegen die
Fullah finden, werden sie ohne Zweifel sehr leicht
zu behandeln sein; und in ihnen steckt das Arbeiter=
material und die ganze Arbeitskraft des Landes,
und
denn der Haussa handelt nur und der Fullah arbeiter
nie, unter keinen Umständen. Den Gegensatz zwischen
Fullah und Helden zu überbrücken ist eine der vor-
nehmsten Aufgaben des Residenten von Adamaua.
Ganz ähnlich wie in Adamaua liegen die Ver-
hältnisse in dem romantischen Bergsultanat Mandara.
an dessen tapferem Widerstand trotz Zerstörung der
Hauptstadt Dolu und Gefangennahme des alten
Sultans sich Rabehs Macht zuerst brach. Vor den
Toren der landschaftlich wic militärisch prachtvoll
gelegenen jetzigen Hauptstadt Mora dehnt sich eine
weite Ebene aus, auf welcher Nabehs Heer monate-
lang vergeblich gelagert und die Stadt bestürmt hat.
Die in Marua schon recht beträchtlichen Baumwollen-=
felder nehmen in Mandara, besonders bei der Farm-
stadt Meme, außerordentliche Dimensionen an, auch
wird hier vorzüglicher Weizen gebaut und die Milch
besonders sauber und vorsichtig zubereitet.
Deutsch-Bornu mit der Hauptstadt Dikva hat
ähnliche Einrichtungen und Gebrevuche wie die Fullah-
staaten. Die Eingeborenen (Kanuri) haben sich stark
mit Arabern vermischt, und diese Mischung gibt heute
die herrschende Kaste ab. Es finden sich aber auch
Fullah und Haussa. Der Reichtum an Vieh und
Pferden ist nicht annähernd so groß als in Adamang.
Schech Sanda, der Herrscher in Deutsch-Bornu, ist
eigentlich der legitime Herr des gesamten Landes.