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Frauen, Kinder und Hirten. Sie hatten eine un-
zählige Menge Vileh bei sich, auch viele Wagen;
schätzen kann ich das Vleh nicht, da es zerstreut im
Gebüsch ziemlich verborgen gehalten wurde. Mehrere
hundert der Hereros waren beritten, die meisten der
Krieger mit Gewehren der verschiedensten Systeme
bewaffnet. Mit Samuel selbst habe ich nur über
meine Reise gesprochen. Er war fast stets von seinen
Unterkapitänen und Großleuten umgeben, er war in
Zivil, die Krieger aber im Kriegsschmuck mit Straußen-
federn und roten Tüchern auf dem Hut und zum
teil mit roten Gürteln. Das ist ihre Kriegskleidung.
Sehr viele hatten Anzüge und Uniformen der Schutz-
truppe, Schutztruppenhüte und Militärmäntel, auch
lange gelbe Stiefel. Die meisten Uniformstücke waren
gut erhalten. Die Stimmung war übermütig krie-
gerisch. Der Oberbefehlshaber Kajata hatte die Leute
gut in seiner Gewalt. Er kommandiert wenig, seine
Befehle waren kurz, aber bestimmt; ich habe gehört,
daß jüngere Leute deutsch, z. B. „Halt“, „Aufsteigen“,
„Absteigen“, kommandierten. Spione wurden häufig
abgeschickt, wohl von jedem Unterhäuptling eine
Anzahl, sie waren zum Teil beritten, zum Tell un-
eritten.
Die Hereros haben mich mehrfach aufgefordert,
die Deutschen zu veranlassen, herauszukommen aus
Okahandja, sie wollten mit ihnen im Felde fechten;
sie frugen, ob meine Landsleute nur in Häusern
fechten. Sie bewunderten es aber, daß einzelne
Farmer sich tapfer verteldigt und daß die Bahn
während des Kampfes mit ihnen wieder hergestellt
wurde. Sie verglichen die Deutschen deshalb mit
weißen Ameisen, die das Zerstörte gleich wieder auf-
bauen. Das hat mir übrigens Kajata selbst erzählt.
Etwas großsprecherisch sagt Kajata: „Sie wollten
die einzelnen Stämme der Hereros, die sich noch bei
Otjümbingwe, Omaruru, Waterberg und in der Nähe
von Gobabis befänden, vereinigen und eines Tages
zusammen nach Okahandja herunterkommen, wo sie
kämpfen und sterben wollten. Da sei ihre Heimat,
und sie würden sie nie ausgeben.“ Sie meinen ins-
besondere, daß sie überhaupt noch nicht gekämpft
hätten bis jetzt.
Ich habe bestimmt den Eindruck, daß die große
Menge der Hereros über den Anlaß zum Krieg im
unklaren ist. Ich habe immer wieder und von den
verschiedensten Seiten, auch von kleineren Kapitänen
gehört, wie sie untereinander frugen, wie der Krieg
eigentlich entstanden ist und wie die anderen darauf
sagten, sie hätten auch schon oft gefragt, sie wüßten
es auch nicht. Nach dem Wegzug der Hereros aus
Okasewa habe ich von einem Mann von einer im
Feld zurückgebliebenen Werft gehört, ein Junge von
seinem Stamm, der mit der Truppe nach dem Süden
gezogen sei, sei zurückgekehrt und habe berichtet:
„Die Engländer schössen im Süden auf die Deutschen.“
Ich habe absichtlich und mehrfach unter den Tietjo-
schen Leuten dieses Gerücht als unwahr bezeichnet,
ihnen vielmehr gesagt, das Gegenteil sei wahr; die
Engländer würden wohl den Deutschen zu Hilfe ge-
kommen seln. Ich wollte dadurch die Leute abhalten,
mit ihrem Vieh auf englisches Gebiet auszuwandern.
Ob die Hereros von irgend jemand aufgehetzt
worden sind, weiß ich nicht; jedenfalls sind sie durch
verschiedene Umstände erbittert. Sie klagten auch
im Lager und vielfach darüber, wie sie von Händlern
geprellt worden seien. Sie erzählten mir folgendes,
was zum Teil übertrieben sein mag: Hatte ein
Herero Schulden bei einem Händler, so kam der
Händler meistens mit einem Polizisten, aber auch
ohne Polizisten zur Werft. Es wurde gefordert die
Schuld, die Zinsen, ein Betrag für das Pferd, das
der Händler beim Einziehen der Schuld benutzte,
für das Futter des Pferdes, Schadenersatz für den
Zeitverlust des Händlers, Ersatz für den Unterhalt
des Händlers, entgangener Gewinn, für die Zeit des
Wartens mit dem Einziehen der Schuld, und die
Kosten der Herreise und Rückreise des Händlers und
eventuell auch seiner Leute. Es ist auch erzählt
worden, daß die Händler bares Geld oft beim Kauf
nicht annehmen wollten und daß sie beim Einziehen
der Schuld Vieh an Zahlungsstatt hingeben mußten,
welches ihnen willkürlich niedrig berechnet wurde.
Man habe sie gedrängt, auf Schuld zu kaufen und
habe mit ihnen, falls sie nicht kaufen wollten, Krach
gemacht und ihnen vorgehalten, sie machten wohl
Orlog mit ihnen. Ich weiß z. B. von Hereroseite,
daß der im Herbst 1903 in Omitara verstorbene
Händler Borbe sich 10 Mk. bezahlen ließ, weil er
einen Tag auf einer Werft oberhalb Wittfley zu-
gebracht hatte, ohne etwas zu verkaufen. Auch sollen
Händler gedroht haben, zu schießen, wenn nichts
gekauft würde, oder wenn die Hereros klagen gehen
wollten. Sie sagten mir, ich solle dem Gouverneur
sagen, er solle die Händler zum Lande hinausjagen,
dann wollten sie mit der Truppe in Frieden leben.
Über die Regierung und den Herrn Gouverneur
äußerten sie sich sehr lobend. Bei der Regierung
hätten sie Gerechtigkeit gefunden. Die Großleute
hielten sich mir gegenüber sehr reserviert. Sie sagten
mir nichts über die Ursache des Krieges, und fragen
durfte ich absolut nicht. Jene Beschwerden sind mir
von Leuten aus dem Volke mitgeteilt worden. Ich
habe übrigens einmal gehört, wie kleine Leute jetzt
auf meiner Tour sich unterhielten: „Für sie sei es
nicht günstig, wenn sie, die Hereros, den Sieg davon-
tragen würden; denn während die Deutschen die
Herrschaft gehabt hätten, hätten sie sich Kühe halten
können, wenn aber die Hereros wieder die Herren
wären, sel es nicht mehr möglich, weil alles Vieh
nach ihrer Sitte den Großleuten gehöre.
2. Missionar Diehl: „An dem Aufstand mögen
die Farmverkäufe und das Ausmessen derselben mit
Schuld sein. Die Farmer haben in letzter Zeit es
mehrfach nicht geduldet, daß die Hereros auf dem
Land der Farm ihr Vieh weiden und tränken lassen.
Es sind z. B. bei Klein-Barmen auf der Langeschen
Farm auf der Wasserstelle derartige Konflikte ent-