Full text: Deutsches Kolonialblatt. XV. Jahrgang, 1904. (15)

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Frauen, Kinder und Hirten. Sie hatten eine un- 
zählige Menge Vileh bei sich, auch viele Wagen; 
schätzen kann ich das Vleh nicht, da es zerstreut im 
Gebüsch ziemlich verborgen gehalten wurde. Mehrere 
hundert der Hereros waren beritten, die meisten der 
Krieger mit Gewehren der verschiedensten Systeme 
bewaffnet. Mit Samuel selbst habe ich nur über 
meine Reise gesprochen. Er war fast stets von seinen 
Unterkapitänen und Großleuten umgeben, er war in 
Zivil, die Krieger aber im Kriegsschmuck mit Straußen- 
federn und roten Tüchern auf dem Hut und zum 
teil mit roten Gürteln. Das ist ihre Kriegskleidung. 
Sehr viele hatten Anzüge und Uniformen der Schutz- 
truppe, Schutztruppenhüte und Militärmäntel, auch 
lange gelbe Stiefel. Die meisten Uniformstücke waren 
gut erhalten. Die Stimmung war übermütig krie- 
gerisch. Der Oberbefehlshaber Kajata hatte die Leute 
gut in seiner Gewalt. Er kommandiert wenig, seine 
Befehle waren kurz, aber bestimmt; ich habe gehört, 
daß jüngere Leute deutsch, z. B. „Halt“, „Aufsteigen“, 
„Absteigen“, kommandierten. Spione wurden häufig 
abgeschickt, wohl von jedem Unterhäuptling eine 
Anzahl, sie waren zum Teil beritten, zum Tell un- 
eritten. 
Die Hereros haben mich mehrfach aufgefordert, 
die Deutschen zu veranlassen, herauszukommen aus 
Okahandja, sie wollten mit ihnen im Felde fechten; 
sie frugen, ob meine Landsleute nur in Häusern 
fechten. Sie bewunderten es aber, daß einzelne 
Farmer sich tapfer verteldigt und daß die Bahn 
während des Kampfes mit ihnen wieder hergestellt 
wurde. Sie verglichen die Deutschen deshalb mit 
weißen Ameisen, die das Zerstörte gleich wieder auf- 
bauen. Das hat mir übrigens Kajata selbst erzählt. 
Etwas großsprecherisch sagt Kajata: „Sie wollten 
die einzelnen Stämme der Hereros, die sich noch bei 
Otjümbingwe, Omaruru, Waterberg und in der Nähe 
von Gobabis befänden, vereinigen und eines Tages 
zusammen nach Okahandja herunterkommen, wo sie 
kämpfen und sterben wollten. Da sei ihre Heimat, 
und sie würden sie nie ausgeben.“ Sie meinen ins- 
besondere, daß sie überhaupt noch nicht gekämpft 
hätten bis jetzt. 
Ich habe bestimmt den Eindruck, daß die große 
Menge der Hereros über den Anlaß zum Krieg im 
unklaren ist. Ich habe immer wieder und von den 
verschiedensten Seiten, auch von kleineren Kapitänen 
gehört, wie sie untereinander frugen, wie der Krieg 
eigentlich entstanden ist und wie die anderen darauf 
sagten, sie hätten auch schon oft gefragt, sie wüßten 
es auch nicht. Nach dem Wegzug der Hereros aus 
Okasewa habe ich von einem Mann von einer im 
Feld zurückgebliebenen Werft gehört, ein Junge von 
seinem Stamm, der mit der Truppe nach dem Süden 
gezogen sei, sei zurückgekehrt und habe berichtet: 
„Die Engländer schössen im Süden auf die Deutschen.“ 
Ich habe absichtlich und mehrfach unter den Tietjo- 
schen Leuten dieses Gerücht als unwahr bezeichnet, 
ihnen vielmehr gesagt, das Gegenteil sei wahr; die 
  
Engländer würden wohl den Deutschen zu Hilfe ge- 
kommen seln. Ich wollte dadurch die Leute abhalten, 
mit ihrem Vieh auf englisches Gebiet auszuwandern. 
Ob die Hereros von irgend jemand aufgehetzt 
worden sind, weiß ich nicht; jedenfalls sind sie durch 
verschiedene Umstände erbittert. Sie klagten auch 
im Lager und vielfach darüber, wie sie von Händlern 
geprellt worden seien. Sie erzählten mir folgendes, 
was zum Teil übertrieben sein mag: Hatte ein 
Herero Schulden bei einem Händler, so kam der 
Händler meistens mit einem Polizisten, aber auch 
ohne Polizisten zur Werft. Es wurde gefordert die 
Schuld, die Zinsen, ein Betrag für das Pferd, das 
der Händler beim Einziehen der Schuld benutzte, 
für das Futter des Pferdes, Schadenersatz für den 
Zeitverlust des Händlers, Ersatz für den Unterhalt 
des Händlers, entgangener Gewinn, für die Zeit des 
Wartens mit dem Einziehen der Schuld, und die 
Kosten der Herreise und Rückreise des Händlers und 
eventuell auch seiner Leute. Es ist auch erzählt 
worden, daß die Händler bares Geld oft beim Kauf 
nicht annehmen wollten und daß sie beim Einziehen 
der Schuld Vieh an Zahlungsstatt hingeben mußten, 
welches ihnen willkürlich niedrig berechnet wurde. 
Man habe sie gedrängt, auf Schuld zu kaufen und 
habe mit ihnen, falls sie nicht kaufen wollten, Krach 
gemacht und ihnen vorgehalten, sie machten wohl 
Orlog mit ihnen. Ich weiß z. B. von Hereroseite, 
daß der im Herbst 1903 in Omitara verstorbene 
Händler Borbe sich 10 Mk. bezahlen ließ, weil er 
einen Tag auf einer Werft oberhalb Wittfley zu- 
gebracht hatte, ohne etwas zu verkaufen. Auch sollen 
Händler gedroht haben, zu schießen, wenn nichts 
gekauft würde, oder wenn die Hereros klagen gehen 
wollten. Sie sagten mir, ich solle dem Gouverneur 
sagen, er solle die Händler zum Lande hinausjagen, 
dann wollten sie mit der Truppe in Frieden leben. 
Über die Regierung und den Herrn Gouverneur 
äußerten sie sich sehr lobend. Bei der Regierung 
hätten sie Gerechtigkeit gefunden. Die Großleute 
hielten sich mir gegenüber sehr reserviert. Sie sagten 
mir nichts über die Ursache des Krieges, und fragen 
durfte ich absolut nicht. Jene Beschwerden sind mir 
von Leuten aus dem Volke mitgeteilt worden. Ich 
habe übrigens einmal gehört, wie kleine Leute jetzt 
auf meiner Tour sich unterhielten: „Für sie sei es 
nicht günstig, wenn sie, die Hereros, den Sieg davon- 
tragen würden; denn während die Deutschen die 
Herrschaft gehabt hätten, hätten sie sich Kühe halten 
können, wenn aber die Hereros wieder die Herren 
wären, sel es nicht mehr möglich, weil alles Vieh 
nach ihrer Sitte den Großleuten gehöre. 
2. Missionar Diehl: „An dem Aufstand mögen 
die Farmverkäufe und das Ausmessen derselben mit 
Schuld sein. Die Farmer haben in letzter Zeit es 
mehrfach nicht geduldet, daß die Hereros auf dem 
Land der Farm ihr Vieh weiden und tränken lassen. 
Es sind z. B. bei Klein-Barmen auf der Langeschen 
Farm auf der Wasserstelle derartige Konflikte ent-
	        
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