Mitteilungen der Frau waren indessen so verworren,
daß man daraus nicht schließen konnte, was elgentlich
passiert war. Nach kurzem Uberlegen entschloß sich
Sergeant Rademacher, zu versuchen, nach dem Store
von Wecke & Voigts zu gelangen, um sich mit den
noch etwa da weilenden Herren zur Verteldigung
einzurichten. Ich holte schnell mein Gewehr (Mauser)
und 20 Patronen, und Sergeant Rademacher eilte
damit in jener Richtung davon, begleitet von dem
unbewaffneten Grasen Dohna. Ich lief auf dem
andern Ufer des Baches weiter zur Werft des Unter-
häuptlings David, um zu hören, was eigentlich ge-
schehen sei und um, wenn noch möglich, Unhell zu
verhindern und nach Frau Sonnenberg zu sehen.
Unterwegs wurde ich von einem wild aussehenden
Herero angehalten, der mich aber unbehelligt ließ,
als er hörte, daß ich der Missionar sei. Als ich
zu den ersten Hütten der Werft des David kam,
wo viele Bewaffnete standen, aber anscheinend un-
schlüssig, was sie tun sollten, bemerkte ich vor einer
Hütte Frau Sonnenberg in den Händen ihrer Dile-
nerin liegen, die, sobald sie mich sah, rief: „Man hat
meinen Mann erschlagen,“ darauf kam auch gleich
Schwester Marianne mit dem kleinen Kinde der Frau
Sonnenberg aus der Hütte heraus. Ich eilte nun
zunächst zu Frau Sonnenberg, und als ich noch mit
einigen Männern kurz gesprochen hatte, wußte ich,
daß das Furchtbare geschehen und alle Deutschen
bereits erschlagen waren. Während ich mit den
Männern noch redete, fiel auf der andern Seite des
Baches in der Richtung, die Sergeant Rademacher
eingeschlagen hatte, ein Schuß, den ich als mit
meinem Gewehr abgegeben hielt, bald folgten noch
12 bis 15 Schüsse, dann wurde es still. Ich bat
nun noch einige Männer, mich zum Schutze der
Frauen nach meinem Hause zu begleiten, es war
aber umsonst, sie waren nicht dazu zu bewegen, und
ich mußte einsehen, daß ich keine Macht mehr über
die Leute hatte. Ich eilte nun allein mit den Frauen
davon und erreichten wir auch unbelästigt meine
Wohnung. Nach Verlauf von etwa ½ Stunde
kamen zwei Hereros mit meinem Gewehr und ver-
langten im Namen Davids Patronen dazu. Ich
erwiderte, daß David selbst kommen oder einen mir
bekannten Mann schicken müsse, wenn er etwas von
mir haben wolle; nach einigem Hin= und Herreden
gingen sie wieder weg und ich vernichtete dann die
noch vorhandenen Patronen.
In sehr kurzer Zelt hatte sich die Tragödie ab-
gespielt, daß sämtliche am Platze anwesenden deutschen
Männer von den Hereros ermordet wurden. Auf
der Polizeistation fielen unter den Streichen der
Hereros Unteroffizier Kottler und zwei Reiter, die
nichts ahnend auf der Veranda saßen. Der Händler
Sonnenberg wurde im Schlaf auf dem Bette liegend
von einem seiner Arbeiter mit einem Hammer er-
schlagen und der Ansiedler Genzel in einem andern
Raum desselben Gebäudes nach kurzer Gegenwehr.
Die Herren Legationsrat Hoepner und Watermeyer
erlagen den Schlägen der Hereros bei ihrer Karre,
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nach einem Bericht, als sie der Mittagsruhe pflegten,
nach einem andern, auf ihren Stühlen sitzend. Von
dem Wagenpersonal scheint niemand anwesend ge-
wesen zu sein. Bei und in dem Store von Wecke &
Voigts wurden erschlagen Herr v. Estorff, der Händler
Reinecke und ein Reiter, wahrscheinlich der Begleiter
der Herren Hoepner und Watermeyer. Sergeant
Rademacher fiel von fünf bis sechs Kugeln durch-
bohrt zwischen Kirche und Haus des Salatiel Kam-
bazembi. In letzteres war Graf Dohna geflüchtet,
nachdem er einen Schuß in einen Fuß erhalten hatte,
und wurde darin erschlagen. Am folgenden Tage
(15. Januar) begruben die Hereros die Leilchen.
Sergeant Rademacher und die im Stationsgebäude
erschlagenen Soldaten liegen in einem Grab unweit
der Station; Sonnenberg und Genzel in einem Grab
etwas südlich von des letzteren Store und die andern
alle in einem Grab südwestlich von Wecke & Voigts'
Store am Wege nach Omaruru.
So lange ich noch in Waterberg weilte (bis
24. Februar) haben die Hereros von da keine krie-
gerischen Operationen unternommen, sie wollten, wie
sie sagten, die Truppe da erwarten. An dem Ge-
fecht, das am 18. Januar bei Grootfontein stattfand,
waren hauptsächlich nur die Hereros aus dem unteren
Omuramba beteiligt. Am 24. Februar brach David
Kambazembi, durch den Streit mit seinem Bruder
Salatiel um die Häuptlingsschaft dazu bewogen, mit
dem sich zu ihm haltenden Teil des Kambazembi-
stammes von Waterberg auf, um zu Samuel zu
ziehen, ihm schloß ich mich an. Ich reiste mit
Wagen und Karre. Außer meiner Familie reisten
noch mit: Frau Sonnenberg und Kind, Schwester
Marianne und die Bastardfrau von dem Händler
Debald mit zwei Kindern. Am 6. April trafen wir
in Owiumbo ein und am 9. in Okahandja.
In Waterberg sind zurückgeblieben: der größere
Teil des Kambazembistammes, der sich Salatiel an-
geschlossen hat. Diesem haben sich noch weiter an-
geschlossen fast sämtliche Werften von Okajaude, die
von Otjiwarongo, Omatjiene, Okurusu, Otawi, Ot-
jenga sowie die im Omuramba, doch wohnen nicht
alle auf dem Platz selbst. Ferner hat sich Mboandju
von Otjombonde und andere kleinere Werften aus dem
oberen Omuramba, nachdem Herr Major v. Estorff
denselben ein Gefecht geliefert hatte, nach Waterberg
gewandt. * *
Der Herero-Aufstand.
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Den 16. Mai.
Gouverneur Leutwein meldet unter dem 15.-d. Mts.:
Zülow hat gestern Omaruru erreicht. Bel Okombahe
und Kawap, westlich Omaruru, bewaffnete Herero-
banden gemeldet, die in der Nacht vom 2. zum 3.
den Viehposten bei Okombahe überfielen. Säuberung
der Gegend ist angeordnet. Estorff hat der Wasser-
verhältnisse wegen Teile seiner Kolonne nach Okoru=
kambe verlegt. Okajainja ist vom Feinde frei. Bei
Engonda wurde auf vereinzelte Hereros gestoßen.