Full text: Deutsches Kolonialblatt. XV. Jahrgang, 1904. (15)

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Ausnahmen von diesem Grundsatze können jedoch zugelassen werden, wenn nach Lage der Ver- 
hältnisse die Weiterführung des Betriebs aus persönlichen oder sachlichen Gründen als unmöglich anerkannt 
wird. In einem solchen Falle kann die Abtretung des Anwesens an den Landesfiskus zur Bedingung 
gemacht werden. 
84. 
Bei Personen und Gesellschaften mit einem Landbesitz von mehr als 10 000 ha kann die Gewährung 
von Darlehen oder Hllfeleistungen davon abhängig gemacht werden, daß ein Teil des nicht bewirtschafteten 
Landbesitzes dem südwestafrikanischen Landesfiskus als Gegenleistung zu Eigentum überwiesen wird. 
Gesellschaften sollen, sofern sie kapitalkräftig sind, nur Darlehen gewährt werden. 
8 5. 
Bei Bemessung der Darlehen und Hilfeleistungen darf über den unmittelbaren Schaden an beweg- 
lichem und unbeweglichem Eigentum nicht hinausgegangen werden. Die durch Versicherung gedeckten Verluste, 
entgangener Gewinn und sonstiger mittelbarer Schaden blelben außer Betracht. 
8 6. 
Die Darlehen und Hilfeleistungen können in Geld= oder Naturalleistungen bestehen. Bei Tier- 
verlusten werden Darlehen und Hilfeleistungen nur insoweit gewährt, als der Verlust nicht durch das den 
Eingeborenen abgenommene Vieh gedeckt werden kann. 
Für sach= und zweckmäßige Verwendung der Darlehen und Hilfelelstungen sind Vorkehrungen zu treffen. 
§5 7. 
Die Bemessung der Darlehen und Hilfelelstungen liegt einer Kommission ob, welche aus fünf 
Mitgliedern besteht, und deren Vorsitz der Oberrichter in Windhuk führt. Dieser ernennt die übrigen vier 
Mitglieder in der Weise, daß sie aus einem Beamten und drei Nichtbeamten bestehen. 
8 8. 
Die Kommission erläßt in der Deutsch-Südwestafrlkanlschen Zeitung sowie durch Anschlag an den 
Amtsstellen des Schutzgebiets und in sonst geeigneter Weise an alle diejenigen, welche durch Handlungen 
der Aufständischen unmittelbaren Schaden an beweglichem oder unbeweglichem Eigentum erlitten haben 
und ein Darlehen oder eine Hilfeleistung wünschen, unter Androhung der Nichtberücksichtigung die Auf- 
forderung, den Schaden sowie Art und Höhe des gewünschten Darlehens oder der gewünschten Hilfeleistung 
bis zu elnem bestimmten Zeitpunkt anzumelden. 
§5 9. 
Den erlittenen Schaden und das erbetene Darlehen oder die erbetene Hllfeleistung haben die Ge- 
schädigten schriftlich bei der Kommission durch Ausfüllung des für diesen Zweck bestimmten, durch die 
Polizelstationen zu beziehenden Formulars (Anlage) anzumelden. 
Die Höhe des angemeldeten Schadens ist durch Belege (Versicherungsverträge, Fakturen und 
andere Urkunden) und nötigenfalls auch durch Benennung von Zeugen darzutun. 
8 10. 
Die Kommission kann schon vor Abschluß der Ermittlungen auf die später zu gewährenden Darlehen 
oder Hilfeleistungen einen Vorschuß gewähren, wenn der Geschädigte ohne einen solchen nicht in der Lage 
ist, die Wiederherstellung des zerstörten oder beschädigten Wirtschaftsbetriebs in Angriff zu nehmen. 
Die Vorschüsse dürfen insgesamt den Betrag von elner Million Mark nicht übersteigen. 
8 11. 
Die Beschlüsse der Kommission werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichhelt 
entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Zur Beschlußfassung müssen mindestens drei Mitglieder — darunter 
ein Beamter — anwesend sein. 
Die Kommission hat das Recht, die Geschädigten vorzuladen, die Behörden selbständig zu 
requirieren, Zeugen eidlich zu vernehmen oder vernehmen zu lassen, eldesstattliche Versicherungen abzunehmen 
oder abnehmen zu lassen, auch präklusive Fristen für Anmeldung und Begründung der Anträge zu bestimmen. 
9 12. 
Gegen die Entscheldungen der Kommission werden keinerlei Rechtsmittel zugelassen. Die Ent- 
scheidungen sind nebst kurzer Angabe der Entscheidungsgründe den Geschädigten mitzutellen. 
Ein Rechtsanspruch wird auch durch Mitteilung der Entscheidung der Kommession nicht begründet. 
Berlin, den 2. Juni 1904. 
Der Reichskanzler. 
Graf v. Bülow.
	        
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