Full text: Deutsches Kolonialblatt. XV. Jahrgang, 1904. (15)

12 Tagen zurückgelegt werden. Hinter Khartoum 
beträgt die Breite des Weißen Nil 3 bis 4½ km. 
Schmale Kulturstreifen sind an beiden Ufern, die 
vollkommen flach sind, sichtbar. Bei abnehmendem 
Nil treten zahlreiche fruchtbare Inseln hervor, die 
sofort von den Eingeborenen mit Mais und Bohnen, 
auch Gerste bebaut werden, oder ungezählten Ziegen- 
herden als Weideland dienen. Tausende von wilden 
Enten, Schwänen, Gänsen, Störchen, Pelikanen, 
Reihern, Kranichen und weißköpfigen Gelern beleben 
das sonst eintönige Bild. Der Dampfer hält an 
verschiedenen Holzstationen an, um Brennmaterial 
für die Maschine einzunehmen. Da dasselbe nur 
spärlich am Ufer wächst, muß es von den von der 
Regierung dort angesiedelten Sudanesen bisweilen 
weit im Innern geschlagen und an den Fluß be- 
fördert werden. Die Holzfrage ist für die Nil- 
schiffahrt eine ungemein wichtige. In absehbarer 
Zeit werden die für diesen Zweck erreichbaren Holz- 
bestände erschöpft sein, und wenn bis dahin keine 
Kohle im Sudan gefunden ist, wird der Dampfer- 
betrieb selbst nach Fertigstellung der Bahn Suakin— 
Berber immer noch ein koftspiellger werden. Ein 
hoher Forstbeamter der indischen Reglerung beauf- 
sichtigt zur Zeit im Sudan die sachgemäße Ab- 
holzung. Die Hoffnung. in der Provinz Dongola 
Kohlen zu finden, hat man aufgegeben. Augerblick- 
lich befindet sich eine Expedition an der abessinischen 
Grenze, wo sich Spuren von Kohlenlagern gefunden 
haben sollen. 
180 km von Khartoum erreicht man den Ort 
El Dueim, den Ausgangspunkt einer großen Kara- 
wanenstraße nach der Hauptstadt Kordofans, El Obeid, 
100 km weiter das Dorf Goz Abu Guma, von wo 
ein Kamelpfad und ein Telegraph nach Sennar am 
Blauen Nil geht. Hinter Goz Abu Guma ändert 
sich die Gegend. Das Flußbett verengt sich auf 
500 m. Die Ufer sind mit hohem Sumpfgras be- 
wachsen. Dahinter werden Akazien= und Tamarisken- 
wälder, bisweilen auch langgestreckte offene Lagunen 
sichtbar. Vereinzelte Granitkuppen bis zu 400 Fuß 
Höhe bilden die einzigen Bodenerhebungen. In 
einiger Entfernung vom Ufer sieht man Nieder- 
lassungen von Schilluk= und Dinkanegern, von denen 
jene hauptsächlich das linke, diese das rechte Nilufer 
bewohnen. Ihre Hütten, „takls“ genannt, sind in 
konischer Form aus Lehm mit Strohdach gebaut; der 
Durchmesser derselben beträgt selten mehr als 4 bis 
5bm. Die Eingeborenen besitzen Ziegenherden, auch 
einige Kühe, und bauen etwas Durrha (Mais). Am 
5. Januar wurde Kaka (640 km von Khartoum) 
und in der Nacht zum 6. Januar Kodok (früher 
Faschoda) angelaufen. Sodann kamen wir nach 
Lol, einem Schillukendorf, wo sich seit zwei Jahren 
eine aus drel Patres, drei Schwestern und drei 
Brüdern bestehende österreichische Missionsanstalt be- 
findet. Einer der Missionare gab selbst zu, daß ihr 
Einfluß sich bis jetzt darauf beschränke, die Ein- 
geborenen in ihrer nächsten Nähe zur Anlegung 
  
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eines losen Gewandes zu veranlassen. An die Ein- 
richtung einer Schule könne noch nicht gedacht 
werden. Nachmittags legte der Dampfer in Taufikia 
(810 km von Khartoum) an, dem militärischen Haupt- 
quartier der Upper Nile-Provinz. Hier endigt der 
Telegraph. Erwähnen möchte ich an dieser Stelle, 
daß jeder englische Beamte in den Stationen am 
Nil täglich die in Khartoum einlaufenden Reuter- 
telegramme von der Regierung kostenlos zugestellt 
erhält. 
but km von Taufikia nimmt der Weiße Nil 
rechts den schiffbaren Sobatfluß, 45 km weiter den 
Bahr el Zeraf auf und erreicht nach weiteren 75 km 
den Lake No. An diesem Punkt macht der Nil eine 
scharfe Wendung noch Süden und nimmt den Namen 
Bahr el Jebel an. Hier beginnt die eigentliche 
„Sudd"-Region, das große Hindernis, welches einer 
gedeihlichen Entwicklung des südlichen Sudan und 
einer engeren Verbindung desselben mit Uganda für 
alle Zeiten im Wege stehen dürfte. Unter „Sudd“ 
versteht man das ausgedehnte Sumpfgebiet südlich 
Taufikias, welches, mit Schilfgras und Papyrus- 
stauden bewachsen, ein Areal von annähernd 
40 000 englischen Quadratmeilen umfaßt. Der 
„Sudd“ bedeckt nach den mir gemachten Angaben 
ungefähr ein gleichseitiges Dreieck, dessen Grundlinie 
südlich des 10.? n. Br. vom 28.7 bis 34.“ 5. Lg. 
(Greenwich) reicht und dessen Spitze nördlich Lados 
auf dem 5° 30 n. Br. liegt: von Taufikio im 
Norden bis Kiro im Süden, von Meshra el Rek im 
Westen bis Nassr an der abessinischen Grenze im 
Osten. Unser Dampfer gebrauchte vier Tage und 
Nächte, um diese eintönige Gegend zu durchqueren. 
Die fahrbare Wasserstraße verengt sich bis auf 150 
bis 200 m. Rechts und links, so weit das Auge 
reicht, nichts als 4 bis 5 m hohes Papyrusschilf; 
dann und wann, wo etwas festere Bestandteile sich 
abgelagert haben, niedriges Buschgestrüpp; in der 
Ferne sieht man größere offene Wasserflächen. Kein 
Wild vermag hier Fuß zu fassen, nur Herden von 
Nilpferden und Krokodilen treiben ihr Unwesen. 
Ich zählte an einer Stelle 22 Hippopotamus um 
unser Schiff herum. Um so größer ist die Anzahl 
der mannigfaltigsten Wasservögel, unter denen be- 
sonders der prächtige Fischadler viel vertreten ist. 
An etwas trockeneren Stellen baut die Termiten- 
ameise ihre bis 3 m hohen Hügel, die, geebnet, den 
Negern des Nuerstammes bei niedrigem Nil zur 
Errichtung von Tukls dienen. 
Noch im Jahre 1900 war der Bahr el Jebel 
durch das Schilf, welches von den starken Stürmen 
losgerissen und in die offene Wasserrinne getrieben 
wird, für Dampfer unpassierbar, während der heute 
wieder versumpfte Bahr el Zeraf früher schiffbar 
war. Es hat mehrjähriger schwerer Arbeit bedurft, 
um die 14 verschiedenen „Blocks“ durch Händearbeit 
zu entfernen und so die Verbindung mit Gondokoro 
herzustellen. Noch heute arbeltet man an der Be- 
seitigung der 37 km langen Barre Nr. 15, die zwar
	        
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