Full text: Deutsches Kolonialblatt. XV. Jahrgang, 1904. (15)

lischen Wegebaumittel für die nächsten Jahre festge- 
legt. Die bisher gesammelten Erfahrungen recht- 
fertigen diese Maßregel und lassen hoffen, daß im 
nächsten Jahrzehnt ein Teil der bezeichneten Wege- 
strecken einen Zustand erreicht hat, der wenigstens 
während der Trockenzeit als fahrbar bezeichnet werden 
kann. Straßen aber, die länger als eine starke 
Regenperiode überdauern und auch während der 
nassen Monate fahrbar bleiben, sind unter 7000 bis 
10 000 Mk. pro Kilometer selten herzustellen, würden 
also ganz andere Aufwendungen bedingen, als bisher 
dem Schutzgebiet bewilligt sind. 
Bei meinen Besorechungen mit Unternehmern 
vermeide ich es überall, das Wort „fahrbar“ auf 
elnen Weg anzuwenden, auf dem noch kein regel- 
mäßiger Fahrverkehr in Wirklichkeit stattfindet. Dies 
ist aber nur von Daressalam aus in der Richtung 
auf Morogoro etwa 60 km weit sowie in der Um- 
gebung der größeren Küstenplätze und der Innen- 
stationen auf ganz geringen Strecken und im Zu- 
sammenhang mit dem städtischen Verkehr der Fall. 
Dlies schließt nicht aus, daß auch auf einem großen 
Teil der übrigen Wege zu gewissen Jahreszeiten 
auch einmal ein Wagen durchkommen wird. So hat 
die Truppe vor kurzem einen Wagen von Daressalam 
bis Tabora und von Tabora bis Muansa fahren 
lassen. Ein Unternehmer hat einen Wagen von 
Kllwa bis Ssongea benutzt, und in den Plantagen- 
gebieten von Tanga und Wilhelmstal befindet sich 
eine Reihe von Wegen, auf denen gelegentlich Fuhr- 
werk verkehrt. Allerdings darf nicht verschwiegen 
werden, daß bei den wenigen Fahrversuchen nach dem 
weiten Innern ein großer Teil der als Zugtiere 
benutzten Ochsen oder Esel an Krankheit einging und 
ersetzt oder gewechselt werden mußte, und daß ge- 
legentlich ganze Dorfschaften ausgeboten wurden, um 
den Wagen über eine schlimme Stelle hinwegzuheben. 
Wenn das aber ein Geschäftsmann machen muß, so ist 
sein „Fahren“ nicht rentabel; er wird dann mitgrößerem 
Vorteil den üblichen Karawanenträger verwenden. 
Bei Beurteilung der Fahrbarkelt eines Weges 
ist ferner zu berücksichtigen, ob die Erprobung durch 
ein leichtes Personenfuhrwerk oder einen schweren 
Lastwagen stattfand. Das erstere wird oft verwend- 
bar sein, wenn letzteres unfehlbar stecken bleibt. Es 
kommt ferner darauf an, wer fährt. Ein Bur mit 
einem im Fahren ausgebildeten Kaffer wird weite 
Strecken unserer Wege für seinen mit 18 Paar 
Ochsen bespannten Wagen als fahrbar ansehen, die 
für den deutschen Ansiedler oder Unternehmer, der 
die ihm aus der Heimat bekannten Fuhrwerke und 
die hiesigen in der Behandlung von Tieren unglaub- 
lich ungeschickten Neger verwendet, unpassierbare 
Hindernisse bilden. Die Ansiedler von Usambara 
erklären die von Mombo nach Wllhelmstal führende 
Straße für unfahrbar, während sie ein Ceylonese 
mit seinem kleinen zweiräderigen Karren und ein- 
geübten Fahrer wahrscheinlich für durchaus fahrbar 
halten würde. 
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Alle diese Erwägungen führen mich zu folgenden 
lüssen: 
a) Angesichts der enormen Niederschläge während 
der Regenzeiten und der Upplgkelt des Pflanzen- 
wachstums, das schon nach wenigen Monaten unbe- 
festigte Wege überwuchern läßt, dürfen Straßen, die 
dauernd fahrbar bleiben sollen, im allgemelnen nicht 
weniger fest gebaut werden als in Europa. Dies 
schließt nicht aus, daß streckenweise, besonders in 
Hochländern, eine einfachere Bauart den nächsten 
Bedürfnissen genügen wird. Die Verwendung von 
Technikern ist aber unerläßlich. 
b) Solange nicht ganz erhebliche Mittel flüssig 
gemacht werden können, wird das geschilderte schritt- 
welse Verfahren beibehalten werden müssen, aber auch 
erst im Lauf von Jahrzehnten zu Resultaten führen, 
die in größerem Maßstab Ersatz des Trägerverkehrs 
durch rentablen Fahrverkehr ermöglichen. 
Pc) In Deutsch-Ostafrika liegen die Verhältnisse 
für Einführung eines Fahrverkehrs mit Zugtieren 
besonders ungünstig. Die Eingeborenen sind völlig 
ungeübt und im Umgang mit Zugvieh anscheinend 
besonders ungeschickt. Die VBilehseuchen gefährden den 
finanziellen Erfolg eines Fahrunternehmens in hohem 
Grade und sind vorläufig ohne Erfolg bekämpft 
worden. Straßen, für deren Ausbau erhebliche 
Mittel vorhanden sind, sollten daher stets im Hinblick 
auf Verkehr mit Automobilen angelegt werden. 
d4) Von seiten der Behörde dürfen nur solche 
Strecken als „fahrbar“" bezeichnet werden, auf denen 
tatsächlich zu verschiedenen Jahreszeiten berelts ge- 
fahren worden ist. Dies ist heute der Fall: 
1. Auf kurzen, wenige Ktlometer betragende Wege- 
strecken von den meisten größeren Bezirksämtern 
und Militärstationen aus meist in der Richtung 
auf die Nachbarstationen zu. 
2. Von Moscht nach der britischen Grenze bezw. 
bis Voi an der Ugandabahn. 
3. Von Daressalam etwa bis zur Mafisifähre. 
4. Von Neu-Langenburg bis zum Niassasee. 
e)Außer den unter d bezeichneten sind noch 
zahlreiche andere Strecken in allen Bezirken vor- 
handen, auf denen in der günstigen Jahreszeit vor- 
aussichtlich gefahren werden kann. Ob ein Fahr- 
verkehr auf diesen Strecken sich billiger und rascher 
gestaltet als der Trägertransport, wud nicht nur 
von der mit der Jahreszelt stets wechselnden Be- 
schaffenheit des Weges, sondern auch von der Bauart 
des Fuhrwerks, der Geschicklichkeit der Fahrer und 
der Sachkenntuls des Unternehmers abhängen. 
Bericht des Oberleutnants v. Grawert (Gideon) über 
die Bereisung des Zezirks Mahenge vom J7. November 
bis z8. Dezember 1905. 
Am 17. November 1903 brach ich mit 12 As- 
karis und den nötigen Trägern von Mahenge auf 
und erreichte nach vierstündigem Marsche die Ortschaft
	        
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