Full text: Deutsches Kolonialblatt. XV. Jahrgang, 1904. (15)

wurde aus einem kleinen Wasserlauf geschöpft, der 
mit hohen schattenspendenden Bäumen eingefaßt war. 
Hier gesellten sich auch unsere drei Wanderobboführer 
zu uns. Ihre anfängliche Scheu wich sehr bald, als 
sie ihren alten Bekannten, den Halbaraber Hidi, der 
schon von Ikoma aus mit uns marschiert war, bei 
der großen Karawane sahen. Es waren schlanke, 
sehnige Gestalten, denen man auf den ersten Blick 
ihre Blutsverwandtschaft mit den Massais ansah. In 
früheren Jahren von den Massais ihrer Viehherden 
beraubt und aus ihren Weldeplätzen vertrieben, sind 
sie jetzt die bittersten Feinde der Massais geworden. 
Sie leben ausschließlich von der Jagd und essen 
lediglich Fleisch. Ihre Bekleidung und Ausrüstung 
besteht aus einem umgehängten Ziegenfell, Bogen und 
Köcher mit Pfeilen. Von letzteren führen sie ver- 
giftete und unverglstete, erstere mit einer eisernen 
mit Widerhaken versehenen Spitze, von verschledener 
Schwere, je nachdem sie auf Antilopen, Raubtiere 
oder Dickhäuter schießen, letztere mit einer stumpfen 
Holzspitze, hauptsächlich zum Schießen von Vögeln. 
In dem Koöcher führen sie außerdem noch ein Stück 
hartes Holz zum Feueranmachen. 
Die Nacht war beinahe kalt zu nennen, und da 
es nach Aussage der Wanderobbo keine Moskitos gab, 
konnte ich ohne Moskitonetz schlafen. 
Am nächsten Morgen um 4½ Uhr brachen wir 
noch bei hellem Mondschein auf. Hatte es früher 
niemals an vereinzelten Nachzüglern gefehlt, so war 
das jetzt anders. Dicht aufgeschlossen marschierte jetzt 
die lange Reihe der Träger und Boys, am Anfang 
und Ende der langen Kolonne marschierte eine Anzahl 
von Askaris; ganz vorn gingen die Wanderobbo, 
dann folgten wir Europäer mit unseren die Gewehre 
tragenden Boys. Die gute Marschordnung verdankten 
wir der von uns ergangenen Warnung: „Wer zurück- 
bleibt, wird von den Massais erschlagen.“ Ohne 
Weg und Steg ging es nun durch die Steppe. Die 
bereits am Abend zuvor von den Wanderobbo uns 
angegebene Marschrichtung war etwa O8O. Schnur- 
gerade wurde sie von den Wanderobbo innegehalten, 
ohne daß sich im Gelände irgendwie markante Punkte 
boten. Von Stunde zu Stunde verglich ich auf dem 
Kompaß die Marschrichtung mit der uns ursprünglich 
angegebenen, aber nicht die geringste Abweichung 
ergab sich. Dieses instinktive Festhalten an einer 
bestimmten Richtung ist geradezu bewunderungs- 
würdig und nur durch den ständigen Aufenthalt in 
der freien Natur und durch schärfste Beobachtung 
der Sonne möglich. 
Das Land trägt ausgesprochenen Steppencharakter, 
fast durchweg ist es mit kurzem Gras, verkümmerten 
Sträuchern, Dornbusch und vereinzelten Bäumen, 
zumeist Akazienarten, bedeckt. Nirgends bietet sich 
ein Ruhepunkt für dan Auge. Schon bald nach 
Sonnenaufgang kam Leben in die Natur. Teils 
einzeln, teils in Rudeln zeigten sich Thomson= und 
Grantgazellen, Hartebeeste, Leierantilopen und Zebras, 
auch vereinzelte Strauße waren sichtbar Merkwür- 
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digerweise zeigte sich das Wild wenig vertraut, ein 
Zelchen, daß die Wanderobbo kurz vorher hier ge- 
jagt hatten. Um so schwieriger wurde jetzt für uns 
die Jagd. Durchschnittlich schon auf 250 bis 800 m 
Entfernung mußte man seine Kugel anbringen, weil 
fast nirgends Deckung vorhanden war, und das 
Kriechen in dem spitzen und kurzen Gras und in den 
mit fingerlangen Dornen gespickten Büschen auch 
nicht zu den Annehmlichkeiten gehörte. Dazu kommt 
ferner, daß die meisten Antilopenarten ungemein hart 
gegen Treffer sind. Ich habe mehr wie einmal 
Thomson-Antilopen, die etwa die Größe eines Reh- 
bockes haben, erst nach dem dritten oder vierten Schuß 
zusammenbrechen sehen, trotzdem sämtliche Schüsse im 
Hals und auf dem Blatt saßen. Auf Leierantilopen 
mit dem Gewehr 88 zu schießen, kann man beinahe 
al- Patronenverschwendung bezeichnen. Zehn und 
mehr Treffer find oft notwendig, um ein Exemplar 
dieser Gattung zur Strecke zu bringen. Kurz er. 
wähnen möchte ich bei dieser Gelegenheit, daß die 
Schädiger der Jagd in der Kolonie nur die Einge- 
borenen sind. Sie haben die Zeit dazu, dem Wild 
an den Wasserstellen und ständigen Wechseln aufzu- 
lauern und dasselbe ohne Unterschied von Alter und 
Geschlecht zu morden. Irgend ein Interesse an der 
Erhaltung des Wildstandes haben sie nicht. Ihr 
ganzes Bestreben geht nur dahin, möglichst viel Flelsch 
zu bekommen, von dem sie allerdings unglaubliche 
Mengen vertilgen können. Der einzelne Europäer 
schädigt die Jagd kaum, er hat in den meisten Fällen 
gar nicht die Zeit dazu. Zieht er als Reisender 
durch das Land, so wird er sich in der Regel darauf 
beschränken, nur wenig abseits vom Wege zu jagen, 
und hält er sich längere Zeit an einer wildreichen 
Stelle auf, so wandert das Wild weiter, und in 
der unmittelbaren Nähe der im Innern gelegenen 
Militärstationen gibt es in den seltensten Fällen 
Wild. Will man den Wildbestand in der Kolonle 
erhalten, so muß man dem Eingeborenen gründlich 
auf die Finger sehen. Selbst wenn ein einzelner 
Europäer einmal mehr schießt, als viellelcht gerade 
notwendig ist, so macht das bei der Menge des 
vorhandenen Wildes nicht viel aus, während die 
Eingeborenen große Kesseltreiben veranstalten und 
rücksichtslos morden. Erwähnen möchte ich ferner, 
daß die Jagd in Afrika nicht immer eine Erholung 
ist in dem Sinne wie zu Hause. Wer da glaubt, 
daß man sich nur die Büchse umzuhängen braucht, 
um nach einem kurzen Spazlergang durch den Busch 
schwerbeladen mit Beute heimzukehren, der irrt sich 
gewaltig. Auch die Menge des vorhandenen Wildes 
erleichtert das Treffen doch nur bedingungsweise, 
denn man muß durchweg auf größere Entfernungen 
schießen wie zu Hause. Der schlechte Schütze wird 
auch hier ohne Jagdbeute ins Lager zurückkehren, 
selbst wenn er Herden von Wild zu Gesicht bekommen 
hat. Auch die sengende Hitze in den Steppen trägt 
nicht gerade zur Erholung bei. Aber ein Vergnügen 
ist die Jagd für den Jäger trotzdem.
	        
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