Full text: Deutsches Kolonialblatt. XV. Jahrgang, 1904. (15)

Verhältnissen vertraute John Booth, Ssongea, aus- 
ersehen. Ihm ist als erste Aufgabe gestellt, die 
Interessengebiete der vorhandenen und geplanten 
Eisenbahnen und des schiffbaren Rufidji durch Stämme 
aus volkreichen inneren Gebieten der Kolonie mehr 
als bisher zu besiedeln, um einen größeren Arbeiter- 
stamm zu schaffen für Elsenbahnbau und Baumwoll-= 
kulturen. Durch die Einrichtung ständiger Kommissare 
des Komitees erhalten die volkswirtschaftlichen In- 
teressentenkreise des Mutterlandes eine dauernde Ver- 
tretung an Ort und Stelle in den Kolonien. 
  
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Titeratur. 
Caput Nili. Eine empfindsame Reise zu den 
Quellen des Nils von Dr. Richard Kandt. Mit 
12 Lichtdrucktafeln und 1 Karte. Berlin 1904. 
Verlag von Dietrich Reimer (Ernst Vohsen). 
Preis geb. 8,— Mk. 
Die Frage der Nilquellen hat erst durch die 
Reisen Dr. Kandts ihren Abschluß gefunden. Seit- 
dem Speke durch sein bekanntes Telegramm: „The 
Nile is settled" die Frage insofern gelöst hatte, 
als er im Victoria Niansa das Quellbassin des 
Niles fand, handelt es sich daran anschließend noch 
darum, ob in diesen See ein Strom von einer 
solchen Mächtigkeit münde, daß der im Norden ab- 
fließende Nil gewissermaßen als seine Fortsetzung 
angesehen werden könne. Hierbel kam nur ein Fluß, 
der Kagera, in Betracht. Seine Mündung in den 
See nördlich der Statlon Bukoba macht zwar im 
ersten Augenblick nicht den Eindruck, als ob es sich 
ier um einen bedeutenden Strom handele; sie ist 
verhältnismäßig schmal und hat eine vorgelagerte 
Barre, die im Jahre 1897 nur 0,5 m Tiefe auf- 
wies. Verfolgt man aber den Kagera aufwärts und 
sieht man, wie er immer breiter und tiefer wird, 
wie er sich schließlich zu einer Kette großer Seen 
und Papyrussümpfe erweitert, so kann man sich des 
Gedankens nicht erwehren, daß es sich hier doch um 
ein derartiges Stromgebiet handelt, das selbst im 
Verhältnis zu der riesigen Wasserfläche des Victoria. 
Niansa eine Rolle spielt und das unzweifelhaft als 
Quellgebiet des Niles zu betrachten ist. Der Kagera 
selbst entsteht aus drei Flüssen, dem Akanjaru, Ruwuwn. 
und Niawarongo, und welcher von diesen drelen als 
eigentlicher Quellfluß zu betrachten ist, konnte nur 
eine genaue Erforschung aller drei in bezug aus 
Breite und Tiefe, also auf die dem Kagera zuge- 
führten Wassermengen, entscheiden. Dr. Kandt hat 
diese Aufgabe gelöst; er erforschte sic alle drei ihrer 
ganzen Länge nach bis in die kleinsten Quellbäche, 
er prüfte die ihnen zugeführten Nebenflüsse, er maß 
ihre Wassermengen bei ihrer Vereinigung, und auf 
die so gewonnenen unanfechtbaren Tatsachen gestützt, 
kam er zu dem Resultat, daß der Niawarongo als 
eigentlicher Quellfluß anzusehen sei. Diesem auf- 
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wärts folgend und bei dessen Quellbächen wieder 
jeden einzelnen auf die mitgeführte Wassermasse 
prüfend, sehen wir dann, wie der unermüdliche 
Forscher endlich im August 1898 die Früchte seiner 
Anstrengungen erntet, als er sich durch dichten Ur- 
wald zum Ursprung des letzten Quellbaches durch- 
arbeitet. Nur so, durch kritische Sichtung aller hier- 
bei in Frage kommenden Faktoren war das Problem 
zu lösen, und Dr. Kandt, ihm ganz allein, ist das 
Verdienst zuzuschreiben, den letzten Schleier von dem 
Geheimnis des Caput Nili weggezogen zu haben. 
Damit fallen auch alle früheren Behauptungen von 
Reisenden, welche irgend einen anderen Quellfluß des 
Kagera entdeckten und diesen, ohne die anderen zu 
kennen, als Nilquelle bezeichneten, in sich zusammen. 
Fünf Jahre lang in emsiger, wissenschaftlicher 
Tätigkeit hat Dr. Kandt in Ostafrika zugebracht. 
Mit minimalen Mitteln, ohne militärische Bedeckung, 
hat er unbekannte und bis dahin für unzugänglich 
— wenigstens für eine so kleine Karawane für un- 
zugänglich — gehaltene Gebiete erforscht und er- 
schlossen. Anstrengende kühne Reisen wechselten mit 
stiller Gelehrtentätigkeit in „Bergfrieden“, der Station, 
die er sich am Südende des Kiwusees geschaffen. 
Dr. Kandt hat wohl daran getan, seine Kräfte nicht 
zu zersplittern, sondern sie, abgesehen von umfassenden 
kartographischen Arbeiten, auf das Studium Ruandas 
zu konzentrieren, jenes so reich gesegneten, noch vor 
wenigen Jahren unbekannten und überaus inte- 
ressanten Landes, in dem die sagenumwobenen 
Watussi, an Kopfzahl nur 2 bis 3 pCt. der Bevölke- 
rung ausmachend, ein Volk von 1½/ Millionen Ein- 
wohnern beherrschen. Die Monographie dieses wert- 
vollsten Landes Deutsch-Ostafrikas, aus dem er eine 
mustergültige ethnographische Sammlung mitbrachte 
und dem hiesigen Museum für Völkerkunde überwies, 
sowie die außerordentlich wertvollen Resultate der 
Forschungen über Faung und Flora des Kiwusee- 
gebietes, über Linguistik und vieles andere, Fund- 
gruben für Ethnographen und Ethnologen und zu den 
kühnsten Spekulationen betreffs der Herkunft der 
Watussi (Wahuma, Wahima) anregend, werden dem- 
nächst in streng wissenschaftlicher Form veröffentlicht 
werden. 
Im Herbst 1902 nach Europa zurückgekehrt, hat 
Dr. Kandt zunächst seine umfassenden kartographlschen 
Resultate bearbeitet und sich dann der Ausarbeitung 
des ersten, jetzt vorliegenden Teils seines Werkes 
gewidmet, der, in belletristischer Form abgefaßt, nicht 
eine trockene, chronologisch geordnete Reisebeschreibung 
darstellt, sondern, wie schon der Titel besogt, dem 
Leser eine Reihe von Stimmungsbildern vorführt, 
wie sie, speziell was Landschaftsbilder anbetrifft, 
melsterhafter wohl kaum in der Flut der kolonialen 
L#teratur anzutreffen sind. Die gigantische Natur 
der Vulkanmassive, die Wunder des Urwalds und 
die Lieblichkeit der Inselwelt im Kiwusee lassen es 
verstehen, wenn dem Verfasser beim Arblick dieser 
erhabenen Natur, die ihm nach dem Bezwingen nie
	        
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