Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVI. Jahrgang, 1905. (16)

und betraten dann die weilerartigen, in kleinen Kom- 
plexen zerstreut liegenden Gehöfte von Makedarua, 
durch die der Weg sehr bald nach dem großen 
Malo führte. 
Mala ist die mir bekannte größte umwallte 
Musgum-Stadt, und ich habe auch von einer anderen 
größeren nichts in Erfahrung bringen können. Wäh- 
rend die Expedition selbst vor den Toren der Stadt 
hielt, ritt ich mit meinen Reitern durch ihre Straßen, 
die genau dasselbe Bild boten wie Musgum, eng, 
winkelig, für Vieh und Menschen gleich schwierig zu 
passieren, mit nur wenig größeren Plätzen, den üb- 
lichen grünen Tabakpflanzungen und überall auch mit 
dem Bild gewisser Behaglichkeit und Wohlhabenheit. 
Zwängte man sich durch die Hütten durch, so erkannte 
man, daß immer etwa 8 bis 12 Hütten in einem 
Halbkreise gebaut waren, dessen Inneres einen kleinen 
mit Hausgerät, Vieh, Kindern und Hunden ange- 
füllten Hofraum umschloß. Die Einwohner zogen 
sich scheu in ihre Hütten zurück oder hockten still- 
schwelgend um die sie in der Morgenfrische wärmen- 
den Feuer. Der Häuptling von Mala erschien sehr 
bald mit in der Eile zusammengerafften Hühnern 
und Eiern und lud uns dringend zum Blelben ein, 
wohl wissend, daß wir beabsichtigten, unsern Weg 
welter fortzusetzen. 
Von Mala ging es dann immer dicht am Logone 
entlang durch Katana, Keikei nach Tsuleki. 
Der Anblick, der sich auf diesem Wege bot, ist 
der eigenartigste, den ich im ganzen Schutzgebiet ge- 
sehen habe. In der Mitte floß der breite, mächtige 
Logone dahin und zu beiden Seiten dehnten sich in 
nicht abzusehender Entfernung ein Weiler jener sauber 
gebauten Musgumhütten nach dem andern unter 
herrlichen Delebpalmen aus. Sowelt man blicken 
konnte — das Land ist völlig flach und der Rund- 
blick weit — Haus an Haus, Gehöft an Gehöft; 
dozwischen bestellte Felder, umgegraben und zum teil 
mit Düngung versehen, unterbrochen nur durch die 
grünen sich eng an die Gehöfte anschließenden Tabak- 
pflanzungen. Und dieser Anblick nicht nur auf 
Stunden, sondern auf Tage, ja auf Wochen hindurch, 
wobei allerdings die Bauart der Hütten infolge der 
Bodenverhältnisse wechselte. Meine flüchtig ausge- 
führte Konstruktion der Route kann nur oberflächlich 
ein Bild dieser gewaltigen Besiedlung geben, wobei 
ich noch anführen muß, daß die dort verzeichneten 
Hüttenkomplexe nur die sichtbare Flächenausdehnung 
der einzelnen Landschaften angeben, wie sie sich dem 
Auge boten: sicherlich ist ihre tatsächliche Ausdehnung 
noch weit größer und unserem Auge durch Boden- 
wellen und andere Hüttenkomplexe entzogen gewesen. 
Wie viele Tausende von Menschen sich hler angebaut 
haben, läßt sich so oberflächlich gar nicht toxieren, 
jedenfalls ist hier noch ein Menschenbestand vorge- 
sunden, der zu den weitaus reichsten im ganzen 
Schutzgebiet gehört, und dessen Erhaltung gegen 
innere und äußere Feinde unser elfrigstes Bestreben 
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sein muß; dabel Menschen, die nicht unter dürftigen 
Verhältnissen leben, sondern deren Viehzucht, Pferde- 
zucht und mustergültige Bestellung eines reichen Bodens 
ihnen die angenehmsten Lebensbedingungen sichern. 
Dieses herrliche Landschaftsbild, in der frischen 
Morgentemperatur betrachtet, hatte durch unser 
Kommen eine eigenartige Belebung erhalten. Unser 
Eintreffen in Musgum hatte man am gestrigen Tage 
gehört, aber unser Vordringen weiter südwärts uns 
wohl nicht zugemutet; denn etwa bis auf 1 km 
Entfernung vor uns begann nun eine wilde Flucht 
nach beiden Seiten hin. Viehherden, groß und 
zahlreich, wurden durch Relter im Galopp abgetrieben, 
während blökende Schafe nur langsam vorwärts 
kamen bezw. als wertlos gänzlich ihrem Schicksal 
überlassen wurden; dazwischen ein breiter Strom von 
Menschen zu Pferde und zu Fuß, auf Ochsen oder 
Eseln, beladen mit dem wertvollsten Hausgerät und 
gefolgt von einer großen Schar schreiender Kinder. 
Dieses Bild nahm kein Ende; denn dort sorgt nie- 
mand für den andern, benachrichtigt Niemand den 
andern, sondern Jeder ist nur für sein Hell bedacht, 
von dem Grundsatze ausgehend, daß die üble Lage 
des Nachbarn nur zur Hebung des eigenen Loses 
beitragen kann. So schob sich in gleicher Weise, 
wie wir vorrückten, auch die Breite des Menschen- 
schwarms, allerdings im rechten Winkel zu uns 
fliehend, vor uns her. Und wenn man rückwärts 
blickte, sah man schon wleder hinter sich diese Men- 
schenmassen zurückfluten, die sich sicherlich höchst ver- 
wunderten und auch wohl bedauerten, daß wir den 
lieben Nachbar nicht doch noch mitgenommen hatten, 
bessen zurückgebliebenes Hab und Gut sie sich dann 
sofort angeeignet hätten. Dazwischen traf man dann 
wieder seeartige Überflutungstümpel an, in denen 
große Herden von Flußpferden weideten und nur 
langsam dem sich vorwärts wälzenden Menschenstrom 
wichen. Nur hochbetagte Leute oder Kranke waren 
an einzelnen Stellen zurückgeblleben. 
Da wir mittlerweile durch das dicht bewohnte 
Katana und Keikei hindurchgezogen waren und das 
jetzt beginnende Tsulek mir als eine äußerst große 
und stark besiedelte Landschaft erschien, die noch 
größeren Puss= und Warel-Ortschaften am linken 
Ufer des Logone aber auch gänzlich unberührt von 
uns hinter uns geblieben waren, so beschloß ich, in 
Tsulek zu bleiben, um hier mit den Eingeborenen 
in Verbindung zu treten. 
Ein ausgedehnter Halbkreis von Wellern, dessen 
offene Seite der Logone bildete, wurde in Tsulek 
als Lager ausgesucht und die einzelnen Gehöfte den 
verschiedenen Abteilungen, wie Soldaten, Trägern, 
Pferden usw., zugewiesen. Angenehm und bezeichnend 
für die Wohlhabenheit jener Gegend war, daß so 
ein einzelnes Gehöft auch der größten Abtellung bei 
nicht zu langem Aufenthalt stets Korn zur Verpfle- 
gung in Fülle bot, so daß zu Fouragierungen an 
anderen Stellen niemals geschritten zu werden brauchte.
	        
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