der jedem Klagenden auf die Schulter klopfte und
sagte: „Sei ruhig und weine nicht so sehr!“ Hier-
auf goß er jedem einzelnen eine halbe Schale voll kalten
Wassers auf den Kopf, worauf diese sofort zu weinen
aufhörten. Nur der Alte unter dem Bette und die
Weiber heulten noch fort, bis auch sie sich etwas
später am gemeinsamen Mahle erfrischten. Acht
Tage lang müssen Vater und Mutter oder sonstige
Verwandte mehrmals des Tages und auch bei der
Nacht die Klage noch fortsetzen.
Im Maiheft der Zeitschrift: „Die evangellschen
Missionen“ finden wir in einem Bericht der Rhei-
nischen Mission aus Deutsch-Neu-Guinea folgende
Angaben über den Geheimkult der Papuos:
Das Wort „Sünde“ existiert überhoupt nicht
in ihrem Lexikon. Auch ein notorischer Lügner, ein
Dieb und Ehebrecher kann mit dem Brustton der
berzeugung sogen, daß er ein tamol bilen, ein
tamol non (ein guter, gerechter Mann) sei. Viel
leichter ist damit der Glaube an Zauberei und böse
Geister vereinbar, der alles im Leben der Papua
beherrscht, das Kleinste und das Größte, von der
Wiege bis zum Grabe. Dieser Zauberel= und
Geisterglaube hält die Sinne der Leute wie in einem
eisernen Schraubstock gefangen.
Solches Heidentum hat sich nun noch eine be-
sondere Schutzmauer geschaffen, man möchte sie fast
eine straffe Organtsation nennen, um die Seinen zu-
ammenzuhalten und zu fanatisieren. Das ist der
og. Geheimkult, der um so wirksamer seine Zwecke
erfüllt, weil er, obwohl er auf lächerlichen Lügen
aufgebaut ist, und obwohl die Emgeweihten selber
manchmal über den Schwindel lächeln mögen, wie
welland ihre Kollegen im alten Rom, die Haru-
Fices, eben Geheimkult ist. Es ist ein wahres
Monstrum, dem dieser Kult gilt, ein Ungeheuer, auf
den verschiedenen Stationen Ai, Asa, Barak, Messiab
genannt, das ihnen erst, ihrer Sage zusolge, die
elder verwüstete; dann aber, nachdem sie es ge-
angen hatten, die Kinder auffraß. Jetzt wird es
auf den von Zeit zu Zeit gefeierten Festen durch
große Schmausereien geselert, aber nur von seiten
er eingeweihten Männer. Vor Frauen und
ndern wird dos Mysterium ängstlich gehütet; ja
ie werden zu glauben gezwungen, daß der Asa
selbn alle die ihm dargebrochten Schweine, Kokos-
Olee,„ Taro und andere Dinge verzehre. Mit diesem
eheimkult beherrschen die Männer das ganze Volk
sad sein Leben, auf diesen Festen berauschen sie sich
nüest. Der Geheimkult ist das stärkste Bollwerk
arses zähen Konservatismus, des Wandels nach
Sterllcher Weise.
331 —
Aus fremden Holonien und
Produkltivnsgebieten.
Britisch · Aord· Aigeria im Jabre 7903.
(Englischer Parlamentsbericht für 1908).*)
Abgesehen von Bassa (im Süden), wo Kapitän
O'Riordan und ein Polizeloffizier nebst 37 von
93 Mann einem Angriff der Negerstämme in den
Dschungeln erlegen sind, und erst 1904 Remedur
eingetreten ist, hat die Protektoratsregierung die
Durchführung der britischen Verwaltungshoheit im
ganzen Lande mit dem Jahre 1908 zur Vollendung.
gebracht.
Im Gefecht vom 19. März 1903 ist die Macht
der Sultane von Sokoto und Kano gebrochen
worden. Ihre Städte sind genommen, sie selbst
vertrieben worden. Domit ist in die westlichen
Provinzen Ruhe und Ordnung zurückgekehrt. Der
Kampf der Haussa, Argungu und Fullah unter-
einander und des letzteren Stammes gegen die Eng-
länder hat ausfgehört. Die Fullah-Häuptlige haben
sich unterworfen, die Gewehre werden ausgeliefert.
Der Exsultan von Sokoto ist nach dem Osten
gezogen. Die Verlündigung eines Pilgerzuges nach
Mekka und eines neuen Mahdi in Adamaua hat
dem Sultan einen Anhang von entlaufenen Sklaven,
Räubern usw. sowie die Unterstützung des fanatischen
Tejani-Stammes am Gongola-Fluß verschafft. Am
27. Juli 1903 ist er aber in jener Gegend — bei
Burmi — nebst einer Menge seiner Leute im Ge-
fecht mit der Schutztruppe gefallen. Darauf ist auch
in der Provinz Bornu Ruhe eingezogen.
Der Bericht hebt hervor, daß der mangelhafte
Nachrichtendienst und die durch die Größe des Be-
zirks hervorgerusenen Verkehrsschwierigkeiten das
Ausbrechen solcher Ausstände, bei denen an den
religiösen Fanatismus appelliert wird, sehr erleichtern.
Selt 1900 sind allein im Protektorat vier Mahdis.
erstanden.
Nach Beendigung der Streitigkelten sind die
Flüchtlinge in die Ortschaften überall zurückgekehrt,
die seit Jahren wüstliegenden Flecken werden auf-
gebaut, die verschanzten Städte öffnen sich dem
Handel, weite ous Furcht vor der Zerstörung bis-
her unbebaute fruchtbare Landstriche werden beackert,
die Söldner in Sokoto werden zum Landbau ange-
halten, neue Ansiedlungen enistehen und der Handel
blüht wieder auf.
Infolge dieser Beruhigung im Lande haben die
Regulierungsarbeiten der deutsch-englischen Grenz-
kommission im Osten von Jola nach dem Tschadsee
und der britisch-französischen Kommission an der
Nordgrenze bis zum Tschadsee ohne Störungen fork-
geführt werden können.
Die Erforschung des Protektorats im Innern
hot ergeben, daß der Gongola in einer Länge von
* der Karte und Berichte für 1900, 1901 f.
D. 1 r 1902 S. 274 S. 6, 153, 624.