Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

gali heran und benutzte den aus dessen längerem 
Anmarsch sich für mich ergebenden Zeitũberschuß, 
mit dem Sergeanten Mellenthin die unlängst unter- 
worfenen Toro-Heiden zu besuchen und die Verhält- 
nisse längs der englischen Grenze kennen zu lernen. 
Den Assistenzarzt Dr. Pistner ließ ich behufs 
Weitergabe der von. Oberleutnant Schipper ein- 
gehenden Nachrichten an dem Hauptweg nach Mada- 
gali mit dem Auftrag, etappenweise vorgehend, den 
Eingeborenen seine ärztliche Hilfe angedelhen zu 
lassen, zu impfen, soweit der Lymphvorrat reiche, 
und sich über die einheimische Heilkunde nach Mög- 
lichkeit zu unterrichten. 
Wie berechtigt und groß die Furcht und Gefahr 
der Heiden ist, einzeln in der Ebene von den Fullas 
und Haussas angefallen und ausgeraubt zu werden, 
zeigte der Besuch bei den Toros, deren Arnado 
einen Ausweis der Regierung besitzt, gleichwohl aber 
nicht wagt, den nur zwei Tagemärsche welten Weg 
nach Garua zu machen. Die allen Fulla-Herrschaften, 
vornehmlich den kleinen, eigentümliche gegenseitige 
Eifersucht und Mißgunst schweigt, wenn es gilt, der- 
gleichen Ubergriffe gegen die Heiden zu verheim- 
lichen. Während sie so mit der einen Hand ihren 
verbotenen Raub vor der Regierung verbergen, 
betteln sie mit der anderen um deren Hilfe gegen 
die Beraubten, denen gegenüber sie ihrer gänzlichen 
Ohnmacht sich vollkommen bewußt sind. Mit be- 
schämender Frelmütigkeit geben sie zu, daß nur die 
Anwesenhelt des Weißen sie jetzt vor dem Los be- 
wahre, das fie vor Dezennien den nunmehr erstarkten 
Heiden bereitet haben. Mit dlesem Eingeständnis 
und elnigen inbrünstigen Allahrufen mehr glauben 
sie aber auch das ihre getan zu haben, das Weitere 
vom Unsichtbaren und den Weißen erhoffend. 
Eine rühmliche Ausnahme hiervon machen 
Demssa und Diumo und, wie die spätere Berelsung 
ergob, allen voran Madagali. Die übrigen als 
selbständig anerkannten Existenzen längs und seit- 
lich des Madagallweges stehen der zunehmenden 
Emanzipation der zugehörigen Heidenstämme ebenso 
ohnmächtig gegenüber wie der Selbstherrlichleit ihrer 
Fullagroßen. Ob der nach dem Tode Jobdis neu 
eingesetzte Lamido Sanda von Mubl, dem be- 
deutendsten Marktplatze an diesem Teil der eng- 
lischen Grenze, die an sein ruhiges und bestimmtes 
Auftreten sich knüpfenden Hoffnungen rechtfertigen 
wird, muß abgewartet werden. 
Für die Residentur ergibt sich aus vorstehenden 
Betrachtungen nach meiner Auffassung die doppelte 
Aufgabe: 
1. mit den Heidenstämmen dlrekt in Verbindung 
zu treten; 
2. durch den Tod erledigte kleinere Fulla-Herr- 
schaften, wo irgend angängig, bei der Neubesetzung 
größeren Herrschaften anzugliedenn. 
Die bisherige Rücksicht, solche Kleinexistenzen 
gegebenenfalls gegen Widersetzlichkeiten der großen 
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Lamidate auszuspielen, können wir fallen lassen, so- 
bald bei den Heiden fester Fuß gefaßt ist. « 
Dleser Überlegung entsprang meine Absicht, nur 
die frechsten der eingangs erwähnten Räuber, die 
Betenjis, empfindlich zu treffen und unter dem Ein- 
druck dieser Züchtigung mit den übrigen ohne Kampf 
in Verbindung zu treten. Ich beorderte zu diesem 
Zweck auch noch das 6 cm-Geschütz aus Garua nach 
Meiha, woselbst Sergeant Mellenthin mit sechs Mann 
und dem Maschinengewehr verblieb, während ich zu 
meiner Ortentierung über das Gelände nach Mubi 
weiterrücken und dort mich mit dem Oberleutnant 
Schipper vereinigen wollte. 
2. Gefechte gegen die Pakas, Betenjis und 
Ngulis. 25. November bis 4. Dezember 1905. 
Mein Plan wurde vereitelt, als ich, am 25. No- 
vember 1905 an den Betenji-Höhen entlang mar- 
schierend, unterhalb des ersten Paka-Ortes eine Rast 
machte und der Arnado desselben auf meinen Ruf 
sofort und scheinbar ohne jedes Bedenken erschien. 
Er siellte jegliche Betelligung an den ihm zur Last 
gelegten Räubereien entschieden in Abrede und wußte 
mich durch sein Auftreten von seiner Unschuld derart 
zu überzeugen, daß ich Lager in dem Orte bezog. 
Er brachte Verpflegung; etwa zwei Dutzend Männer 
und eine steinalte Frau waren anwesend, alles andere 
in die Berge entwichen, was indes bei den Heiden 
weiter nicht wundernimmt. Um so erstaunter war 
ich, als am nächsten Morgen einige der geplünderten 
Haussahändler erschienen, und der Arnado, der auch 
jetzt noch die Betenjis als die Schuldigen bezeichnete, 
nicht in Abrede stellen konnte, daß die Räuber mit 
der Beute in seinem Orte verschwunden waren, er 
sich auch erboten hatte, das geraubte Haussaweib 
und die Waren herbeizubringen, wenn ihm eine 
Milchkuh dafür bezahlt werde. Nunmehr befahl ich 
ihm, Welb und Waren zur Stelle zu schaffen, für 
seine Lügen 100 Schafe und 200 Lasten Korn zu 
zahlen und 50 Gelseln so lange zu stellen, bis diese 
Forderungen erfüllt seien. Er versprach dies, ver- 
schwand und blieb verschwunden; statt dessen brachte 
man mir um ½11 Uhr einen beim Wasserholen 
angeschossenen Träger. So war ich mit diesem 
stärlsten der drei Stämme — ich schätze die Pakas 
auf 3000 bis 8500 Köpfe — ganz gegen meine 
Absicht in Konflikt geraten. Mit meinen 14 Mann 
konnte ich einen entscheidenden Schlag nicht führen, 
zumal besonderer Widerstand nicht geleistet wurde. 
Die Paka-Höhe konnte unschwer vom Feinde, der an- 
fangs von den Felsen in das Lager zu schießen ver- 
suchte, gesäubert werden; die mit großen Vorräten 
an Korn ausgestatteten Paka-Orte sperrte ich außer- 
dem nachts durch Patrouillengang und beschränkte 
mich im übrigen darauf, ein Ausweichen des Gegners 
bis zum Eintreffen des Oberleutnants Schipper (am 
1. Dezember) durch nördlich ausholende Patrouillen 
in dieser Richtung zu verhindern, da ich nach dem 
schwachen Widerstand der Pakas befürchten mußte,
	        
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