gali heran und benutzte den aus dessen längerem
Anmarsch sich für mich ergebenden Zeitũberschuß,
mit dem Sergeanten Mellenthin die unlängst unter-
worfenen Toro-Heiden zu besuchen und die Verhält-
nisse längs der englischen Grenze kennen zu lernen.
Den Assistenzarzt Dr. Pistner ließ ich behufs
Weitergabe der von. Oberleutnant Schipper ein-
gehenden Nachrichten an dem Hauptweg nach Mada-
gali mit dem Auftrag, etappenweise vorgehend, den
Eingeborenen seine ärztliche Hilfe angedelhen zu
lassen, zu impfen, soweit der Lymphvorrat reiche,
und sich über die einheimische Heilkunde nach Mög-
lichkeit zu unterrichten.
Wie berechtigt und groß die Furcht und Gefahr
der Heiden ist, einzeln in der Ebene von den Fullas
und Haussas angefallen und ausgeraubt zu werden,
zeigte der Besuch bei den Toros, deren Arnado
einen Ausweis der Regierung besitzt, gleichwohl aber
nicht wagt, den nur zwei Tagemärsche welten Weg
nach Garua zu machen. Die allen Fulla-Herrschaften,
vornehmlich den kleinen, eigentümliche gegenseitige
Eifersucht und Mißgunst schweigt, wenn es gilt, der-
gleichen Ubergriffe gegen die Heiden zu verheim-
lichen. Während sie so mit der einen Hand ihren
verbotenen Raub vor der Regierung verbergen,
betteln sie mit der anderen um deren Hilfe gegen
die Beraubten, denen gegenüber sie ihrer gänzlichen
Ohnmacht sich vollkommen bewußt sind. Mit be-
schämender Frelmütigkeit geben sie zu, daß nur die
Anwesenhelt des Weißen sie jetzt vor dem Los be-
wahre, das fie vor Dezennien den nunmehr erstarkten
Heiden bereitet haben. Mit dlesem Eingeständnis
und elnigen inbrünstigen Allahrufen mehr glauben
sie aber auch das ihre getan zu haben, das Weitere
vom Unsichtbaren und den Weißen erhoffend.
Eine rühmliche Ausnahme hiervon machen
Demssa und Diumo und, wie die spätere Berelsung
ergob, allen voran Madagali. Die übrigen als
selbständig anerkannten Existenzen längs und seit-
lich des Madagallweges stehen der zunehmenden
Emanzipation der zugehörigen Heidenstämme ebenso
ohnmächtig gegenüber wie der Selbstherrlichleit ihrer
Fullagroßen. Ob der nach dem Tode Jobdis neu
eingesetzte Lamido Sanda von Mubl, dem be-
deutendsten Marktplatze an diesem Teil der eng-
lischen Grenze, die an sein ruhiges und bestimmtes
Auftreten sich knüpfenden Hoffnungen rechtfertigen
wird, muß abgewartet werden.
Für die Residentur ergibt sich aus vorstehenden
Betrachtungen nach meiner Auffassung die doppelte
Aufgabe:
1. mit den Heidenstämmen dlrekt in Verbindung
zu treten;
2. durch den Tod erledigte kleinere Fulla-Herr-
schaften, wo irgend angängig, bei der Neubesetzung
größeren Herrschaften anzugliedenn.
Die bisherige Rücksicht, solche Kleinexistenzen
gegebenenfalls gegen Widersetzlichkeiten der großen
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Lamidate auszuspielen, können wir fallen lassen, so-
bald bei den Heiden fester Fuß gefaßt ist. «
Dleser Überlegung entsprang meine Absicht, nur
die frechsten der eingangs erwähnten Räuber, die
Betenjis, empfindlich zu treffen und unter dem Ein-
druck dieser Züchtigung mit den übrigen ohne Kampf
in Verbindung zu treten. Ich beorderte zu diesem
Zweck auch noch das 6 cm-Geschütz aus Garua nach
Meiha, woselbst Sergeant Mellenthin mit sechs Mann
und dem Maschinengewehr verblieb, während ich zu
meiner Ortentierung über das Gelände nach Mubi
weiterrücken und dort mich mit dem Oberleutnant
Schipper vereinigen wollte.
2. Gefechte gegen die Pakas, Betenjis und
Ngulis. 25. November bis 4. Dezember 1905.
Mein Plan wurde vereitelt, als ich, am 25. No-
vember 1905 an den Betenji-Höhen entlang mar-
schierend, unterhalb des ersten Paka-Ortes eine Rast
machte und der Arnado desselben auf meinen Ruf
sofort und scheinbar ohne jedes Bedenken erschien.
Er siellte jegliche Betelligung an den ihm zur Last
gelegten Räubereien entschieden in Abrede und wußte
mich durch sein Auftreten von seiner Unschuld derart
zu überzeugen, daß ich Lager in dem Orte bezog.
Er brachte Verpflegung; etwa zwei Dutzend Männer
und eine steinalte Frau waren anwesend, alles andere
in die Berge entwichen, was indes bei den Heiden
weiter nicht wundernimmt. Um so erstaunter war
ich, als am nächsten Morgen einige der geplünderten
Haussahändler erschienen, und der Arnado, der auch
jetzt noch die Betenjis als die Schuldigen bezeichnete,
nicht in Abrede stellen konnte, daß die Räuber mit
der Beute in seinem Orte verschwunden waren, er
sich auch erboten hatte, das geraubte Haussaweib
und die Waren herbeizubringen, wenn ihm eine
Milchkuh dafür bezahlt werde. Nunmehr befahl ich
ihm, Welb und Waren zur Stelle zu schaffen, für
seine Lügen 100 Schafe und 200 Lasten Korn zu
zahlen und 50 Gelseln so lange zu stellen, bis diese
Forderungen erfüllt seien. Er versprach dies, ver-
schwand und blieb verschwunden; statt dessen brachte
man mir um ½11 Uhr einen beim Wasserholen
angeschossenen Träger. So war ich mit diesem
stärlsten der drei Stämme — ich schätze die Pakas
auf 3000 bis 8500 Köpfe — ganz gegen meine
Absicht in Konflikt geraten. Mit meinen 14 Mann
konnte ich einen entscheidenden Schlag nicht führen,
zumal besonderer Widerstand nicht geleistet wurde.
Die Paka-Höhe konnte unschwer vom Feinde, der an-
fangs von den Felsen in das Lager zu schießen ver-
suchte, gesäubert werden; die mit großen Vorräten
an Korn ausgestatteten Paka-Orte sperrte ich außer-
dem nachts durch Patrouillengang und beschränkte
mich im übrigen darauf, ein Ausweichen des Gegners
bis zum Eintreffen des Oberleutnants Schipper (am
1. Dezember) durch nördlich ausholende Patrouillen
in dieser Richtung zu verhindern, da ich nach dem
schwachen Widerstand der Pakas befürchten mußte,