Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

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Aus dem Pereiche der Missionen und der Ankisklaverei-Bewegung. 
In Kairo tagte vom 4. bis 9. April eine Kon- 
ferenz von 62 Delegierten protestantischer Missionen 
in mohammedanischen Ländern. Man will die 
Mohammedanermission mit größerem Nachdruck auf- 
nehmen und namentlich durch die Presse und die 
1 Krankenpflege wirken. 
KAus fremden Rolonien und Produktionsgebieten. 
Die Propaganda des Islam im Sudan. 
Der stellvertretende Gouverneur des französischen 
oberen Sudan und Niger, Mr. Ponty, hat folgenden 
Runderlaß an die Administratoren und Bezirks- 
kommandanten betreffs der islamitischen Bewegung 
erlassen: 
„Ich habe schon die Ehre gehabt, Sie durch mein 
Zirkular vom 4. April 1903 auf die hervorragende 
politische Rolle, die in den moslemitischen Regionen 
der Großscheriff von Melka spielt sowie auf die 
religiöse und polltische Propaganda der Agenten, 
die in seinem Solde stehen oder Brüderschaften an- 
gehören, welche er leitet, aufmerksam zu machen. 
Ich erwähnte in diesem Dokument die Gefahren, 
welche aus einer solchen Propaganda für die Be- 
festigung unserer Herrschaft entstehen könnten. 
erinnerte Sie daran, daß wir zwar den Musel- 
männern, wie wir es ihnen versprochen, volle 
Gewissensfreiheit lassen werden, daß wir jedoch nicht 
vergessen dürfen, daß diese Freiheit, wie jede andere, 
nur innerhalb der Grenzen der Gesetze bestehen kann. 
Ich erklärte endlich, daß es unsere strenge Pflicht 
Ich 
wäre, genau darüber zu wachen, daß die von den 
Angehörigen der moslemitischen Brüderschaften ge- 
predigten Lehren, niemals den Erfolg des großen 
Werkes der Zivilisation, das wir in diesem Lande 
ausüben, gefährden. Ich bat Sie dann noch, nach- 
dem ich Ihnen empfohlen hatte, eine Uberwachung 
nur mit größter Vorsicht und größtem Bedacht aus- 
zuüben, jede Gelegenheit zu ergreifen, sich mit dem 
moralischen und politischen Einfluß jener Brüder- 
schaften und ihrer Oberhäupter bekannt zu machen, 
und mir alle Auskünfte, die Sie erhalten können, 
mitzuteilen. 
ch muß heute wegen der neuerlichen Unruhen, 
deren Schauplatz das Dierma war, und die größten- 
teils den Treibereien einer gewissen Anzahl fanatischer 
Marabuts zuzuschreiben waren, betonen, daß die 
Schwierigkeiten und die Gefahren, die der Sicher- 
heit und der öffentlichen Moral erstehen, eine Folge 
der Almosensammlungen sind, die auf unserem Gebiet 
durch eine ununterbrochen wachsende Anzahl von 
religiösen Persönlichkeiten, die Fremde in unserer 
Kolonie sind, ausgeübt werden. Diese Marabuts, 
sämtlich irgend einer moslemischen Brüderschaft an- 
gehörig, sind meistens von weißer Rasse und sind 
teils in Marokko, teils in Mauretanien, teils selbst 
in Egypten, Syrien oder Arabien einheimisch. Sie 
nennen sich fast alle Sheriffs (Nachkommen des 
Proyheten), behaupten aus Mekka zurückgekehrte Pilger 
zu sein, wären Verkünder neuer moslemitischer Zeiten 
und Besitzer hoher Würden, sei es entweder in der 
Hierarchie ihrer religiösen Orden oder in der 
sofikischen Schule, namentlich der von Djoneidi. Sie 
gehen von Dorf zu Dorf, predigen der Bevölkerung 
die Rückkehr zur Reinheit der wahren muselmännischen 
Lehre, die strikte Observanz ihrer fünf großen Pfllchten: 
Gebet, Fasten, Almosen, Pilgerschaft und heiliger 
Krieg, handeln mit unfehlbaren Amuletten oder mit 
Wunderwasser, das sie aus dem Brunnen von 
Zem-Zem mitgebracht, kolportieren für die wegen 
des Niedergangs ihrer Religion betrübten Musel- 
männer tröstende Nachrichten, zeigen das nahe 
Kommen des Mahdi an, behaupten selbst oft, daß 
sie von ihm zu den Gläubigen geschickt sind, befehlen 
jedem an, das Gewehr in Ordnung zu haben, den 
Säbel zu schärfen, predigen oft, den Franzosen die 
Steuern zu verweigern, die durch das unzählbare 
Heer des Sultans von Marokko oder des Sultans 
von Konstantlnopel bald vollständig vernichtet seln 
würden. 
Diese Reden haben keinen anderen Zweck als aus 
den Gläubigen Geschenke herauszuzlehen; die Ge- 
schenke, die oft durch Drohungen erpreßt werden, 
erreichen nicht selten eine beträchtliche Höhe; Pferde, 
Esel, Kühe, Geldsummen werden den wandernden 
Scharlatanen als Austausch für ihren Segen und 
ihre Gebete gegeben. Nachdem diese den Fanatismus 
ihrer Zuhörer aufgereizt haben, leeren sie ihre Taschen. 
Die Verwaltung darf nicht dulden, daß solche 
Individuen ungestraft ihre antifranzösische, auti- 
europäische Propaganda einerseits und ihre Gaunereien 
und Erpressungen anderseits gegenüber unserer 
Eingeborenenbevölkerung weitertreiben. Dringende 
Maßregeln sind in dieser Beziehung nötig. 
Von nun an ist, sobald die Anwesenheit eines 
bettelnden Marabut Ihnen an irgend einem Punkt 
Ihres Kreises angezeigt wird, derselbe sogleich fest- 
zunehmen und Ihnen vorzuführen. Sie haben ihn 
zu verhören, und wenn festgestellt ist, daß er unter 
dem Vorwande der Religlon Geschenke von den Ein- 
geborenen verlangt und erhalten hat, ist er wegen 
Betruges anzuklagen und vor die Eingeborenen- 
tribunale Ihres Bezirks zu bringen. Nach Ver- 
büßung seiner Strafe ist er auszuweisen und auf 
dem geraden Weg in seine Heimat zu bringen, wo# 
den örtlichen Behörden Nachricht zu geben ist. Wird 
er als eine religlöse Persönlichkeit erkannt, oder 
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