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bringt Stammhammer in seiner Bibliograhhie des
Sozialismus u. des Kommunismus (3 B
pletes in 37 Bdn, dazu kommen noch 14 Bde Brief-
wechsel, mehrere große Zeitungen u. zahlreiche Ge-
richts= u. Parlamentsreden. Die von P. begrün-
deten Zeitungen waren: Le Représentant du
peuple (14. Okt. 1847 bis 21. Aug. 1848);
bis 13. Okt. 1850); La Voix du peuple (20. Sept.
1849 bis 14. Mai 1850) (zur Würdigung der Zei-
tungen siehe Diehl, P. II 37).
Einen erschöpfenden Üüberblick über die Literatur
gibt Diehl, Art. „P.“", im Handwörterbuch der
Staatswissenschaften VI (21901) 272/274. Her-
vorgehoben zu werden verdienen wegen ihrer
gründlichen quellenmäßigen Ausführlichkeit u. Kri-
tik die Werke von K. Diehl, P. J. P., sein Le-
ben u. seine Lehre (3 Bde, 1886/96) u. von Arth.
Desjardins, P. J. P., sa vie, ses ceuvres, ses
doctrines (2 Bde, Par. 1896). Wegen der geist-
vollen zusammenfassenden Charakteristik die kurze
Darstellung von F. Muckle, Die Gesch. der sozialist.
Ideen im 19. Jahrh., 1I. TI (1909; Sammlung:
Aus Natur u. Geisteswelt) 1/29. Wegen seiner
knappen u. klaren Kritik von P.s Reformvorschlä-
gen: A. Menger, Das Recht auf den vollen Arbeits-
ertrag in geschichtlicher Darstellung (1910) 69/76.
Wegen der selbständigen Untersuchung von P.=
Verhältnis zu Marx außer Diehl 1I 301/307 noch
A. v. Wenckstern, Marx (1896), 7. Kap.: P. u. der
Wert 159.184; u. narzite u. eingehend E. Ham-
macher, Das philosophische System des Marxismus
(1909, im Zusammenhang des ganzen Werks).
IAdolf Ott.]
Pufendorf, Samuel Freiherr von,
geb. am 8. Jan. 1632 zu Dorf Chemnitz in
Sachsen, einer weit verzweigten Pastorenfamilie
angehörig, sollte in Leipzig Theologie studieren,
wandte sich aber frühzeitig von ihr ab und ging
die Wege eines Polyhistors. In Jena gewann
der Mathematiker Erh. Weigel viel Einfluß über
ihn; er wies Pufendorf zuerst auf Grotius und
Hobbes hin und bestimmte so dessen zukünftige
Bahn. Als Hofmeister im Haus des schwedischen
Gesandten nach Kopenhagen gekommen, geriet er
dort in Gefangenschaft, während welcher er seine
Elementa iurisprudentiae universalis aus-
arbeitete (1660). Karl Ludwig von der Pfalz,
welchem Pufendorf das Büchlein gewidmet hatte,
berief ihn 1661 als Professor des Natur= und
Völkerrechts (in der philosophischen Fakultät) nach
Heidelberg. Der Wellenschlag, welchen seine unter
dem Pseudonym Severinus de Monzambano
veröffentlichte Schrift De statu Imperü Ger-
maniei (1667) weithin im Reich verursachte, ver-
trieb ihn aus Heidelberg. Er folgte (1668) einem
Ruf nach Lund; mußte ihn doch seine Auffassung
der deutschen Zustände, mit oder gegen seinen
Willen, als einen hochwillkommenen Bundes-
genossen für die Tendenzen der schwedischen Politik
erscheinen lassen. Dort veröffentlichte er (1672)
sein Hauptwerk, das Lus naturae et gentium,
Pufendorf.
Le
Peuple (Sept. 1848 bis 13. Juni 1849 u. 15. Juni
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welches ihm die erbitterte Gegnerschaft der streng-
93 g gläubigen Theologie in Schweden wie in Deutsch-
bis 1909). Eine Sammlung der Werke P. n erschien
1868/76 in Paris unter dem Titel: Euvres com
land zuzog, bis Pufendorf einen königlichen Be-
fehl erwirkte, der ihm wenigstens in Lund Ruhe
verschaffte. 1677 ging er als Reichshistoriograph
und Staatssekretär nach Stockholm und wandte
sich von da an fast ausschließlich der Geschicht-
schreibung zu. 1686 ward er als Geheimrat nach
Berlin berufen, um die Geschichte des Großen
Korfürste zu schreiben. Doch kam er erst 1688
nach Berlin, wo er als kurbrandenburgischer Hi-
storiograph rasch das ihm aufgetragene Werk und
außerdem noch drei Bücher der Geschichte Kur-
fürst Friedrichs III. vollendete. Den Freiherrn=
titel erhielt er erst 1694 vom König von Schweden;
er starb bald darauf am 16. Okt. 1694 zu Berlin.
Pufendorf hat auf mehr als einem Gebiet nach-
haltigen Einfluß ausgeübt: viel angefochten von
der einen Seite, hat er das höchste Ansehen auf
der andern genossen; später ward er bald unter-
chätzt bald über Gebühr gepriesen. Von seinen
in Buchform erschienenen staatswissenschaftlichen
Schriften ist eine der bedeutendsten: De statu
Imperii Germanici liber unus (vgl. Literatur).
Pufendorf bediente sich für diese Schrift des
Pfeudonyms Severinus de Monzambano; er
läßt darin diesen fingierten vornehmen Veroneser
seinem Bruder Lälius die Eindrücke erzählen, welche
die Zustände Deutschlands nach dem Dreißig-
jährigen Krieg, während er das deutsche Reich
bereiste, auf ihn gemacht haben. In den sieben
Kapiteln des kleinen Büchleins ist eine umsichtigere
Kenntnis der deutschen Geschichte, der Entwicklung
des Reichsstaatsrechts, eine tiefere Einsicht
in die wahren Kräfte jedes Staatswesens, ein
schärferer Blick für die große Politik bewiesen als
in all den Folianten seiner Zeitgenossen zusammen.
Rechtsgeschichtliche Fragen, über welche damals
noch die mannigfachste Mythenbildung sich ver-
breitete, wie die Entstehung des Kurfürstenkol-
legiums (De statu Imperü 4, 2 3), die Rezep-
tion des römischen Rechts (ebd. 5, 13), löst er mit
besonnenem Scharfsinn. Mit unerbittlicher Logik
zerreißt er das Gewebe schillernder Schönrederei
über die Majestät von Kaiser und Reich, indem
er den kläglichen Verfall deutscher Macht und
Größe rücksichtslos bloßlegt. Das Reich ist ir-
regulare aliquod corpus et monstro simile
geworden (ebd. 6, 9), ein Mittelding zwischen
Monarchie und Föderativstaat, ohne Reichsschatz,
ohne Reichsheer, mit einem lächerlichen Rest von
Hoheitsrechten des Kaisers. Den Kernpunkt des
Elends erblickt Pufendorf sehr richtig in der
„monströsen“ Tatsache, qguod caput adversus
membra velut in partes descenderit (ebd. 7, 8),
in der Sonderpolitik der mächtigeren Reichsfürsten,
welche ihre reichsrechtliche Sanktion in dem durch
den Westfälischen Frieden anerkannten Bündnis-
recht erhalten hatte. — Einseitig verblendet wird
Pufendorfs Auffassung da. wo sich sein religiöses
Vorurteil geltend macht. So bezeichnet er als das
—