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3. Jede Kolonie soll, soweit irgend möglich,
auf ihre eigenen Einnahmen angewiesen werden,
aber das Mutterland kann sehr wohl den Kredit
der Kolonie unterstützen oder später rückzahlbare
Vorschüsse gewähren.
4. Bei unentwickelten Kolonien, deren Ein-
wohner nicht geeignet sind, wichtige öffentliche
Einrichtungen, wie Eisenbahnen, Kanäle, Tele-
graphensysteme zu leiten, ist es wohl richtig, daß
diese Anlagen der Regierung gehören sollen und
lieber durch Beamte als durch Privatgesellschaften
zu verwalten sind.
Ich schiebe hier ein, daß dieser Satz um so
merkwürdiger ist, als in Amerika irgendwelches
Staatseigentum weder an Bahnen noch an Tele-
graphen noch an Telephonen besteht und bisher
dort auch durchaus perhorresziert worden ist.
5. Die Auswahl der Einnahmegquellen soll
in jedem Falle festgesetzt werden in Überein-
stimmung mit der ökonomischen und sozialen Lage
der Kolonien.
6. Wo die Kolonie so gelegen ist, daß die
Entwicklung des Handels mit fremden Ländern
den wirtschaftlichen Hauptwert bildet, sollen Ein-
fuhrzölle sehr niedrig sein beziehungsweise nicht
erhoben werden.
7. In Kolonien mit unentwickelten Wirtschafts-
quellen soll die Hauptstütze für die allgemeinen
Regierungseinnahmen ein System indirekter
Steuern bilden mit entsprechenden Zöllen auf
importierte Artikel, wenn diese den von der in-
direkten Steuer betroffenen Gegenständen ähnlich
sind. Lizenzen sollten zunächst eingeführt werden
auf einige Artikel allgemeinen Verbrauchs, wie
Alkohol, Opium und Reis. Sofern irgend eine
Kolonie ausgesprochene Vorteile in der Erzeugung
besonderer Konsumartikel, wie Zucker, Tabak,
Hanf usw., besitzt, kann es wünschenswert er-
scheinen, auch hier Lizenzen oder ähnliche Pro-
duktionssteuern aufzuerlegen, es ist selbst eine
Frage, ob niedrige Exportzölle auf solche Ver-
brauchsartikel nicht in Ausnahmefällen angewandt
werden sollen.
Hier schiebe ich ein, daß die Konstitution der
Vereinigten Staaten solche Ausfuhrzölle für ameri-
kanische Produkte nach anderen Bundesstaaten
verbietet und daß deshalb der Satz besonders
bedeutsam ist, trotzdem er aus dem eben er-
wähnten Grunde mit einer gewissen Zaghaftig-
keit vorgebracht wird.
8. Es ist nicht wünschenswert, eine Verzehr-
steuer für lokale Zwecke aufzuerlegen. Lokale Ein-
nahmen sollten in den meisten Fällen in erheb-
lichem Umfange aus Grumdbesitz, Lizenzen für
Geschäfte und ähnlichen Spezialsteuern bezogen
werden.
9. Wo es immer möglich ist, sollten in der
staatlichen Verwaltung Ansässige der Kolonie als
Beamte gebraucht werden. Es muß aber oberster
Grundsatz bleiben, daß als letzte Instanz die
Wünsche des Mutterlandes ausschlaggebend sein
müssen.
10. Solange als die Kolonien die neuzeit-
lichen wirtschaftlichen Bedingungen noch nicht er-
reicht haben, mag es empfehlenswert sein, soweit
als möglich die einheimischen Gebräuche während
der Übergangszeit beizubehalten. Zum Beispiel
erscheint es durchaus möglich, daß für gewisse
Zeit noch das System der Verpachtung der
Steuern an Unternehmer, insbesondere die Häupter
der Eingeborenen, unter den etwa erforderlichen
Einschränkungen beibehalten bleibt.
Für eine ordentliche Verwaltung der
Staatswirtschaft einer Kolonie der Vereinigten
Staaten ist es absolut notwendig, ein Beamten-
recht einzurichten, welches über allen Zweifel
hinaus die Tüchtigkeit und die Ehrlichkeit des
Personals sicherstellt.
12. In denjenigen Kolonien, wo es schwer
ist, eine entsprechende Menge tüchtiger eingeborener
Arbeiter zu erhalten, kann man die Frage der
Zulassung fremder Arbeiter in ernsthafte Er-
wägung ziehen. Wenn auch vielleicht hinreichende
Gründe vorliegen für den Ausschluß chinesischer
Arbeiter aus den Vereinigten Staaten, folgt daraus
durchaus noch nicht, daß sie von den Philippinen
ausgeschlossen bleiben müssen.
Selbst dieser Satz hat für gewisse beschränkte
Bezirke deutscher Kolonien seine Anwendung. Die
reichhaltigen Phosphate, die sich z. B. in den
Karolinen auf der Insel Nauru vorfinden, können
mit den dort ansässigen wenigen eingeborenen
Arbeitern nicht gefördert werden, und es ist, da
das tropische Klima für europäische Arbeit nicht
geeignet ist, vor wenigen Tagen ein erster
Transport von 500 chinesischen Arbeitern dorthin
abgegangen. Natürlich lassen sich diese Leitsätze,
wenn man auch mit ihrem allgemeinen Geist,
wie ich schon gesagt habe, einverstanden sein kann,
nicht ohne weiteres übertragen. Sic enthalten aber
die Quintessenz der kolonialen Finanzwissenschaft
des heutigen Tages, und sie sind mit Urteil und
Berständnis dem eingehenden Studium der Er-
fahrungen aller kolonisatorisch tätigen Nationen
entnommen. Der erste Satz, den ich verlesen
habe, nämlich daß die Finanzen jeder Kolonie
unabhängig und lediglich im Interesse ihrer selbst
und nicht in dem des Mutterlandes geführt
werden sollen, leitet über zu der Frage, die zu-
nächst hier zu erwägen ist: Welches ist denn der
gegenwärtige Stand der Einnahmen und Aus-
gaben unserer verschiedenen Kolonien, und wie-
weit kann man überhaupt von einer selbständigen