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auch die künstliche Varüerbarkeit nach Aussehen
und Eigenschaften längst erwiesen ist. In seinem
Vortrag „Über die Trypanosomenkrankheiten“
(26. Oktober 1904), einem von Meisterhand ge-
zeichneten Bild der Trypanosomenforschung, hat
R. Koch sich eingehend darüber ausgesprochen
und eine Erklärung dafür gegeben. In der
interessanten Annahme, daß es innerhalb der
einen Gruppe von Trypanosomen, zu der er die
Erreger der Tsetsekrankheit, der Surra, des Mal
de Caderas und des Trypanosoma des Menschen
zusammenfaßt, noch nicht zur Entwicklung fester,
an bestimmte Wirte gebundener Arten gekommen
ist, wie sie die andere Gruppe in dem Trypano-=
soma Lewisi der grauen Ratte und dem Trypa-
nosoma Theileri des Rindes aufweist. Als eine
weitere Stütze dieser Annahme können meine
Beobachtungen dienen. Sie helfen auch Tatsachen
erklären wie z. B. die, daß Reittiere oder Hunde,
die so und so oft Tsetsegegenden ungestraft passiert
haben, schließlich doch einmal eine tödliche Er-
krankung erwerben. Wenn man sich vergegen-
wärtigt, daß ähnliche Um= und Anzüchtungen
der Trypanosomen, wie wir sie künstlich bewirken
können, unter natürlichen Verhältnissen durch
Vermittlung der Tsetsefliege fortgesetzt erfolgen,
ist es klar, welche Rolle der Zufall spielen muß.
Daraus geht weiter hervor, daß man ein emp-
fängliches Tier, wenn es in einer Tsetsegegend
auch nach nachgewiesener Infektion nicht erkrankt,
nicht ohne weiteres als immun ansprechen darf;
es ist vielleicht gar nicht mit solchen Trypano=
somen infiziert worden, die gerade seiner Art
angepaßt waren. Will man also ein immuni-
siertes Tier auf den Erfolg der Schutzimpfung
prüfen, so ist nach meiner Ansicht die künstliche
Infektion mit vollvirulentem Material unentbehr-
lich, bei der jede erforderliche Kontrolle möglich
ist. Ich bin deshalb immer bemüht gewesen,
mir für jede bei meinen Arbeiten verwendete
Tierart einen virulenten Trypanosomenstamm zu
verschaffen und zu erhalten.
Kurz zusammengefaßt, haben meine Versuche,
soweit sie auf künstlicher Infektion beruhen, er-
geben, daß es auf sehr verschiedene Weise gelingt,
leichte Tsetseerkrankungen bei Rindern hervorzu-
rufen, und daß sie dadurch einen hinreichenden
Schutz gegen spätere schwere Infektion erwerben
können, aber durchaus nicht regelmäßig erlangen.
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Nun ist aber neuerdings die Frage entstanden,
ob es überhaupt ratsam ist, gegen Tsetsekrankheit
Immunisierungen dieser Art, d. h. Schutzimpfungen
mit lebenden Krankheitserregern, in größerem
Umfang auszuführen. R. Koch hat sie in dem
erwähnten Vortrag (von dem ich in Ssongea
Ende Jannar 1905 Kenntnis erhielt) aufgeworfen
und verneint. Denn er konnte feststellen, daß
ein von ihm 1897 so immunisiertes Rind nach
sechs Jahren noch Trypanosomen beherbergte,
und zog daraus in Analogie mit anderen
Infektionskrankheiten den Schluß, daß wir uns
durch solche Immunisierungen im großen künst-
lich immer neue Infektionsquellen in den ge-
impften Tieren selbst schaffen würden. Er hat
deshalb sein Prinzip der Seuchenbekämpfung
nun auch auf die Trypanosomenkrankheit über-
tragen und an Stelle der Schutzimpfungen das
Vorgehen gegen den Krankheitsüberträger,
die Tsetsefliege, oder aber gegen die — im
Wild wie in kranken und latent infizierten
Haustieren gegebenen — Infektionsquellen
vorgeschlagen.
Daß, vom Wild abgesehen, solche versteckten
Infektionen nicht selten sind und für andere
Tiere gefährlich werden können, bestätigen einige
zumeist schon oben erwähnte Beobachtungen bei
den hiesigen Versuchen. Zur besseren übersicht
hier ihre Zusammenstellung. Ein Bulle, der seit
Jahren keine Tsetsegegend passiert haben konnte,
beherbergte bei vollkommener eigener Gesundbheit
Trypanosomen, die bei fortgesetzter Übertragung
andere Rinder töteten. Ein junger, künstlich
infizierter Hund erschien dauernd gesund, hatte
aber Trypanosomen, die alle damit geimpften
Rinder töteten. Ein Schaf, das im April 1904
infiziert worden war und längst keine Krankheits-
erscheinungen mehr darbot, beherbergte ein Jahr
später noch Trypanosomen, die Rinder krank
machten, eine im November 1903 infizierte „ge-
sunde“ Ziege im März 1905 noch solche, die
Rinder töteten. Der genesende Maskatesel hatte
zu einer Zeit, wo er selbst schon wieder als
Reittier benutzt werden konnte, Trypanosomen im
Blut, die sich für Rinder tödlich zeigten. Daß
auch die von mir immnnisierten Rinder nicht frei
von Trypanosomen waren, ist mir nach alledem
wahrscheinlich. Darauf geprüft worden sind nur
drei, deren Serum in vitro Trypanosomen auf-
löste. Trotzdem war ihr Blut noch infektiös,
in zwei Fällen sogar virulent für andere
Rinder. Allerdings habe ich auch zweimal fest-
stellen können, daß die Parasiten aus dem Blut
künstlich infizierter Rinder wieder verschwanden,
wenn Heilung erfolgte (zehn bzw. acht Monate
nach der Infektion waren 50 cem Blut nicht
mehr infektiös), aber das müssen wir wohl als
Ausnahme betrachten.
Es scheint also in der Tat notwendig, daß
wir die Immunisierung mit lebenden Trypanoso-
men ganz ausgeben. Etwas muß aber zweifel-
los hier geschehen gegen eine Seuche, die