Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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welche minderwertig ist und gar nicht benutzt 
wird; bloß im Osten Südafrikas ist bis jetzt Kohle 
gefunden worden; aber es ist nicht ausgeschlossen, 
daß auch im Caprivizipfel und in Deutsch-Südwest 
noch einmal Kohle gefunden wird. 
Außer den Mineralien, Pflanzen und Tieren 
gibt es aber in Deutsch-Südwestafrika auch Ein- 
geborene. über die Eingeborenenfrage hat man 
in Übersee gemeiniglich eine andere Ansicht als 
in Deutschland. Wenn ich mir dazu einige Be- 
merkungen gestatte, so bitte ich diese nur als 
meine persönliche Ansicht aufzufassen; es ist aber 
eine Ansicht, die in Südafrika von den meisten 
geteilt wird; hier wird diese Ansicht nicht von 
jedermann geteilt werden: der Eingeborene ist 
ein anspruchsloser Mensch, er macht wenig An- 
sprüche an das Leben, wenn er für sich allein 
lebt, und er sieht gar nicht ein, warum er über- 
haupt arbeiten soll, denn er hat keine Bedürfnisse 
zu befriedigen. Aber wenn er mit dem Weißen 
in Berührung kommt, dann lernt er dessen Be- 
dürfnisse kennen: der Weiße raucht Tabak, trinkt 
alkoholische Getränke und hat gute Kleider, auch 
viel Vieh; das möchte er nun auch haben; 
arbeiten hat er nicht gelernt, und daher ent- 
stehen die Diebereien und Ränbereien! Von 
allen Eingeborenen Südafrikas sind die Hotten- 
totten in dieser Beziehung am verrufensten. Die 
Engländer haben sich dadurch zu helfen gesucht, 
daß sie in früheren Zeiten mit diesen Leuten, an 
der Grenze, besonders mit den Bondelzwarts, 
Verträge schlossen, ihnen einige hundert Pfund 
jährlich zahlten, um sie von den Ränbereien ab- 
zubringen. Mit den Korannas wollte es gar 
nicht gehen: die haben die Buren belästigt, und 
es war unmöglich für die dortigen Ansiedler, 
vorwärts zu kommen; gegen diesen Stamm wurde 
daher ein Vernichtungskrieg geführt und nur 
wenige sind davon übrig geblieben. 
Nun wird die Behandlung der Eingeborenen 
seitens der Engländer als vorbildlich dargestellt, 
und ich glaube, mit Recht: denn, so strenge der 
Engländer gegen Rebellen vorgeht und so rück- 
sichtslos er die Kriegsgefangenen behandelt und 
sie jahrelang bei öffentlichen Arbeiten verwendet 
und nachher in Reservate steckt, so werden sie 
doch überall zur Arbeit angehalten, und das ist 
die erste Pflicht, die der weiße Mann dem Ein- 
geborenen gegenüber hat. Die Engländer haben 
hier große Erfolge gehabt; ich bin sehr oft im 
östlichen Teile der Kolonie gewesen und habe 
gesehen, wie besonders ein Stamm, die Fingos, 
sich dort tatsächlich herausgearbeitet hat: viele 
von ihnen leben in besseren Wohnungen und in 
größerem Wohlstand als zahlreiche Arbeiter in 
unseren Industriebezirken. Sie haben dies nicht 
durch Räubereien erreicht, sondern durch Arbeit 
  
erworben! Der Eingeborene muß behandelt 
werden wie ein Kind, und ein gewisser Zwang 
und Druck ist darum unerläßlich, und das geschieht 
auch von seiten der englischen Regierung: der 
Eingeborene ist entwaffnet; einige Stämme, wie 
im Freistaat, müssen um 9 Uhr zu Hause sein 
und dann zu Bett gehen; die Leute dürfen sich 
ohne Paß nicht draußen zeigen; sie werden aber 
gegen Alkohol geschützt: der darf ihnen nicht 
verkauft werden. Das Ergebnis dieser Politik 
ist, daß die Eingeborenen nach der Einführung 
des europäischen Regiments nicht etwa ausgerottet 
worden sind, sondern sie haben sich unter diesem 
englischen Regiment vermehrt. Meine persönliche 
Meinung geht dahin, daß es wünschenswert wäre, 
dan auf deutschem Gebiet dieselbe Politik Platz 
greifen möchte wie auf dem englischen. Der 
Eingeborene ist so klug, daß er den Unterschied 
bald merkt, und es hat immer seine unangenehmen 
Folgen, wenn er aus deutschem Gebiet auf das 
englische übergeht und das englische System gegen 
das deutsche ausspielt, — oder auch umgekehrt. 
Der Eingeborene muß wissen, daß er hier wie 
dort dieselbe Behandlung erfährt, und daß der 
weiße Mann sein Herr ist. Das ist er kraft 
seiner höheren Intelligenz: der weiße Mann ist 
sozusagen das Resultat einer zweitansendjährigen 
Entwicklung; wir können uns nicht mit den afrika- 
nischen Eingeborenen auf gleiche Stufe stellen, 
die teils Kannibalen, teils Semikannibalen sind, 
oder deren Bäter es noch waren. Wir müssen 
den Leuten eine Evolution gönnen, die immerhin 
einige Generationen dauern wird, damit sie auf 
eine höhere Stufe kommen; das bloße Singen 
eines Psalmes, das Hersagen eines Gebetes bringt 
die Leute noch nicht auf die Stufe, auf der wir 
stehen! 
Vor allem kommt es also auf die Erziehung 
zur Arbeit an. 
Man spricht viel davon, die Kolonien sollten 
aufgegeben werden; aber sollte Deutschland 
sich dieser letzteren entschlagen wollen, an die 
Eingeborenen könnten sie ganz gewiß nicht zurück- 
gegeben werden; die Engländer könnten es nicht 
dulden, und von ihnen würden die Länder be- 
setzt werden. Ich glaube aber nicht, daß es 
dazu kommen wird; ich bin vielmehr der Über- 
zeugung, es wird doch noch eine Zeit kommen, 
daß Deutschland eine Freude an der Ent- 
wicklung seines Schmerzenskindes Süd- 
westafrika haben wird, wenn erst eine direkte 
Verbindung von Lüderitzbucht ins Herz 
von Namaland hergestellt ist. Dann wird das 
Namaland in Bälde in die Reihe der produ- 
zierenden Länder Südafrikas eintreten.
	        
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