Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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Spitze, wird nach voraufgegangenem Einschnitt 
aufgesetzt und mit dem Munde luftleer gesaugt. 
Das Nähen der Wunden mit fortlaufender 
Naht ist den Wahehe-Arzten nach ihrer Aussage 
von Arabern beigebracht, findet aber selten An- 
wendung. Die umschlungene Naht wollen sie 
schon früher gekannt haben, aber nur zur Schließung 
von Bauchverletzungen, und zwar wurden statt 
der Nadeln Bambusstäbchen verwandt. 
Sonst werden keinerlei blutige Eingriffe ver- 
sucht, außer der Beschneidung der Mädchen nach 
der ersten Regel. Diese von einer größeren Feier 
begleitete Operation wird von alten Weibern mit 
einer scharfen Speerspitze oder einem Messer aus- 
geführt, wobei die nicht unbeträchtliche Blutung 
durch heiße Pflanzenasche gestillt wird. 
Wichtig und wohlbekannt ist das Schienen 
von Extremitätenbrüchen. Die Schienen werden 
aus einem Geflecht von Zweigen und Bast oder 
aus Bambus hergestellt und mit trockenem Gras 
gepolstert. Einfache und komplizierte Brüche 
werden gleichmäßig behandelt. Einen wirklichen 
Nutzen bringt hierbei nur die Ruhigstellung des 
gebrochenen Gliedes; das Einrichten des Bruches 
gelingt dem Arzte, wenn er es überhaupt ver- 
sucht, meistens nicht. Das sieht man an den 
Heilerfolgen. 
Viel höher als die Chirurgie steht die Medizin. 
Als Medikamente werden fast ausschließlich Pflan- 
zenbestandteile verwandt. Die Wahehe-Arzte 
kennen eine große Menge heilkräftiger Pflanzen, 
die als solche dem Volke nur zum kleinsten Teile 
bekannt sind. Von Mineralien hat nur Eisenrost 
eine Bedeutung als Medikament. Ferner finden 
der an den Innenstützen der Hütten sich ansetzende 
Ruß sowie animalische Bestandteile Verwendung. 
Von den Heilpflanzen spielen außer den Blüten 
und Früchten, die nur selten mit den Blättern 
vermischt werden, alle Teile einzeln oder zu- 
sammengesetzt, eine Rolle, die Blätter, die Zweige, 
der Stamm, die Wurzeln, die Stamm= und 
Wurzelrinde. Die Blätter werden frisch zerstampft, 
mit kaltem Wasser übergossen und das ganze Ge- 
misch oder der Abguß wird getrunken. Sie werden 
zu Asche gebrannt, mit Ol verrieben und als 
Salbe auf die Haut gebracht, zusammengerollt, 
erhitzt und in die Nase gesteckt (um Niesen zu 
erregen), frisch verrieben auf Impsschnitte, in 
Bündelchen auf die Schläfe gebunden oder zum 
Zweck des Raucheinatmens verbrannt. 
Zweige und Stamm werden in Stücke zer- 
schnitten und um den Hals und um die Knöchel 
aufgereiht getragen. Die Verwendung der Rinde 
geschieht in Form von Absuden, die zu heißen 
Ausspülungen benutzt werden, oder sie dient mit 
kaltem Wasser ausgelaugt als Badezusatz, auch wird 
sie zerrieben als Pulver im Getränk eingenommen. 
  
Früchte werden ziemlich selten mit anderen 
Bestandteilen gekocht und getrunken, getrocknet 
und pulverisiert auf Hautausschläge gestreut oder 
mit Fett zur Salbe verarbeitet. 
Weitgehende Verwendung finden die Wurzeln. 
Sie werden in Stücke zerschnitten, mit kaltem 
Wasser begossen, dann wird die Lauge getrunken; 
eine Abkochung dient als Getränk, als Bade- 
wasser, zur Herstellung von Brei, der als blut- 
treibendes Mittel beim Schröpfen gegessen wird, 
oder sie wird durch Schlagen mit einem ein- 
getauchten Zweige auf erkrankte Gelenke auf- 
getragen. Ferner werden die Wurzeln gekaut 
und der Saft geschluckt, oder der Kaubrei wird 
Bewußtlosen als Reizmittel in Nase und Ohren 
gespuckt. Auf Steinen zerrieben und mit Wasser 
gemischt geben sie einen Brei zum Auflegen auf 
Wunden und Geschwüre. Das trockene Mehl 
wird auf Spinnenbisse eingerieben oder mit 
Speichel gemengt mittels einer Hühnerfeder in 
die Augen gestrichen. Hornhautgeschwüre mit 
Regenbogenhautentzündung und Vereiterung der 
vorderen Augenkammer werden immer so behan- 
delt, um das in dem Auge befindliche -Mtoto 
wa sicho-, Augenkind, herauszubringen. Tat- 
sächlich erfolgt auch prompt eine ausgedehute 
Zerstörung der Hornhaut mit Irisvorfall. 
Neben den pflanzlichen finden sich nur ver- 
einzelt tierische Bestandteile als Heilmittel. Der 
Kropfinhalt des Huhnes dient mit kaltem Wasser 
gelöst zum Bestreichen erkrankter Hautstellen; 
Hühner= oder anderes Fleisch wird mit Wurzeln 
zur heilkräftigen Suppe zusammengekocht, die ab- 
gebrochene Spitze eines Schneckenhauses wird oft 
der Wurzelsuppe zugesetzt. Fett dient als Salben- 
grundlage, Honig zur Emulsion von Pflanzen- 
asche, Wurzelmehl usw. Interessant ist der Zusatz 
von Eisenrost zu geschwürheilenden Mitteln, wäh- 
rend dem Ruß aus dem Innern der Hütte wohl 
nur die Rolle eines indifferenten Konstituens zu- 
erkannt werden kann. 
Die Rezeptur der Wahehe ist insofern einfach, 
als die Medikamente nicht genauer abgemessen 
werden, sondern der Arzt nach eigenem Gut- 
dünken das Quantum bestimmt. Nachstehend 
einige Musterrezepte, wie sie von den Arzten auf 
Befragen angegeben wurden: 
Gegen Lungenentzündung (Litawangu): Die 
Wurzeln von Mlungulungu1) werden zum Teil 
gekaut und auf Brust und Schultern verrieben. 
Ein anderer Teil wird in einem irdenen Topf 
mit Wasser gekocht, beim Eintritt starker Dampf- 
entwicklung setzt sich der Patient vor den Topf, 
sich und den Topf mit einem großen Tuche oder 
1) Die Ubersetzung der Pflanzenbezeichnungen 
zeerheit. weil die wissenschaftliche Bestimmung noch 
aussteht.
	        
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