Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

W 332 20 
während im hohen Grase eine angeschossene noch 
entkam. Es verging hier keine Nacht ohne an- 
haltendes Konzert, das einmal, von vier Löwen 
gleichzeitig unweit des Lagers ausgeführt, tat- 
sächlich jeden Schlaf verscheuchte. 
Am 28. November erreichten wir bei Katana 
den Albert-Edward-See. Die Steppe taucht 
hier ganz allmählich in den See ein; zahlreiche 
Muschelreste auf der ganzen letzten Marschroute 
lassen auf ein langsames Zurücktreten des Wasser- 
spiegels schließen, eine Erscheinung, die am Süd- 
ost= und Ostufer ebenfalls auftritt, während am 
Westufer die Berge steil in den See abfallen. 
Das Südende ist außerordentlich schilfreich und 
beherbergt eine Ornis von ungeahnter Qualität 
und Menge. 
Wir blieben hier nur wenige Tage, da unsere 
Anwesenheit in Kasinde, unserem vorläufigen 
Ziel am Nordende des Sees, erforderlich war. 
Kasinde am Albert-Edward-See, 
Mitte Dezember 1907. 
Von den größeren Vulkanen des Kivn-See- 
gebietes ist der Namlagira der einzige, der 
momentan in voller Tätigkeit ist. Ihm galt ein 
Besuch, den ich am 1. November von Borunga, 
dem ersten kongolesischen Lager nördlich der 
deutschen Grenze, unternahm. Dieses Lager (gite) 
wird vom Namlagira durch ein ganz junges, 
sehr breites und Tagemärsche langes Lavafeld 
getrennt, das im allgemeinen in der Richtung 
von Südost nach Nordwest läuft und seinen Ur- 
sprung einem Ausbruch des Jahres 1904 ver- 
dankt. Es besteht aus einem Gemisch von Block- 
und Fladen-Lava und ist einem parasitären Krater 
am Südostfuße des Vulkans entströmt. 
Während wir am ersten Marschtage unmittelbar 
an diesem Lavafelde, am Westrand eines schönen 
Waldes lagerten, brachte uns der zweite Tag 
über das eigentliche Feld erst bis an den para- 
sitären Krater und weiter bis auf den eigentlichen 
Kraterrand des Berges. Die wild übereinander 
getürmten Blöcke und Schollen sind von einer 
dichten Moosschicht bewachsen, die im Sonnenlicht 
weißlich erscheint und vollkommen den Eindruck 
eines ungeheuren Eisfeldes oder Gletschers macht. 
Dieser Eindruck wird durch den unerläßlichen 
Gebrauch der langen Bergstöcke noch verstärkt. 
Vielfach ist der Wanderer genötigt, von Scholle 
zu Scholle zu springen oder vorsichtig die Spitzen 
der Blöcke zu überklettern, die in ihrer Porosität 
sehr häufig zum Bröckeln neigen. Es waren sehr 
schmerzhafte Operationen für die Schienbeine und 
andere betroffene Körperstellen und der Tod für 
die Stiefel, denn die Kanten der Lava sind 
messerscharf. Obgleich die Arbeit bei Uberwindung 
  
des Feldes für die Träger außerordentlich war, 
erreichte doch das Gros nach vierstündigem 
Marsche ohne wesentliche Verletzungen den Fuß 
des Berges, wo auf der Lava selbst in der Nähe 
eines wasserführenden Bachlaufes ein Lager be- 
zogen wurde. 
Es ergab sich von selbst, daß sich jeder bei 
diesem Marsche seinen eigenen Weg suchte. Da 
ich gut gangbare Stellen fand, erreichte ich zuerst 
den Rand des parasitären Kraters, dessen Schlon 
ein dicker, nur wenig nach Schwefel riechender 
Dampf entstieg. Die Umgebung dieses Kraters 
hat viele Schlote und Risse. Dicht oberhalb be- 
findet sich ein kleiner Kratersee. Mit offenbarem 
Mißtranen schauten die Askari in die rauchende 
Tiefe, während ein als „Führer“ mitgenommener 
Mann aus der Umgegend Borungas in über- 
großer Bescheidenheit und Ehrfurcht vor dem 
zweifellos dort wohnenden Scheitani (Teufel) 
nicht zu bewegen war, heranzukommen. 
Bald darauf trafen Dr. v. Raven und 
Leutnant v. Wiese ein, während Herr Grauer, 
ein deutsch-österreichischer Ornithologe, und Dr. 
Kirschstein etwas später nachkamen. Wir fünf 
machten uns auf den Weg, um durch den vor- 
liegenden Buschwald den obersten Kraterrand des 
Vulkans zu erreichen. Dies gelang ohne große 
Schwierigkeit. Trotz der Notwendigkeit, den Weg 
durch den Busch mit Buschmesser und Axt zu 
bahnen, erreichten wir in mäßiger Steigung, im 
letzten Teil über nackte Lava, den Kraterrand 
nach zwei Stunden. 
Diese Besteigung war die erste von der süd- 
lichen Seite aus, während Leutnant Schwartz, 
der seinerzeit der englisch-deutschen Grenzkommission 
zugeteilt war, im Jahre 1902 den ersten Auf 
stieg zum Nordrand des Kraters ausgeführt hat. 
Der Krater selber hat ganz außerordentliche 
Dimensionen und übertrifft den des Uniagongo 
bedeutend. Sein Umfang dürfte mit 5 km nicht 
zu hoch bemessen sein. Die nordöstliche Ecke des 
Kraterloches enthält eine stark ausgeprägte, hoch- 
liegende Terrasse, welche die eigentlichen tätigen 
drei Schlote einschließt. 
Während es uns nicht vergönnt war, zur Zeit 
unseres Aufenthaltes am Berge selber einen 
größeren Ausbruch zu sehen, hatte Dr. Kirsch- 
stein, der sich noch längere Zeit dem Studium 
dieses höchst interessanten Berges widmete, das 
Glück, elf heftige Ausbrüche aus unmittelbarer 
Nähe beobachten zu können. Zu Lavaergüssen 
ist es nach seinem Berichte nicht gekommen, wohl 
aber zu mächtigen Aschen= und Lapilli-Ausbrüchen, 
die jedesmal von starken Detonationen und Ent- 
gasungen begleitet waren. Die Auswurfmaterialien 
sind teilweise in den Krater zurückgefallen, teils
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.