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Hat sich der deutsche Außenhandel somit seinem
Umfange nach bedeutend gesteigert, so haben sich
auch in seiner Zusammensetzung höchst be—
merkenswerte Veränderungen vollzogen. Früher
gelangten zur Ausfuhr vorwiegend landwirtschaft-
liche Erzeugnisse, zur Einfuhr Industrieerzeugnisse
und Tropenprodukte. Neuerdings jedoch bilden
umgekehrt Fabrikate (und zwar immer mehr
verfeinerte Waren) die Hauptausfuhr, während
landwirtschaftliche Produkte und vornehmlich in-
dustrielle Rohstoffe die Haupteinfuhr aus-
machen.
Entsprechend der weiteren Entwicklung und
Ausgestaltung unseres einheimischen Bedarfs ge-
winnen neuerdings die kolonialen Rohstoffe in
unserer Einfuhr eine steigende Bedeutung. Im
Jahre 1906 führte Deutschland an derartigen
Rohstoffen bereits ein:
Baumwolle.
. ..für.rund480,50Mill.Mk.
Tierische Produkte (Häute,
Elfenbein, Hörner,Wachss 515,00
Nahrungs= u. Genußmittel : . 433,00 = =
Olprodukte . 214,000
Kupfer 235,70560
Hanf .1972,75 2
Kautschuk .. --153,50--
Gerbstoffe und Hölzer 39,00
Bei der bisher noch geringen wirtschaftlichen
Entwicklung unserer eigenen Kolonien konnte nur
ein geringer Bruchteil des Bedarfs von dorther
bezogen werden. Der Gesamtexport der Kolo-
nien betrug nämlich
in Baumwolle rund 0,34 Mill. Mk.
tierischen Produkten (Häute,
Elfenbein, Hörner, Wachs) = 4,63
= Nahrungs- und Gemömiter = 2,25 =
* Olprodukte. . . -10,43 -
- Hanf. .. - 1,28 - -
Kautschuk = 8.12
- Hölzer . - 0,13 - -
Es bliebe demnach noch ein jährlicher Be—
darf an kolonialen Rohstoffen von mehr als
2 Milliarden Mk. übrig, den wir im Aus-
land decken müssen. Da dieser Einfuhrbedarf
eine entsprechende Ausfuhr von Fabrikaten be-
dingt, handelt es sich um einen Gesamtumsatz
von mehr als 4 Milliarden Mk., mit dem
heute Deutschland — in Ermanglung einer hin-
reichenden wirtschaftlichen Entwicklung seiner
eigenen Kolonien — noch auf das Ausland
angewiesen ist. Diese Verhältnisse bringen unter
Umständen die deutsche Industrie in die Zwangs-
lage, teuer einkaufen und billig verkaufen
zu müssen, je nachdem die Konjunkturen des
Welthandels die Preise der benötigten Rohstoffe
hinauftreiben und die Preise für die abzusetzenden
Fabrikate herabdrücken. Es ist ohne weiteres
einleuchtend, daß solche Verhältnisse die Gestaltung
statistischer Unterlagen untersucht
unserer einheimischen Arbeits= und Wirtschafts-
verhältnisse außerordentlich beeinflussen können,
und daß es demgemäß sowohl für die Sicherung
und Verbesserung unserer Arbeitsverhältnisse wie
für unsere gesamte Volkswirtschaft ein großer
Gewinn wäre, wenn es gelänge, durch Ent-
wicklung der Produktions= und Konsumfähigkeit
unserer eigenen Kolonien — die bei einer Ein-
wohnerzahl von rund 15 Millionen an Fläche
insgesamt fünf mal so groß wie das deutsche
Reichsgebiet sind — unsere nationale Wirt-
schaftssphäre zu erweitern und zu befestigen.
In nachfolgenden Artikeln soll auf grund
werden, in
welcher Weise an diesen wirtschaftlichen Verhält-
nissen die einzelnen, bei der kolonialen Ein= und
Ausfuhr beteiligten Industriezweige und die darin
beschäftigten Arbeiter interessiert sind.
.
Anteil der nachbe- *
nannten Staaten am
Gesamtaußenhandel
(unter Ausschluß der
Edelmetalle) der
wichtigeren Länder
der Erde
1886 und 1906.
— — — —
Übrige
Amerika reich Ungarn Länder
1886 1905
— □—
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—.. —
Groß= Deutsch= V. St. v. Frank= Osterr.=
bri- land
tannien
Die Tätigkeit der „Association Cotonnière
Coloniale“.)
Am 17. März fand zu Paris die General-
versammlung der „Association Cotonnieère
Coloniale“ statt, die sich die Förderung von
Baumwollkulturen in den französischen
Kolonien zur Aufgabe gestellt hat. In dieser
Versammlung legte der Präsident der Gesellschaft,
M. Esnault-Pelterie, Rechenschaft über die
*) Nach dem „Hävre Eclair“ vom 20. u. 21. März 1908.